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Johann Gottlieb Fichte to Franz Volkmar Reinhard

d. 20. Febr. 1793.
Reinhard.
Ich würde es nicht so lange haben anstehen laßen, die dankbaren Empfindungen meines Herzens sowohl für die ertheilte Erlaubniß [,] meine Hochachtungsgefühle gegen Ew. auf die gebotne Art zu befriedigen, als für alle übrigen gütigen Aeußerungen Deroselben Briefs zu entdeken, wenn ich es nicht für eine Art von Pflicht gehalten hätte Ew. bei [Ihren] Geschäften soviel als möglich zu schonen, da ich überhaupt nichts was für jemand andern als mich wichtig wäre, zu schreiben. – Noch eine Nachricht abzuwarten.
Ich bitte um Erlaubniß mit dem lezten Puncte Ihres Briefs anzufangen, u. mich der Erlaubniß zu bedienen mein Herz dem grosmüthigen Gönner frei hinzugießen. – Ich habe mir eine an sich sehr große, mich vielleicht <übermögende> Aufgabe aufgegeben, zu der ich sorgenfreier Muße bedarf u. die ich <unbemerkt> aller Welt, vollenden möchte. Es zeigt sich mir eine warscheinliche Gelegenheit dieser Muße auf eine Art theilhaftig zu werden, wodurch denn ich zugleich eine heilige Pflicht erfülle: Werde ich ihr unterliegen, so habe ich wenigstens nicht den Willen gehabt. Habe ich nach Jahren meine Aufgabe vollendet, so wird mir jedes Pläzgen in meinem Vaterlande, das mir immer theuer war, das mir ungeheuchelt theurer wurde, als es Sie zu schätzen wuste, u. das ohne Zweifel auch noch schäzbarer seyn wird, wenn es eine längere Zeit Ihre Einwirkung wird empfunden haben, lieber seyn, als das glänzendste in einem fremden.
Dennoch trägt mich mein Weg in kurzem durch mein Vaterland hindurch, und ich erwarte begierig die Stunde, da ich Ihnen persönlich meine Verehrung bezeigen werde. Besonders freue ich mich auf Ew. <Einwürfe gegen> die kritische Philosophie, wenn Dieselben mir die <Belohnung> ertheilen wollen, Sie mir mitzutheilen. Zweifel eines Reinhard können nicht anders als belehrend seyn, und zur Vervollkommnerung der Wißenschaft gereichen. Ich erlaube mir, wenn diese Anmaßung nicht zu groß ist, hierbei den Gedanken, daß es ein wesentlicher Verlust für die Wißenschaft seyn würde, wenn dieselben nicht allgemein bekannt gemacht würden. Ich habe die kritische Philosophie, nemlich ihrem Geiste nach, den weder Kant noch Reinhold dargestellt haben, u. der mir nur dämmert immer für eine unüberwindliche Festung gehalten; auch sind mir wenigstens noch keine Einwürfe, selbst die Reinholdschen nicht ausgenommen die jedoch bloß Kants Buchstaben treffen, vorgekommen, die sich <mir> auf etwas anders als Misverständniße zu gründen geschienen hätten; bis mir neulich in einem Gespräche mit einem Selbstdenker, deßen Ew. mir hernach zu erwähnen erlauben, ein Zweifel anfiel, der nichts geringeres als das erste Prinzip betrift[,] den ich bei jezigen Umständen freilich auf eine bequemere Zeit abweisen muste, welcher, wenn er nicht abzuweisen wäre, die ganze Philosophie zerstören, u. den unseeligsten Sceptizismus, weit härter, als den unwidersprechlich widerlegten Humischen, an ihre Stelle setzen würde. Aber auch diesen würde ich lieber ergreifen, als ein System, das sich nicht hält. –
Metadata Concerning Header
  • Date: Mittwoch, 20. Februar 1793
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Franz Volkmar Reinhard ·
  • Place of Dispatch: Danzig · ·
  • Place of Destination: Dresden · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 1: Briefe 1775‒1793. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1968, S. 372‒374.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 64
Language
  • German

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