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Johann Gottlieb Fichte to Karl Ludwig Hemmerich

Herrn Pastor Hemmerich.
Ich hoffe, daß Ew. mir meinen in einem ächt Polnischen Wirthshause, unter den Zerrüttungen der Reise hingeworfenen Brief verziehen haben. Ich konnte meinem Herzen den Ausbruch der Dankbarkeit für Deroselben mir zu Warschau erzeugte mannigfaltige Güte nicht länger verbietend einer Dankbarkeit, die keine Zeit aus meiner Seele tilgen wird.
Wie schmerzlich ist mir’s, mir das Andenken an die in Ihrem Hause genoßene Freundschaft nicht vergegenwärtigen [zu] können; ohne daß meine Einbildungskraft zugleich auf die Leiden Ihrer vortreflichen Frau Gemahlinn stößt! Möchte ich doch bald dieselbe völlig wider hergestellt wißen! Einer meiner wärmsten Wünsche wäre dann erfüllt. Haben Sie die Güte derselben mein ehrfurchtvolles Andenken zu versichern.
Jezt zu dem Luftschloße, wovon ich in meinem lezten Briefe einen Wink zu geben wagte! Sollte Ew. Wunsch erfüllt werden, welcher, nicht aus Eigennutz, sondern aus wahrer herzlicher Ergebenheit gegen Ew. auch der meinige ist; sollte dann (wie ich vorausseze, u. außer dieser Voraussezung bescheide ich mich im voraus auf alles) Deroselben Herr College in Ihre Stelle einrüken; welche Erwartungen könnte ich dann wohl bei einer mögl. Bewerbung um deßelben Stelle haben? Welches sind die Canäle, an wen hätte ich mich zu wenden? Ist zu hoffen, daß von meiner in Ihrer Kirche gehaltenen Predigt ein Eindruk, u. ein nicht ganz ungünstiger Eindruk bei der Gemeine übrig ist? Es hat mich, wie Sie so gütig waren mir zu sagen, der Herr Consistorial=Präsident, es haben mich welche aus dem Unruhischen Hause gehört. Haben Sie nicht von ohngefähr ein Urtheil gehört, oder können Sie sie nicht beiläufig auf eins bringen?
Verzeihen Ew. meine Dreistigkeit. Sie sehen daß ich mich Ihnen ganz hingebe, daß ich keinen Gedanken in meiner Seele vor Ihnen verdeke; aber ich bin von Ew. Offenheit u. Redlichkeit so fest überzeugt, daß ich weiß, daß ich dabei nichts wage, u. daß ich von Ihrer Seite auf eben diese Offenherzigkeit sicher rechnen kann. Ich bin überdies versichert, daß Sie wenigstens aus gut sachsischem Patriotismus einige Güte für mich haben werden. Sollte nicht vielleicht einer der dort anwesenden Candidaten eben die Ansprüche machen, u. gegründetere Hofnung haben zu reußiren? In diesem Falle bescheide ich mich aller Ansprüche; denn ich möchte keinen würdigern, keinen verdienteren, keinen angenehmern verdrängen, selbst wenn ich’s könnte.
Dürfte ich es wagen Ew. gehorsamst zu bitten mir in ein paar Zeilgen einige Antwort über diese Fragen zu geben? Doch wie sollte ich nicht, da ich schon so viel gewagt habe? Dieser Brief geht mit Königsbergschen Fuhrleuten, die im Hotel d’Allemagne stehn. Meine Addreße ist pp.
Ich bitte Ew. demüthigst, zu glauben, daß ich mit der vollkommensten Verehrung, Hochachtung u Dankbarkeit bin.
Metadata Concerning Header
  • Date: Juli 1791
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Karl Ludwig Hemmerich
  • Place of Dispatch: Königsberg · ·
  • Place of Destination: Warschau · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 1: Briefe 1775‒1793. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1968, S. 246‒248.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 364
Language
  • German

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