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Johann Gottlieb Fichte an Johanna Fichte

Danzig, den 5ten März, 1793.
– Im Juni oder höchstens Juli bin ich bei Dir: aber nur als Dein Gatte wünsche ich in die Mauern von Zürich zu treten. Wird das möglich seyn? Deine liebevolle Seele setzt meinen Wünschen gewiß kein Hinderniß entgegen; die Umstände kenne ich nicht. Aber ich hoffe, und diese Hoffnung erquickt mich sehr. – – Gott, welch eine Seligkeit bereitest Du mir Unwürdigen! Habe ich es je innig gefühlt, daß mein Daseyn nicht bestimmt sey, vergebens für die Welt vorüberzugehen, so war es, als ich Deine Briefe las. Was ich in Dir erhalte, habe ich nicht verdient; es kann also nichts Anderes seyn, als eine Stärkung auf die mir noch bestimmten Mühen und Arbeiten. Fließe nur Dein Leben sanft, Holde, Gute!
Du willst durch mich Dich bilden? Was ich Dir allenfalls geben könnte, bedarfst Du nicht; was Du mir geben sollst, bedarf ich sehr. Geuß, Du gute Seele, eine gehaltnere Ruhe in mein stürmendes Herz unter der kalten Stirn, geuß Sanftheit und herzgewinnende Milde in meinen Feuereifer für die Veredlung meines Brudergeschlechts. An Deinem Herzen will ich mich bilden, bis ich nützlicher hervortreten kann.
Ich habe große, glühende Projekte, – nicht für mich. Meinen Ehrgeiz (Stolz wäre richtiger) [/] wirst Du begreifen. – Mein Stolz ist der, meinen Platz in der Menschheit durch Thaten zu bezahlen, an meine Existenz in die Ewigkeit hinaus für die Menschheit, und die ganze Geisterwelt Folgen zu knüpfen: ob ich’s that, braucht keiner zu wissen, wenn es nur geschieht. Was ich in der bürgerlichen Welt seyn werde, weiß ich nicht. Werde ich statt des unmittelbaren Thuns zum Reden verurtheilt, so ist meine Neigung Deinem Wunsche zuvorgekommen, daß es lieber auf einer Kanzel, als auf einem Katheder sey. An Aussichten dazu fehlt es mir vor der Hand nicht. Sogar von Sachsen aus thut man mir die vortheilhaftesten Anerbietungen. Nach Hamburg und Lübeck werde ich gehen. In Danzig läßt man mich sehr ungern weg. Alles das für die Zukunft! Ob ich eitel bin, entscheide das, daß ich seit einem halben Jahre manche Anerbietung, die den Eitlen sehr reizen würde, abweise. Ich will für jetzt Nichts seyn, als Fichte, auch nicht Magister bin ich.
Ich werde vielleicht nach einigen Jahren ein Amt wünschen. Ich hoffe, es wird mir nicht entgehen. Bis dahin kann ich durch meine Feder haben, was ich haben muß. Wenigstens hat es mir bis jetzt, bei meinen vielen Reisen und Aufopferungen für Andere nicht gefehlt. […]
Briefkopfdaten
  • Datum: Dienstag, 5. März 1793
  • Absender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Empfänger: Johanna Fichte ·
  • Absendeort: Danzig · ·
  • Empfangsort: Zürich · ·
Druck
  • Bibliographische Angabe: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 1: Briefe 1775‒1793. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1968, S. 375‒376.
Handschrift
  • Datengeber: Handschrift verschollen
Sprache
  • Deutsch

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