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Johann Gottlieb Fichte to Theodor von Schön

Krockow, d. 12. Jenner. 1792.
Liebster Freund,
Sie würden mir allerdings unrecht gethan haben, wenn Sie darum auf mich gezürnt hätten, weil ich Ihnen noch nicht geschrieben; aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Ueberhaupt habe ich seit meiner Abreise von Königsberg in solcher Zerstreuung gelebt, daß ich kaum einen vernünftigen Gedanken denken, geschweige einen vernünftigen Brief schreiben können. Vielleicht wird auch der jezige dies leztere nicht gar sehr sein.
Ich lebe in dem Hause des Obrist, Graf v. Krockow, Dank sey’s seiner vortreflichen Gemahlinn! nicht nur so ziemlich, sondern höchst vergnügt. Pläne auf die Zukunft macht unser einer nicht; aber ein Schlaraffen=Leben taugt unser einem eben so wenig, und dazu bin ich so ziemlich auf dem Wege.
Der Beweiß Ihrer freundschaftlichen Güte, daß Sie mich selbst aufsuchen wollten, rührt mich innig, und würde mir einen neuen Beweiß Ihres vortreflichen Herzens, und Ihrer Freundschaft für mich gegeben haben, wenn ich eines neuen bedurft hätte. Dank sei’s dem gütigen Geschik, das mich bei meinem kurzen Durchwandel durch Königsberg einen Mann wollte finden laßen, den ich ehren und lieben zugleich könnte; und das dieses Mannes Herz unvermerkt in das meinige [/] fester schlang! Hier ist der Handschlag zum ewigen Bunde! ich will die Freundschaft, das Schiksal wolle uns nun wieder näher führen, oder weiter entfernen, nie wieder unterbrechen: Sie sollen von jeder Veränderung, die in meinem Aufenthalte vorgeht, unterrichtet werden; Sie sollen ewig in meinem Herzen, und mit mir fortleben. Leisten Sie mir ein gleiches.
Wollen Sie, liebster Freund, so gütig sein, Glovens Buch zum Andenken an mich zu behalten! Sollte morgen der Postbote von hieraus auf die nächste Post nicht gehen, so lege ich Ihnen noch ein Blättgen für Ihr Stammbuch bei; geht er, so geschieht es in meinem nächsten Briefe an Sie. Ich will es schon so einrichten, daß es jeden Falls in das Format zu paßen ist.
Tausend Dank für Ihre Nachrichten aus Königsberg! Mir schreibt niemand – natürlich, weil ich niemanden schreibe. Erst einen Brief außer dem Ihrigen habe ich von da aus erhalten; neuerdings aber habe ich ein großes Paket dahin versandt, deren Beantwortung ich entgegen sehe. Meine Correspondenz geht meistens durch HofPredigers Haus, oder M. Gänsichen.
Das Buch über die Examinations Commißion haben wir hier gelesen, und gründlich und mit Würde geschrieben gefunden. Doch geht, nach den neusten Nachrichten aus Berlin, alles seinen vorherigen Gang.
Der Prediger Treumann, von deßen Aufsaz in der Deutschen Monatsschrift Sie mir schrieben, hätte nicht so geradezu das sagen sollen, was ich sagte: da [/] mein Buch später erscheint, als sein Aufsaz, so dürfte man denken; ich hätte mich in seinem Lichte gewärmt. Jedoch ich muß es halt! leiden, und von einer andern Seite freut es mich, daß mehrere wagen, zu reden, und so zu reden. – Von der Ausgabe meiner Schrift habe ich seit meiner Abreise von Königsberg gar keine Nachrichten; ich erwarte deren aber nächstens.
Damit mein Brief an Neuigkeiten doch nicht ganz leer sei, so melde ich Ihnen, daß Kotzebue vom Fhrr. v. Knigge in einem Duell, wegen Barth mit der eisernen Stirne, erschoßen sein soll. Ich würde dies geradezu für die Erfindung eines lustigen Kopfs erklären, wenn ein andrer als Knigge genennt würde, auf welchen der lustige Kopf nicht zunächst gefallen sein möchte. Jedoch, ehe Sie diesen Brief erhalten, haben Sie warscheinlich selbst den nähern Aufschluß.
Haben Sie die Güte mich Herrn Profeßor Schmalz gehorsamst zu empfehlen. Ich gratulire zur Wiedergeburt, und wünsche bald den völligen Durchbruch. Haben Sie nicht etwa Nachricht von Zimmermann aus Riga?
Setzen Sie, in Absicht des Schreibens Ihre Güte gegen mich fort. Ich werde stets so schnell als jetzo antworten; denn erst gestern habe ich Ihren Brief erhalten.
Das Buch über die Ehe habe ich ehemals gelesen; aber in der alten Ausgabe. Daß [/] v Hippel Verfaßer sei, habe ich nicht gehört. – In Absicht der Vergleichung zwischen Kant und Jesus möchte er offenbar recht haben, wenn er die Sache nimmt, wie sie jetzo steht, d. i. nach dem, was uns von der Lehre Jesu bekannt, u. übrig ist; wenn man aber von den herrlichen durch so ungewaschne Hände gegangnen Ueberbleibseln des großen Mahls auf das ganze Mahl selbst schließen darf, so möchte wohl auch bei Jesu mehr sein, als sich mancher Schwachkopf, der sich, mir nichts, dir nichts, seinen Diener nennt, einbilden kann.
Meine Addreße ist Krockow, bei Neustadt, in West=Preußen.
Leben Sie wohl, und bleiben Sie mein Freund, so wie ich ewig
der
Ihrige
Fichte
Wegen des Brief Porto sehn Sie, daß ich es gleicherweise halte, und so laßen Sie uns denn continuiren. – Empfehlen Sie mich Herrn Göbel, u. Klaustin.
N. Sch. d. 23. Jenner. Wegen der sonderbarsten Hinderniße ist dieser Brief liegen geblieben bis heute und ich habe seit dem die sonderbare Nachricht erhalten, daß der Druk meiner Critik in Halle von der theologischen Facultät verboten ist. – Die kennen doch noch ihren Vortheil. – Dies aber gewißer Ursachen halber, die Sie nächstens erfahren soll[en], unter uns, u. selbst D. Schmalzen nicht, u. keinem Menschen nicht gesagt. – Leben Sie wohl. Ich habe heute ungeheuer viel zu schreiben; sonst schriebe ich noch mehr.
Metadata Concerning Header
  • Date: 12. bis 23. Januar 1792
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Theodor von Schön
  • Place of Dispatch: Krockow ·
  • Place of Destination: Königsberg · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 1: Briefe 1775‒1793. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1968, S. 277‒279.
Manuscript
  • Provider: Staatliches Archivlager Göttingen
Language
  • German

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