Wohlgebohrner Herr,
Höchstzuverehrender Herr Profeßor,
Ich habe ohnlängst die meinem Herzen sehr erfreuliche Nachricht erhalten, daß Euer Wohlgebohrn mit der liebevollsten Besorgsamkeit bei jener unerwarteten CensurVerweigerung, und Herrn Hartungs darauf gefaßten Entschluße in Ihrem Rathe dabei auf mein mögliches künftiges Wohl bedacht gewesen sind. Das Andenken, und die Besorgsamkeit eines Mannes, der meinem Herzen über alles ehrwürdig ist, ist mir theuer, und ich versichere Dieselben hierdurch meiner wärmsten Dankbarkeit dafür; eine Versicherung, die ich, um Ihrer Zeit zu schonen, erst später würde gegeben haben, wenn ich nicht zugleich Ihres Raths bedürfte.
Ein Gönner nemlich, den ich verehre, bittet mich in einem Briefe über diesen Gegenstand, der mit einer Güte geschrieben ist, die mich rührt, bei einer durch diesen Aufschub des Druks vielleicht möglichen Revision der Schrift doch noch ein paar Punkte in ein ander Licht zu stellen, die zwischen ihm und mir zur Frage gekom[/]men sind. Ich habe nemlich gesagt, daß der Glaube an eine gegebne Offenbarung vernunftmäßig nicht auf WunderGlauben gegründet werden könne, weil kein Wunder, als solches, zu erweisen sei; habe aber in einer Note hinzugesezt, daß man, nach anderweitigen guten Gründen, daß eine Offenbarung als göttlich annehmbar sei, sich allenfals der Vorstellung von bei ihr geschehnen Wundern bei Subjecten, die so etwas bedürfen, zur Rührung und Bewunderung bedienen könne; die einzige Milderung, die ich diesem Satze geben zu können glaubte. Ich habe ferner gesagt, daß eine Offenbarung weder unsre dogmatischen noch moralischen Erkenntniße ihrer Materie nach erweitern könne; aber wohl zugestanden, daß sie über transscendente Gegenstände, über welche wir zwar das Daß glauben, über das Wie aber nichts erkennen können, etwas bis zur Erfahrung provisorisch, und für die, die es sich so denken wollen, subjectiv wahres hinstellen könne, welches aber nicht für eine materielle Erweiterung, sondern blos für eine zur Form gehörige verkörpernde Darstellung des schon a priori gegebnen Geistigen zu halten sei. Ohnerachtet fortgesezten Nachdenkens über beide Puncte habe ich bis jezt keine Gründe gefunden, die mich berechtigen könnten, jene Resultate abzuändern.
Dürfte ich Euer Wohlgebohrn, als den competentesten Richter hierüber, ersuchen, mir auch nur in zwei Worten zu sagen, ob, und auf welchem Wege andere Resultate über diese Puncte zu suchen seien, o[/]der ob eben jene die einzigen seien, auf welche eine Critik des Offenbarungsbegriffes unausweichlich führen müße? Ich werde, wenn Euer Wohlgebohrn die Güte dieser zwei Worte für mich haben sollten, keinen andern Gebrauch davon machen, als den, der mit meiner innigen Verehrung gegen Sie übereinkommt. Auf eben gedachten Brief habe ich mich schon dahin erklärt, daß ich der Sache weiter nachzudenken nie ablaßen, u. stets bereit sein würde, zurükzunehmen, was ich als Irrthum anerkennen würde.
Ueber die Censur=Verweigerung an sich habe ich, nach den so deutlich an den Tag gelegten Absichten des Aufsatzes, und nach dem Tone, der durchgängig in ihm herrscht, [mich] nicht anders als wundern können. Auch sehe ich schlechterdings nicht ein, woher die theologische Facultät das Recht bekam, sich mit der Censur einer solchen Behandlung einer solchen Frage zu befaßen.
Ich wünsche Euer Wohlgebohrn die unerschüttertste Gesundheit, empfehle mich der Fortdauer Deroselben gütiger Gesinnungen, und bitte Sie zu glauben, daß ich mit der innigsten Verehrung bin
Euer Wohlgebohrn
ganz gehorsamster J. G. Fichte.
Krockow. p. Neustadt
d. 23. Jenner. 1792
Höchstzuverehrender Herr Profeßor,
Ich habe ohnlängst die meinem Herzen sehr erfreuliche Nachricht erhalten, daß Euer Wohlgebohrn mit der liebevollsten Besorgsamkeit bei jener unerwarteten CensurVerweigerung, und Herrn Hartungs darauf gefaßten Entschluße in Ihrem Rathe dabei auf mein mögliches künftiges Wohl bedacht gewesen sind. Das Andenken, und die Besorgsamkeit eines Mannes, der meinem Herzen über alles ehrwürdig ist, ist mir theuer, und ich versichere Dieselben hierdurch meiner wärmsten Dankbarkeit dafür; eine Versicherung, die ich, um Ihrer Zeit zu schonen, erst später würde gegeben haben, wenn ich nicht zugleich Ihres Raths bedürfte.
Ein Gönner nemlich, den ich verehre, bittet mich in einem Briefe über diesen Gegenstand, der mit einer Güte geschrieben ist, die mich rührt, bei einer durch diesen Aufschub des Druks vielleicht möglichen Revision der Schrift doch noch ein paar Punkte in ein ander Licht zu stellen, die zwischen ihm und mir zur Frage gekom[/]men sind. Ich habe nemlich gesagt, daß der Glaube an eine gegebne Offenbarung vernunftmäßig nicht auf WunderGlauben gegründet werden könne, weil kein Wunder, als solches, zu erweisen sei; habe aber in einer Note hinzugesezt, daß man, nach anderweitigen guten Gründen, daß eine Offenbarung als göttlich annehmbar sei, sich allenfals der Vorstellung von bei ihr geschehnen Wundern bei Subjecten, die so etwas bedürfen, zur Rührung und Bewunderung bedienen könne; die einzige Milderung, die ich diesem Satze geben zu können glaubte. Ich habe ferner gesagt, daß eine Offenbarung weder unsre dogmatischen noch moralischen Erkenntniße ihrer Materie nach erweitern könne; aber wohl zugestanden, daß sie über transscendente Gegenstände, über welche wir zwar das Daß glauben, über das Wie aber nichts erkennen können, etwas bis zur Erfahrung provisorisch, und für die, die es sich so denken wollen, subjectiv wahres hinstellen könne, welches aber nicht für eine materielle Erweiterung, sondern blos für eine zur Form gehörige verkörpernde Darstellung des schon a priori gegebnen Geistigen zu halten sei. Ohnerachtet fortgesezten Nachdenkens über beide Puncte habe ich bis jezt keine Gründe gefunden, die mich berechtigen könnten, jene Resultate abzuändern.
Dürfte ich Euer Wohlgebohrn, als den competentesten Richter hierüber, ersuchen, mir auch nur in zwei Worten zu sagen, ob, und auf welchem Wege andere Resultate über diese Puncte zu suchen seien, o[/]der ob eben jene die einzigen seien, auf welche eine Critik des Offenbarungsbegriffes unausweichlich führen müße? Ich werde, wenn Euer Wohlgebohrn die Güte dieser zwei Worte für mich haben sollten, keinen andern Gebrauch davon machen, als den, der mit meiner innigen Verehrung gegen Sie übereinkommt. Auf eben gedachten Brief habe ich mich schon dahin erklärt, daß ich der Sache weiter nachzudenken nie ablaßen, u. stets bereit sein würde, zurükzunehmen, was ich als Irrthum anerkennen würde.
Ueber die Censur=Verweigerung an sich habe ich, nach den so deutlich an den Tag gelegten Absichten des Aufsatzes, und nach dem Tone, der durchgängig in ihm herrscht, [mich] nicht anders als wundern können. Auch sehe ich schlechterdings nicht ein, woher die theologische Facultät das Recht bekam, sich mit der Censur einer solchen Behandlung einer solchen Frage zu befaßen.
Ich wünsche Euer Wohlgebohrn die unerschüttertste Gesundheit, empfehle mich der Fortdauer Deroselben gütiger Gesinnungen, und bitte Sie zu glauben, daß ich mit der innigsten Verehrung bin
Euer Wohlgebohrn
ganz gehorsamster J. G. Fichte.
Krockow. p. Neustadt
d. 23. Jenner. 1792