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Johann Gottlieb Fichte to Gottlieb Hufeland

Wohlgebohrner Herr,
Höchstzuverehrender Herr Profeßor,
Als ich Euer Wohlgebohrn hätte schreiben sollen, konnte ich es nicht, wegen überhäufter Arbeiten; und seitdem ich es allenfals gekonnt hätte, verhinderte mich die Schaam. – Einmal aber muß diese Schaam doch überwunden werden!
Zuerst dem Redacteur der A. L. Z.! – Ich habe das Duplicat des mir so ehrenvoll zugeschickten Kontrakts noch nicht zurükgeschikt, weil ich anderweitiger Arbeiten, und Reisen halber vor der Ostermeße doch nicht arbeiten konnte. Ich denke es in Kurzen in Jena, oder wenigstens in Leipzig persönlich zu übergeben. Mit Anfang des Julius hoffe ich für eine lange Zeit in Ruhe, und in eine sorgenfreie Muße versezt zu werden; und dann verspreche ich dem wohlthätigsten Institute meine Dankbarkeit für seine ehrenvolle Wahl, wenn auch durch nichts anders, doch durch Pünktlichkeit, u. Fleiß zu beweisen. Haben Sie die Gütigkeit, dies den übrigen Unternehmern mitzutheilen. Ihnen selbst es zu sagen, schäme ich mich.
Jezt meinem gütigen litterarischen Gönner! Keinen Dank für die muthige, und mir so unendlich rühmliche Vertheidigung meiner Schrift gegen den hämischen Angriff des ungenannten Correspondenten in der A. D. B.! Sie thaten, was Sie für recht erkannten, Edler Mann: Ihr Herz lohne es Ihnen! Aber was mögen Sie jezt bei dem neuen wüthenden Angriffe des Rec. in der N. A. D. B. empfinden! Es thut mir weh, sehr weh, daß ich die unschuldige Ursache einer litterarischen Fehde seyn soll, die in einem solchen Tone geführt wird. Die ganz unschuldige Ur[/]sache – Ich hatte der Schrift meinen Namen, und eine bescheidne Vorrede vorgesezt, die mein Verleger im Anfange unterschlug, und nur seit ohngefähr Michaelis des vorigen Jahres mit ausgiebt. Und jezt hat Rec. die boshafte Unverschämtheit, zu sagen: ich hätte die Kantische Manier mit Fleiß nachgeahmt, um mir mit dem Publikum einen Spaß zu machen! Ob man solche Unverschämtheiten nicht am besten durch stillschweigende Verachtung beantwortet? Das ist mein Entschluß – Die Ehre aller in dieser Sache verwickelten wird, glaube ich, davon abhängen, ob ich meine Theorie werde behaupten können, oder nicht. Die Einwürfe des Rec. gründen sich alle auf eine offenbare Verdrehung meiner Deduktion des Offenbarungsbegriffs, die er als objectiv gültig angiebt, um mich zu einem Quenstädt, u. Hollaz zu machen, und mit der folgenden Behauptung, daß ein Beweiß für die Wirklichkeit einer Offenbarung gar nicht Statt finde, in den offenbarsten Widerspruch zu setzen. Dieser Handgriff ist freilich nicht fein; aber, wer kennt nicht unser Publikum? Es wird eben jezt eine zweite vermehrte Auflage abgedruckt, die aber schon seit einiger Zeit fertig war, und in der ich erst heute in obiger Rüksicht eine kleine Note beigefügt habe. Wo möglich zur MichaelisMeße, gewiß aber zur Ostermeße 94. werde ich eine in streng mathematischer Lehrart geschriebene Kritik der Reflexions-Ideen (der Begriffe von Vorsehung, Wunder, Offenbarung) herausgeben, von der ich sagen zu können wünschte: das Wort sie sollen laßen stahn, und kein’n Dank dazu haben. Könnte überdies die Recension aller in dieses Fach einschlagenden Schriften in der A. L. Z. mir überlaßen werden, so hoffe ich mit Gottes Hülfe die Sache wohl durchzusetzen, und den Rec. in der N. D. B. am Ende beschämt da stehen zu laßen. Direkt seiner zu gedenken bin ich gar nicht Willens. – Damit aber bis dahin er sich nicht weise dünke, würde es mir gar nicht übel gethan scheinen, wenn ein andrer ihm ein wenig zu Leibe ginge. Mir fiel dabei M. Niethammer ein, der auch sein gutes Antheil bekommen hat. Ich schreibe hierüber an ihn, und bin so frei den Brief bei Ihnen [/] einzulegen, damit Sie, falls Ihnen die Sache nicht wohlgethan scheint, ihn zurük behalten: denn ich will alles lediglich von ihrem Rathe abhängen laßen, wenn Sie die Güte haben wollen, mich deßelben zu würdigen.
Noch ein paar Beiträge zur Geschichte der mir so rühmlichen, die Gegner so erzürnenden Verwechselung. – Ein Mann, der wißen sollte, was Kantisch ist, wenn Einer es wißen soll, sagte längst vor dem Abdruke meiner Handschrift, die er durchgelesen hatte zu einem seiner Freunde; er sehe die Möglichkeit einer solchen Verwechselung im Voraus. – Einer unsrer berühmtesten Theologen, einer der ersten, die auf Academien über die Kantische Kritik gelesen haben, schreibt mir, er habe die Schrift gleichfals Kanten zugeschrieben – Kant selbst nannte in einem Briefe an mich meine Schrift, und die Recension derselben in der A. L. Z. gründlich; und es ist warlich sein Wille nicht gewesen, dem ihm damals unbekannten Recensenten, oder mir durch die Anzeige meines Namens weh’ zu thun, wie Rec. in der N. D. B. hämisch insinuirt.
Verzeihen Sie, Verehrungswürdiger Mann, [daß] ich mich Ihres gütigen Vertrauens, das ich noch zu verdienen habe, im Voraus bediene. Ich bedarf Ihres Raths, und werde ihn befolgen. Möchte ich Sie doch auf der Leipziger Meße sehen, wo Sie vermuthlich hinkommen werden! Wo nicht, so soll mich nichts abhalten, der mir kärglich zugemeßnen Zeit die zu einer Reise nach Jena nöthige abzubrechen. Möchte ich dann so glüklich seyn, die Freundschaft eines Mannes zu erhalten, den das Publikum nicht weniger um seines edlen Charakters willen, als seiner großen Talente, und Kenntniße wegen verehrt! Bis dahin empfiehlt sich deßelben Wohlgewogenheit
Euer Wohlgebohrn
wahrer Verehrer
J. G. Fichte.
Berlin
d. 28. März. 1793.
Metadata Concerning Header
  • Date: Donnerstag, 28. März 1793
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Gottlieb Hufeland ·
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 1: Briefe 1775‒1793. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1968, S. 377‒380.
Manuscript
  • Provider: Handschrift verschollen
Language
  • German

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