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Johann Gottlieb Fichte to Friedrich August Weisshuhn

An Weißhuhn projectirt.
Königsberg, d. 11.
Denn hier bin ich, liebster Freund, in Verbindung mit Kant, Schulz, u. andern würdigen Männern dieser Stadt. Wie ich hieher kam will ich [Ihnen] kurz erzählen, um mehr Raum für merkwürdigre Dinge zu haben. Daß ich nicht eben sehr <klüglich> nach Warschau ging, habe ich Ihnen von Oppach aus geschrieben. Madame, – denn in Warschau ist Madame alles – agréirte ich nicht: ich sollte ein Franzose sein, u war Deutscher, ich sollte unter ihrer Oberdirection dirigiren, u. mochte ihr eine etwas störrige Miene zu haben scheinen; sie versuchte bei’m ersten Besuche mich etwas zu beugen, u. ich schrieb ihr, daß aus uns nichts werden könnte, ehe ich ihr den zweiten machte. Wir zerrten uns ein Weilchen, ich wollte Entschädigung in baarem Gelde, sie wollte es lieber selbst behalten, es ward ihr gedroh’t ich werde sie verklagen, sie rükte ein paar Duzend Ducaten heraus, u ich, froh nur soviel zu bekommen, der ich mit Fug u Recht freilich noch mehr hätte fordern können, u. meine um [ein schnödes SündenGeld] verkaufte Freiheit wieder zu haben, reis’te nach Königsberg: Sie errathen warum? Ich schloß mich 6. Wochen auf mein Zimmer ein, u schrieb eine Abhandlung: als sie fertig war, war ich herzlich misvergnügt mit ihr, aber in der Bedürfniß endlich die Bekanntschaft des großen Mannes zu machen, schikte ich sie ihm. Er dachte gütiger von ihr, als ich selbst gedacht hatte, würdigte mich seines nähern Zutritts, empfahl mich hier u da mit Wärme, munterte mich endlich, da meine Ducaten zu schmelzen anfingen, u ich ihm daraus kein Geheimniß mache, wie ich denn für ihn kein’s haben könnte, (dies ja unter uns) auf sie druken zu laßen, u verschafte mir durch eine Miteisperson einen so ziemlich wohlgezognen Verleger. Dieser Brief geht mit dem ersten Transport des Manuscripts nach Halle: u. gerad heraus sage ich Ihnen, daß ich hierüber eine Bitte an Sie habe.
Es ist ein Versuch einer Critik aller Offenbarung. Sie schließen schon aus dem Titel, daß Sie es sind, dem ich die Idee, u. vielleicht das beste, was in der Behandlung ist, verdanke. K. hat wegen überhäufter Geschäfte sie nicht ganz, sondern nur ohngefähr bis §. 3. gelesen. Das gelesene, ob es gleich <meinem Gefühle nach> nicht das beste der Abhandlung war, es hat seitdem beträchtl. Veränderungen erlitten, hat seinen Beifall. Der mir von K. empfohlne Vermittler zwischen mir u. dem Verleger, ein gewißer Pf. Borowski hat es so zieml. ganz gelesen, u. mit seinem Beifall beehrt: aber ich trau ihm nicht Fähigkeit genug zu es zu beurtheilen. Schulz lies’t es gegenwärtig. An Fähigkeit möchte es dem wohl nicht fehlen; aber ich sehe voraus, daß er viel, u. das mit Unrecht, misbilligen wird, weil er dieser scharfe <strenge> Philosoph der – in <Religionsfragen> [–] denn ich weiß nicht, ob [Sie] sich mit <dergleichen Art> beschäftigen – für diese nicht weniger gethan hat, als K. für die Philosophie[,] über positive Religion – wer sollte es glauben! – rechtgläubigere Begriffe hat, als ein kritischer Philosoph, u Mathematiker haben sollte. Einen Fr. wie [Sie] wünschte ich zum Beurtheiler; aber den hat mir der Himmel versagt. Das Manuscript soll schleunigst abgedrukt werden, um wo möglich noch zur Meße zu erscheinen. Ich selbst bin – es ist nicht erheuchelte AutorBescheidenheit – herzlich schlecht damit zufrieden. Den Beweiß ein andermal, denn vor jezt werde ich mich wohl hüten mein eignes Kind mit grausamer Blutgier zu zerfleischen. Meinem Willen nach hätte es ruhig unter andern Exercitien modern sollen, aber [Sie] wißen das Schiksal der Mestra Praebebat – misero (non justa?) alimenta parenti
Dennoch muß ich sehen, wie ich noch halb mit Ehren aus diesem Schritte komme; unter anderm liegt mir daran mein Ansehen bei meinem Verleger nicht zu verlieren, der wunder welch ein Werk an sich gekauft zu haben glaubt (weil es auch eine Critik ist denk’ ich) u. soviel an mir liegt das Debüt zu befördern. Aus dieser Ursache mit hab’ ich einen Namen vorgesezt. <Nicht wenig [. . .] die aus Neugier machen> Kann die Freundschaft Sie bewegen, lieber Freund, nicht ein falsches Zeugniß abzulegen, – das soll sie nicht – aber wenigstens mit leichterer Hand die <Schäden> zu streichen, die ein fremder etwa unsanfter berühren möchte, so erweisen [Sie] dem Kindgen bei seiner Erscheinung den ersten LiebesDienst, u. kündigen es in der Leipziger Gelehrten Zeitung an. Es soll sogleich nach vollendetem Abdruke von Halle aus Ihnen zugesendet werden. Noch lieber würde ich Sie um diesen Dienst in der Jn. LitteraturZeitung bitten, wenn ich hoffen dürfte, daß [Sie] einen Canal dahin hätten. Doch das vermittle ich vielleicht von Königsberg aus. In die Leipziger aber hat Kindervater gearbeitet, arbeitet glaube ich noch zuweilen herin, u. steht in Verbindung mit Beck. Wenn [Sie] diese Recension also an ihn schiken, so wird sie sicher eingerükt. Ich hätte an ihn selbst darob geschrieben, aber – er könnte es übel nehmen, daß ich den Auftrag nicht ihm selbst gäbe, u das möchte ich doch nicht. Ich weiß nicht ob er <Kantianer>, u überhaupt Philosoph genug dazu ist. Sie werden das schon nach Ihrer eignen Klugheit einzurichten wißen. Nur nicht ambitiose bitten; aber dieses erlauben Sie mir hinzuzusetzen: wenn es Ihre Lage erlaubt, [/] u. wenn Sie nicht Bedenklichkeiten haben, die lediglich von Ihnen selbst hergenommen sind, so laßen Sie sich ja nicht durch diejenigen, die man bei einer solchen Bitte <von mancher> Person wohl haben könnte, abhalten, sie zu erfüllen. Ich wünsche <außerdem daß meine Schrift bald bekannt würde> nur zwei Dinge, theils daß man einen Aufsatz, der einen doch nicht ganz unwichtigen Gegenstand des des Nachdenkens auf eine neue nicht <ganz nutzlose> Art behandelt nicht völlig en baggatelle karikire, theils daß der Tadel in anständigem Tone gesagt werde; mit einer freiern scharfen Prüfung aber ist mir wirklich gedient. Die Resultate sind <enge> nach K. Meinung, wie ich aus Unterredungen mit ihm darüber weiß. Dies sage ich nicht etwa, um [Sie] im voraus zu schreken. Es ist nichts neues durch unrichtige Praemißen auf richtige Resultate zu kommen. –
Das nächste was ich jezt arbeiten möchte ist eine Critik des Begrifs der Vorsehung, besonders mit Beziehung auf die mögl. Trostgründe bei den Leiden des Lebens, wenn Sie es nicht übel empfinden, daß ich auf [Ihre] Fußtapfen gehe. Ich muß aber gestehen, daß ich es besonders mit in dieser Rüksicht thun möchte. Ich habe erst in Leipzig Urtheile von Halle aus [Ihre] über damalige Rezension gehört, die mich ärgerten. Fest ist auch hier – <freilich> nicht bei den <Kantianern> – vortheilhaft bekannt; tröstet er aber so, wie ich mir’s denke nemlich aus <Prinzipien> der Theodicee – denn ich habe sein Buch nur einmal bei Ihnen gesehen – so will ich ihm ohne viel Mühe das Garaus machen, wenn Sie mir die Sache überlaßen wollen. der ich so unpartheiisch dabei scheine. Dazu wünschte ich aber wohl ihre Recension zu haben. Den Weg dazu werde ich Ihnen anzeigen.
Was machen Sie jezt. Sie schreiben einen philosphischen Traum sagte mir Ihr Herr Bruder in Leipzig. Seit der Zeit haben Manso, Scholz, u. Compagnie ähnliche herausgegeben. Ich habe sie nicht gelesen, den [Ihrigen] aber möcht’ ich. Gern möchte ich Sie Kanten bekannt machen. Aber ich habe nichts von Ihnen. Um Ihr[e] Sinngedichte hat mich leider! Fritsche nicht auf die edelste Art gebracht, u ich kann ihm dies weniger verzeihen, als daß er bei <Packung> meines Coffer einige Manuscripte an sich genommen hat, die er gewis weder lies’t noch versteht, u. die ich jezt, da das Eisen warm ist, vielleicht verkaufen könnte. Wollen Sie so gütig sein, gegenwärtige <Absendung> an ihn zu schiken. Ich habe ihm nicht geschrieben, seit ich beides entdekt, u. thue ihm hiermit nur kund, daß ich verreist. Sie können den Brief an ihn besorgen wie Sie wollen, da ich ihm nicht schreibe, an wen ich ihn eingeschlagen habe.
Metadata Concerning Header
  • Date: Dienstag, 11. Oktober 1791
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Friedrich August Weisshuhn
  • Place of Dispatch: Königsberg · ·
  • Place of Destination: Schönewerda ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 1: Briefe 1775‒1793. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1968, S. 266‒270.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 49
Language
  • German

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