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Johann Gottlieb Fichte to Theodor von Schön

Krockow, d. 21. Mäi. 1792.
Meinen Dank zu vor,
Theuerster Freund,
daß Sie mich für mein langes Stillschweigen nicht straften, sondern mir so bald, und so gütig wiederschrieben; und dann meinen Glükswunsch zur zurükgelegten academischen Laufbahn – nennen sie es nicht so? – und zur Eröfnung einer neuen! Von einem Manne, der wie Sie – verzeihen Sie mir immer die kleine Eitelkeit, mir selbst in meinem Freunde zu schmeicheln – Wahrheitsliebe mit Talenten, nicht gemeinen Kenntnißen, und edlen Sitten vereinigt, läßt sich alles erwarten; und ich gratulire mir, Sie zu meinem Freunde gemacht zu haben. Sie werden es bleiben; ich weiß es; wir werden die Scenen unsers Lebens, wenigstens im Geiste vereint, durchleben.
Daß Ihr Urtheil über die Schriften, von denen unter uns die Rede war, mit dem meinigen übereinstimmte, that mir wohl. Sehen Sie doch ja, den Kreuzzug gegen die Franken zu bekommen. – Ich habe seitdem die Vertheidigung des Prediger Schulz, von Amelang, gelesen, sowie Anmerkungen darüber. Die erstere ist im Anfange, wo er zwischen des Volkslehrers Jesu, und des Volkslehrers Amelang Geburt u. Empfängniß eine Parallele ziehen will, unanständig, und scurril; im Verfolg aber mit dem Ernste, und der kühnen Gerechtigkeitsliebe eines Britten geschrieben. Was meinen Sie dazu, wenn Gesetze des Königs (wie das ReligionsEdict) gegen andere Gesetze des Königs (wie das neue Gesezbuch) [/] gehalten; behauptet wird, der Gesezgeber könne sich nicht widersprechen, u. Dispositionen des alten Gesetzes seien durch das neue vernichtet; königl. CabinetsOrdres selbst, zur Untersuchung ihrer Rechtsbeständigkeit, weil sie den Gesezen widersprechen, dem künftigen Richter angezeigt werden? Das ist doch frei; und es gereicht wirklich der Regierung bei allem, was man gegen sie sagen mag, zur höchsten Ehre, daß das durchgeht. Ob er gleich seinen satirischen Geist auch in dieser Schrift nicht verläugnen kann, und auf W… u. H… etlichemal grimmig loshaut, so geschieht doch das auf so eine Art, daß es niemand zu verstehen braucht, der es nicht verstehen will: kurz, ich halte diese Schrift für ein Muster einer Vertheidigungsschrift. Doch – wenn Sie dieselbe, wie warscheinlich, gelesen haben, so sage ich Ihnen hier Dinge, die Sie als Jurist zehnmal beßer verstehen als ich. – Die Anmerkungen zu dieser Schrift sind auch ein Muster – der hämischen Bosheit, der König wird darinn aufgehezt; sich gewundert, daß er das litte etc. etc. Ich haße die Sache, die sich so schändlicher Waffen bedient. – Wißen sie nicht, ob der Schulzische Prozeß abgeurtheilt ist? [/]
Meine Schrift ist endlich in Halle ungeändert durch Herrn D Knapp die Censur paßirt, gedrukt, und wird, indem ich dies schreibe auf der Leipziger Meße verkauft, ohnerachtet ich selbst sie noch nicht habe. – Ich wünsche dem Censor Glük zu seinem gesunden MenschenVerstande: wünsche ihm aber – unter uns! – noch mehr Glük, wenn diese Sache ohne Verdruß für ihn abläuft. Der erste Censor konnte die Schrift ohne Bedenken paßirn laßen; denn es wird in ihr blos, – freilich ohne die geringste Rüksicht – untersucht, kalt untersucht, nicht gespöttelt, und noch weniger geschimpft: aber ein zweiter Censor risquirt, denn die Resultate – sind freilich mit dem Wxxx System nicht wohl zu vereinigen. Doch – ich wenigstens habe meine Seele errettet, und Herr Hartung auch.
Ich habe bisher sehr unthätig gelebt, das West=Preußische Clima hat mich nicht wenig mitgenommen, und die kalten Winde haben das lezte bischen Witz aus meinem Gehirn herausgedrükt. Sollten die Zephyre, die es freilich unter diesem Himmel nicht geben mag – sollte also der Stral der allesbelebenden Sonne mir ihn wieder zurükgeben, so wird das erste, was ich schreibe – für das [/] schöne Geschlecht sein. Lächeln Sie immer, und lächeln Sie so lange, bis ich es Ihnen für Ihre Fräulein Schwester überschike. – Ueber so eine Wahl bei einem Kantianer werden Sie sich freilich wundern; aber die Zeit ändert oft viel an dem Menschen, und Sie müßen wißen, daß mein jetziger Umgang fast ganz in Damen, und zwar in sehr gebildeten vortreflichen Damen besteht.
Das nur war mir in Ihrem Briefe unangenehm, daß Sie sich wieder noch weiter von mir entfernt haben. Es ist einer meiner angelegensten Wünsche Sie bald zu sehen; zur Zeit sehe ich die Möglichkeit von deßeiben Erfüllung noch nicht ein; aber oft geschieht, was wir kaum erwarteten. Wenigstens fahren Sie fort, mich in deserto mit so angenehmen Briefen zu erfreuen, als Sie bisher gethan haben, und glauben Sie, daß ich unaufhörlich bin,
Ihr
wahrster Freund
Fichte.
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 21. Mai 1792
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Theodor von Schön ·
  • Place of Dispatch: Krockow ·
  • Place of Destination: Tapiau ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 1: Briefe 1775‒1793. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1968, S. 308‒311.
Manuscript
  • Provider: Staatliches Archivlager Göttingen
Language
  • German

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