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Johann Gottlieb Fichte to Friedrich Immanuel Niethammer

Berlin den 28. März 1793.
Wohlgeborner Herr,
Hochzuverehrender Herr!
Noch bin ich Ihnen meinen Dank schuldig für die Wärme, mit der Sie sich einer Sache annahmen, die Ihnen gut schien. Glauben Sie nicht, daß ich Ihnen denselben abstatte, weil ich eine neue Schuld machen will. Auch ohne das würde ich jetzt die erste übrige Stunde genutzt haben, um Ihnen zu schreiben.
Sie werden in der N. D. B. die Recension meiner Schrift und Ihres Auszugs daraus gelesen haben. Ich selbst habe überwiegende Gründe, [den] Rec. nicht direkte, sondern durch Behauptung und unumstößliche Begründung der angefochtnen Theorie indirekte zu widerlegen, wozu ich die zureichendsten Mittel in den Händen zu haben glaube. Aber hätten Sie nicht etwa Lust, damit er bis dahin sich nicht weise dünke, den uns allen, Hr. Pr. Hufeland, Ihnen und mir hingeworfenen Fehdehandschuh aufzunehmen? – ein Geschäft, das sich für einen akademischen Docenten, dem es um Celebrität zu thun seyn muß, weit besser schickt, als für einen friedlichen Cosmopoliten, der die Einsamkeit, Ruhe und Stille sucht. Es wird Ihnen unendlich leicht seyn, den entschiedensten Sieg davon zu tragen.
Die ganze Rüge gründet sich auf eine grobe Verdrehung meiner Deduktion. Der Rec. beurtheilt sie als objektiv gültig, einen theoretischen Beweis begründend; [/] was doch meinen Worten, dem Geiste meiner Abhandlung, und meinen nachherigen Behauptungen geradezu widerspricht. Aber ich soll mir widersprechen; so will es der Sophist; daher macht er mich im erstern Theile der Schrift zum Dogmatiker, um mich ad absurdum zu deduciren; und im letztern läßt er mich Kritiker bleiben, um mich auf einem sehr plumpen Widerspruche zu ertappen.
Hierauf gründet sich die angeschuldigte Unrichtigkeit der in der Recension ausgehobnen Syllogismen. – „Also muß Gott ec. [“] sagt er S. 24 der Recension in dem Schlusse des Syllogism E. – Schließe ich so? – p. 27. Eine Fähigkeit, die sich nur in Gott enthalten denken läßt, ist auch nur in ihm enthalten – soll ich schließen. p. 28 schließe ich auf objektive Existenz aus etwas Subjektivem. – Auf diesen mir beigemessenen Dogmatism gründet sich auch die invidiöse Beschuldigung, daß ich die Schwärmerei begünstige. – Bemerken Sie doch auch S. 35 u. 36 die sichtbare Verlegenheit des Rec., wo er mir Dinge offenbart, von denen er gleich nachher gesteht, daß ich Sie auch eingesehen habe. Sollten Sie Lust haben, sich darauf einzulassen, so hoffe ich in Leipzig oder Jena das Vergnügen, Sie zu sehen, und mich weiter mit Ihnen darüber zu besprechen.
Ueber den mir Schuld gegebnen bösen Willen habe ich, wenn Ihre Güte so weit gehen sollte, auch meine Person vertheidigen zu wollen, Ihnen Thatsachen mitzutheilen, die den Rec. schaamroth machen müssen.
Verzeihen Sie die Freiheit meines Antrags; würdigen Sie mich Ihrer Freundschaft, um hinterher zu berechtigen, was vorher freilich vermessen war, und glauben Sie, daß ich mit der entschiedensten Achtung bin
Ew. Wohlgeboren
innigst ergebner
Fichte.
Metadata Concerning Header
  • Date: Donnerstag, 28. März 1793
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Friedrich Immanuel Niethammer
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 1: Briefe 1775‒1793. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1968, S. 380‒382.
Manuscript
  • Provider: Handschrift verschollen
Language
  • German

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