Der Gräfin Krockow. d. 29. Jun.
Schon seit geraumer Zeit denke ich auf ein Mittel, mich mit Ew. Hochgebohrnen Gnaden über einige Dinge zu erklären – laure die Gelegenheiten <ab>, Sie allein zu sprechen – schreibe jezt einen Brief, u. jezt verwerfe ich ihn, weil ich nicht den rechten Ton getroffen zu haben glaube, wieder. Denke ich der herzvollen Güte, mit der Sie, Verehrungswürdige mir ehemals bei wohl schlimmem Misverständnißen sogar entgegen kamen, so fühlt sich mein Herz gewaltig zu Ihnen gezogen; ich vergeße alles andere, u. sehe in Ihnen nur die grosmüthige u. gute Frau, mit der jeder, der an sich auch nicht böse ist, sich gewiß verständigt. Gedenke ich wieder der Art, wie Ew. meine Bemühungen, mich Ihnen zu erklären, seit einiger Zeit nicht bemerken, oder ihnen auszuweichen scheinen, u. so mancher anderer Dinge, die mir meine vielleicht versalzne Laune durch ein gefärbtes Glas vorstellt, so wird mein Herz wieder schwer, und ich will lieber durch einen entscheidenden Schritt mich aus meiner zweideutigen Lage retten, als Gefahr laufen, Ihnen länger Unannehmlichkeiten, u. mir bittere Tage zuzubereiten. Doch es sei, mein Herz rede!
Daß seit nun fast 14.Tagen Veranlaßungen zur Unzufriedenheit mit mir in Ihrem Herzen sich gesammelt, u. daß sie seitdem, wie es in solchen Fällen allemal gehen muß, sich vermehrt haben, u. welche es sind, weiß ich leider! nur zu wohl. Eine ofne Erklärung hätte alles längst gut gemacht, und mir, da nun einmal Ew. Gnaden Zufriedenheit die erste Seeligkeit meines Lebens ist, eine Menge trübe Stunden erspart. Freilich hätte ich in Absicht der Veranlaßungen dieser Unzufriedenheit nichts anders erklären können, als was ich jezt erkläre, daß mein Verhalten dabei sich nach wohl überdachten Grundsätzen richtete, u. daß es – wofern nicht Ew. Gnaden, als die einzige Person die deßen fähig ist, sie berichtigten – bei erneuter Gelegenheit wieder eben so ausfallen werde. Ich glaube nemlich, daß die sonderbare Lage eines Hauslehrers der von der einen Seite den Wünschen des Hauses Genüge thun will, in dem er lebt, und von der andern seine persönliche Ehre behaupten zu hat, ihm für das gesellschaftliche Betragen gegen Fremde die KlugheitsRegel auflege: sich nirgend mehr zu nähern, als man ihn herranzieht, immer in der Entfernung zu bleiben, in der man ihn läßt als z. B. da so gut als abwesend zu sein, wo man ihn nicht vorstellt, sich in kein Gespräch zu mischen, in das man ihn nicht zieht, u. dergl. u. [das] um desto mehr, je beßer man in dem Hause, in dem er lebt, die Kunst versteht, herranzuziehen u. geltend zu machen, wen man geltend machen will. Ferner glaube ich, daß niemand, in welcher Lage er auch ist, verbunden sei mistrauisches Zurükziehen, nachdem man vorher ofner gewesen, verächtliche Kälte, Verkennung unsers Characters u. absichtliche Vermeidung ihn in rechtem Lichte zu sehen, mit Dankbarkeit u. Unterwürfigkeit zu erwiedern, gegen welches Geschlecht, oder welchen Stand es auch sei. [/]
Ich wenigstens ziehe mich dann wo möglich noch weiter zurük, als man mich zurükstieß.
Dies waren die Grundsätze, nach denen ich handelte; u. über dieses alles bei gewißen Gelegenheiten vorhergegangene konnten Ew. Gnaden nicht allemal wißen.
Darf ich noch einer Ursache erwähnen, die mich vielleicht bisweilen so unglüklich gemacht hat in Ihrem Herzen eine unangenehme Empfindung gegen mich zu erregen? – Von dem sehr wenigen, das ich zu wißen glaube, bin ich freilich sehr fest überzeugt, und habe, um zu diesen Ueberzeugungen zu gelangen, meist einen Gang genommen, der der Natur der Dinge nach nicht jedermanns Gang sein kann, u. auf welchen gewöhnlich kein Mensch Lust hat mich zu begleiten, wenn ich ihn auch zuweilen angeben könnte. Nun ergebe ich mich denn sehr leicht darein, daß jemand, den ich nicht besonders verehre oder liebe, der entgegengesezten Meinung sei: aber Personen die mir ehrwürdig, u. theuer sind, möchte ich um jeden Preiß Ueberzeugungen beibringen, die mir mein Glük, u. die Stüze meiner Moralität zu sein scheinen, und es thut mir dann weh, aus dem ganz vollkommnen Ideale einen Zug, den ich meiner Denkungsart nach für einen Fleken halten muß, nicht wegwischen zu können. Diese Nüance in meinem Character, die ich mit nicht schlimmen Menschen gemein zu haben glaube, ist es, die bisweilen eine zu große Wärme in meine Behauptungen gegen Sie bringen mag. Verzeihen Sie mir diese Wärme, gnädigste Gräfinn, um der Quelle willen, aus der sie fließt.
Und dies ist denn die Grenze, innerhalb welcher ich Ihre Verzeihung suche, u. binnen welcher sie mir süß ist. – Ich kenne auch Ihr vortrefliches Herz: Verehrungswürdigste; ich weiß, daß Sie nicht lange zürnen, nicht Böses mit Böses <vergelten>, daß [Sie] dem Beleidiger gern und auf jede Art wohl thun können: aber das ist nicht diejenige Tugend bei Ihnen, von der ich je Nutzen ziehen möchte. Ich möchte Ihre gute Meinung, u. Ihren Beifall besitzen; dieses ist der höchste Wunsch meines Herzens; eines Herzens, das ich Ihnen meine Gnädigste gern so zeigen möchte, wie es ist. Seit der Zeit, daß ich selbst denken kann, unfähig an irgend ein lebloses Ding mein Herz zu hängen, hatte es auch seit geraumer Zeit an keinem Menschen ausschließend gehangen. Mit der Menschheit erträglich zufrieden, u. nicht mehr von ihr erwartend, als sie gewöhnlich leistet, habe ich alle, einen mehr den andern weniger geliebt; aber keinen, außer dem einzigen deßen Namen ich noch oft mit Ehrfurcht nenne, mit dem aber die große Verschiedenheit des Alters nur wenig HerzensErgießung verstattete, sonderlich verehrt. Unter Ihrem Geschlechte besonders hatte ich zwar viel Gutes, aber wenig, sehr wenig ehrwürdiges gefunden. Ich verlangte in dieser Lage von den Menschen natürlich nichts mehr als was ich ihnen zu geben willens war: ich hatte es gern, wenn sie mich duldeten, aber ich konnte mich sehr leicht trösten, wenn sie mich verkannten, u mich bisweilen auch da für ihres gleichen hielten, wo ich es nicht war. Mit diesem System, das meinem Character [/] etwas Verschloßenes u. Gleichgültiges gab, kam ich durch den glüklichsten Zufall meines Lebens in Ihr Haus, entschloßen mich hier eben so wenig als irgendwo zu attachiren. Ich sahe Sie, Gnädigste Gräfinn, ich lernte Sie kennen, lernte Sie verehren. – Ich schweige hier; denn meine Empfindungen leiden keinen Ausdruk –
Ich glaubte eine Zeit lang Ihren gütigen Beifall zu besitzen: das waren die seeligsten Tage meines Lebens. – Ich glaubte weiterhin zu sehen, daß ich die holden Aeußerungen deßelben nicht Mir, sondern Ihrer allgemeinen, jeden gleichbehandelnden Menschenfreundlichkeit u. Duldung zu danken habe: andere Dinge, die nicht zunächst von Ihnen herkamen, versalzten meine Laune, die sonst gleichförmiger war, da ich von den Menschen weniger erwartete, u. zeigten mir vielleicht manches in einem zu unvortheilhaften Lichte: u. das machte mir sehr traurige Empfindungen. – Kurz, Meine gnädigste, so sehr ich fühle, daß mein Schiksal an [Ihr] Haus gebunden ist, u. daß dasjenige, was allein mich glüklich macht, Zufriedenheit u. SeelenRuhe nur in ihm für mich zu finden ist; so traue ich mir doch, wenn ich Ihr Vertrauen entweder nie beseßen haben, oder wenn ich es unwiederbringlich verloren haben sollte eher die Stärke zu fern von Ihnen mich an der Errinnerung eines kurzen glüklichen Traums zu weiden, als die Geringachtung derjenigen Person, die ich nun einmal mich nicht entbrechen kann über alles in der Welt zu verehren, unter den Augen derselben zu ertragen
Diese Empfindungen, über die ich vielleicht so glüklich sein werde, mit Euer, mündlich weiter, u. deutlicher zu sprechen erlauben mir Euer mit der Versicherung zu schließen, daß ich in jedem Falle mit ununterbrochner Verehrung zeitlebens sein werde,
Ew.
Schon seit geraumer Zeit denke ich auf ein Mittel, mich mit Ew. Hochgebohrnen Gnaden über einige Dinge zu erklären – laure die Gelegenheiten <ab>, Sie allein zu sprechen – schreibe jezt einen Brief, u. jezt verwerfe ich ihn, weil ich nicht den rechten Ton getroffen zu haben glaube, wieder. Denke ich der herzvollen Güte, mit der Sie, Verehrungswürdige mir ehemals bei wohl schlimmem Misverständnißen sogar entgegen kamen, so fühlt sich mein Herz gewaltig zu Ihnen gezogen; ich vergeße alles andere, u. sehe in Ihnen nur die grosmüthige u. gute Frau, mit der jeder, der an sich auch nicht böse ist, sich gewiß verständigt. Gedenke ich wieder der Art, wie Ew. meine Bemühungen, mich Ihnen zu erklären, seit einiger Zeit nicht bemerken, oder ihnen auszuweichen scheinen, u. so mancher anderer Dinge, die mir meine vielleicht versalzne Laune durch ein gefärbtes Glas vorstellt, so wird mein Herz wieder schwer, und ich will lieber durch einen entscheidenden Schritt mich aus meiner zweideutigen Lage retten, als Gefahr laufen, Ihnen länger Unannehmlichkeiten, u. mir bittere Tage zuzubereiten. Doch es sei, mein Herz rede!
Daß seit nun fast 14.Tagen Veranlaßungen zur Unzufriedenheit mit mir in Ihrem Herzen sich gesammelt, u. daß sie seitdem, wie es in solchen Fällen allemal gehen muß, sich vermehrt haben, u. welche es sind, weiß ich leider! nur zu wohl. Eine ofne Erklärung hätte alles längst gut gemacht, und mir, da nun einmal Ew. Gnaden Zufriedenheit die erste Seeligkeit meines Lebens ist, eine Menge trübe Stunden erspart. Freilich hätte ich in Absicht der Veranlaßungen dieser Unzufriedenheit nichts anders erklären können, als was ich jezt erkläre, daß mein Verhalten dabei sich nach wohl überdachten Grundsätzen richtete, u. daß es – wofern nicht Ew. Gnaden, als die einzige Person die deßen fähig ist, sie berichtigten – bei erneuter Gelegenheit wieder eben so ausfallen werde. Ich glaube nemlich, daß die sonderbare Lage eines Hauslehrers der von der einen Seite den Wünschen des Hauses Genüge thun will, in dem er lebt, und von der andern seine persönliche Ehre behaupten zu hat, ihm für das gesellschaftliche Betragen gegen Fremde die KlugheitsRegel auflege: sich nirgend mehr zu nähern, als man ihn herranzieht, immer in der Entfernung zu bleiben, in der man ihn läßt als z. B. da so gut als abwesend zu sein, wo man ihn nicht vorstellt, sich in kein Gespräch zu mischen, in das man ihn nicht zieht, u. dergl. u. [das] um desto mehr, je beßer man in dem Hause, in dem er lebt, die Kunst versteht, herranzuziehen u. geltend zu machen, wen man geltend machen will. Ferner glaube ich, daß niemand, in welcher Lage er auch ist, verbunden sei mistrauisches Zurükziehen, nachdem man vorher ofner gewesen, verächtliche Kälte, Verkennung unsers Characters u. absichtliche Vermeidung ihn in rechtem Lichte zu sehen, mit Dankbarkeit u. Unterwürfigkeit zu erwiedern, gegen welches Geschlecht, oder welchen Stand es auch sei. [/]
Ich wenigstens ziehe mich dann wo möglich noch weiter zurük, als man mich zurükstieß.
Dies waren die Grundsätze, nach denen ich handelte; u. über dieses alles bei gewißen Gelegenheiten vorhergegangene konnten Ew. Gnaden nicht allemal wißen.
Darf ich noch einer Ursache erwähnen, die mich vielleicht bisweilen so unglüklich gemacht hat in Ihrem Herzen eine unangenehme Empfindung gegen mich zu erregen? – Von dem sehr wenigen, das ich zu wißen glaube, bin ich freilich sehr fest überzeugt, und habe, um zu diesen Ueberzeugungen zu gelangen, meist einen Gang genommen, der der Natur der Dinge nach nicht jedermanns Gang sein kann, u. auf welchen gewöhnlich kein Mensch Lust hat mich zu begleiten, wenn ich ihn auch zuweilen angeben könnte. Nun ergebe ich mich denn sehr leicht darein, daß jemand, den ich nicht besonders verehre oder liebe, der entgegengesezten Meinung sei: aber Personen die mir ehrwürdig, u. theuer sind, möchte ich um jeden Preiß Ueberzeugungen beibringen, die mir mein Glük, u. die Stüze meiner Moralität zu sein scheinen, und es thut mir dann weh, aus dem ganz vollkommnen Ideale einen Zug, den ich meiner Denkungsart nach für einen Fleken halten muß, nicht wegwischen zu können. Diese Nüance in meinem Character, die ich mit nicht schlimmen Menschen gemein zu haben glaube, ist es, die bisweilen eine zu große Wärme in meine Behauptungen gegen Sie bringen mag. Verzeihen Sie mir diese Wärme, gnädigste Gräfinn, um der Quelle willen, aus der sie fließt.
Und dies ist denn die Grenze, innerhalb welcher ich Ihre Verzeihung suche, u. binnen welcher sie mir süß ist. – Ich kenne auch Ihr vortrefliches Herz: Verehrungswürdigste; ich weiß, daß Sie nicht lange zürnen, nicht Böses mit Böses <vergelten>, daß [Sie] dem Beleidiger gern und auf jede Art wohl thun können: aber das ist nicht diejenige Tugend bei Ihnen, von der ich je Nutzen ziehen möchte. Ich möchte Ihre gute Meinung, u. Ihren Beifall besitzen; dieses ist der höchste Wunsch meines Herzens; eines Herzens, das ich Ihnen meine Gnädigste gern so zeigen möchte, wie es ist. Seit der Zeit, daß ich selbst denken kann, unfähig an irgend ein lebloses Ding mein Herz zu hängen, hatte es auch seit geraumer Zeit an keinem Menschen ausschließend gehangen. Mit der Menschheit erträglich zufrieden, u. nicht mehr von ihr erwartend, als sie gewöhnlich leistet, habe ich alle, einen mehr den andern weniger geliebt; aber keinen, außer dem einzigen deßen Namen ich noch oft mit Ehrfurcht nenne, mit dem aber die große Verschiedenheit des Alters nur wenig HerzensErgießung verstattete, sonderlich verehrt. Unter Ihrem Geschlechte besonders hatte ich zwar viel Gutes, aber wenig, sehr wenig ehrwürdiges gefunden. Ich verlangte in dieser Lage von den Menschen natürlich nichts mehr als was ich ihnen zu geben willens war: ich hatte es gern, wenn sie mich duldeten, aber ich konnte mich sehr leicht trösten, wenn sie mich verkannten, u mich bisweilen auch da für ihres gleichen hielten, wo ich es nicht war. Mit diesem System, das meinem Character [/] etwas Verschloßenes u. Gleichgültiges gab, kam ich durch den glüklichsten Zufall meines Lebens in Ihr Haus, entschloßen mich hier eben so wenig als irgendwo zu attachiren. Ich sahe Sie, Gnädigste Gräfinn, ich lernte Sie kennen, lernte Sie verehren. – Ich schweige hier; denn meine Empfindungen leiden keinen Ausdruk –
Ich glaubte eine Zeit lang Ihren gütigen Beifall zu besitzen: das waren die seeligsten Tage meines Lebens. – Ich glaubte weiterhin zu sehen, daß ich die holden Aeußerungen deßelben nicht Mir, sondern Ihrer allgemeinen, jeden gleichbehandelnden Menschenfreundlichkeit u. Duldung zu danken habe: andere Dinge, die nicht zunächst von Ihnen herkamen, versalzten meine Laune, die sonst gleichförmiger war, da ich von den Menschen weniger erwartete, u. zeigten mir vielleicht manches in einem zu unvortheilhaften Lichte: u. das machte mir sehr traurige Empfindungen. – Kurz, Meine gnädigste, so sehr ich fühle, daß mein Schiksal an [Ihr] Haus gebunden ist, u. daß dasjenige, was allein mich glüklich macht, Zufriedenheit u. SeelenRuhe nur in ihm für mich zu finden ist; so traue ich mir doch, wenn ich Ihr Vertrauen entweder nie beseßen haben, oder wenn ich es unwiederbringlich verloren haben sollte eher die Stärke zu fern von Ihnen mich an der Errinnerung eines kurzen glüklichen Traums zu weiden, als die Geringachtung derjenigen Person, die ich nun einmal mich nicht entbrechen kann über alles in der Welt zu verehren, unter den Augen derselben zu ertragen
Diese Empfindungen, über die ich vielleicht so glüklich sein werde, mit Euer, mündlich weiter, u. deutlicher zu sprechen erlauben mir Euer mit der Versicherung zu schließen, daß ich in jedem Falle mit ununterbrochner Verehrung zeitlebens sein werde,
Ew.