Wohlgebohrner Herr,
Höchstzuverehrender Herr Profeßor,
Schon längst hat mein Herz mich augefordert, an Euer Wohlgebohrn zu schreiben; aber ich habe diese Aufforderungen nicht befriedigen können. Euer Wohlgebohrn verzeihen auch jezt, wenn ich mich allenthalben so kurz faße, als möglich.
Da ich mir – schmeichelt mir das – eine jugendliche Eitelkeit, oder ist es in der Erhabenheit Ihres Charakters, sich auch zum Kleinen herabzulaßen? – da ich mir einbilde, daß Euer Wohlgebohrn einigen Antheil an mir nehmen, so lege ich Ihnen meine Pläne vor. – Jezt habe ich vor’s erste meine Offenbarungs=Theorie zu begründen. Die Materialien sind da; und es wird nicht [/] viel Zeit erfordern, sie zu ordnen. – Dann glüht meine Seele von einem großen Gedanken: die Aufgabe, S. 372-374. der Critik d. r. Vft. (dritte Auflage) zu lösen. – Zu allem diesen bedarf ich sorgenfreie Muße; und sie giebt mir die Erfüllung einer unerläßlichen aber süßen Pflicht. Ich genieße sie in einem mir sehr zuträglichen Klima, bis jene Aufgaben gelös’t sind.
Ich habe zu meiner Belehrung und zu meiner Leitung auf meinem weitern Wege das Urtheil des Mannes, den ich unter allen am meisten verehre, über meine Schrift gewünscht. Krönen Sie alle Ihre Wohlthaten gegen mich damit, daß Sie mir daßelbe schreiben. Ich habe jezt keine bestimmte Addreße. Kann nicht etwa Ihr Schreiben mit einem der Königsberger Buchhändler nach Leipzig zur Meße abgehen (in welchem Falle ich es abholen werde) so hat die Frau HofPredigerinn Schulz eine sichere, aber in etwas verspätende Addreße an mich. – Der Rec. der N. D. A. B. sezt mich in den craßesten Widerspruch mit mir selbst; doch, das weiß ich zu lösen: aber er sezt [/] mich in den gleichen offenbaren Widerspruch mit dem Urheber der kritischen Philosophie. Auch das wüste ich zu lösen, wenn es nicht nach seiner Relation, sondern nach meinem Buche gehn soll.
Und jezt, wenn die Vorsehung nicht das Flehen so vieler erhören, und Ihr Alter über die ungewöhnlichste Grenze des Menschen Alters hinaus verlängern will, jezt, guter, theurer, verehrungswürdiger Mann, nehme ich auf diese Welt für persönliches Anschauen Abschied; und mein Herz schlägt wehmüthig, und mein Auge wird feucht. In jener Welt, deren Hofnung Sie so manchem, der keine andre hatte, und auch mir gegeben haben, erkenne ich gewiß Sie, nicht an den körperlichen Zügen, sondern an Ihrem Geiste wieder. Wollen Sie mir aber auch in meiner künftigen weitern Entfernung erlauben, schriftlich – nicht Ihnen zu sagen, was ewig unabänderlich ist, daß ich Sie unaussprechlich verehre – sondern mir Ihren Rath, Ihre Leitung, [/] Ihre Beruhigung vielleicht zu erbitten, so werde ich eine solche Erlaubniß bescheiden nützen.
Ihrer Gunst empfiehlt sich
Eurer Wohlgebohrn
innigster Verehrer
Johann Gottlieb Fichte.
Berlin
d. 2 Aprill.
1793.
Höchstzuverehrender Herr Profeßor,
Schon längst hat mein Herz mich augefordert, an Euer Wohlgebohrn zu schreiben; aber ich habe diese Aufforderungen nicht befriedigen können. Euer Wohlgebohrn verzeihen auch jezt, wenn ich mich allenthalben so kurz faße, als möglich.
Da ich mir – schmeichelt mir das – eine jugendliche Eitelkeit, oder ist es in der Erhabenheit Ihres Charakters, sich auch zum Kleinen herabzulaßen? – da ich mir einbilde, daß Euer Wohlgebohrn einigen Antheil an mir nehmen, so lege ich Ihnen meine Pläne vor. – Jezt habe ich vor’s erste meine Offenbarungs=Theorie zu begründen. Die Materialien sind da; und es wird nicht [/] viel Zeit erfordern, sie zu ordnen. – Dann glüht meine Seele von einem großen Gedanken: die Aufgabe, S. 372-374. der Critik d. r. Vft. (dritte Auflage) zu lösen. – Zu allem diesen bedarf ich sorgenfreie Muße; und sie giebt mir die Erfüllung einer unerläßlichen aber süßen Pflicht. Ich genieße sie in einem mir sehr zuträglichen Klima, bis jene Aufgaben gelös’t sind.
Ich habe zu meiner Belehrung und zu meiner Leitung auf meinem weitern Wege das Urtheil des Mannes, den ich unter allen am meisten verehre, über meine Schrift gewünscht. Krönen Sie alle Ihre Wohlthaten gegen mich damit, daß Sie mir daßelbe schreiben. Ich habe jezt keine bestimmte Addreße. Kann nicht etwa Ihr Schreiben mit einem der Königsberger Buchhändler nach Leipzig zur Meße abgehen (in welchem Falle ich es abholen werde) so hat die Frau HofPredigerinn Schulz eine sichere, aber in etwas verspätende Addreße an mich. – Der Rec. der N. D. A. B. sezt mich in den craßesten Widerspruch mit mir selbst; doch, das weiß ich zu lösen: aber er sezt [/] mich in den gleichen offenbaren Widerspruch mit dem Urheber der kritischen Philosophie. Auch das wüste ich zu lösen, wenn es nicht nach seiner Relation, sondern nach meinem Buche gehn soll.
Und jezt, wenn die Vorsehung nicht das Flehen so vieler erhören, und Ihr Alter über die ungewöhnlichste Grenze des Menschen Alters hinaus verlängern will, jezt, guter, theurer, verehrungswürdiger Mann, nehme ich auf diese Welt für persönliches Anschauen Abschied; und mein Herz schlägt wehmüthig, und mein Auge wird feucht. In jener Welt, deren Hofnung Sie so manchem, der keine andre hatte, und auch mir gegeben haben, erkenne ich gewiß Sie, nicht an den körperlichen Zügen, sondern an Ihrem Geiste wieder. Wollen Sie mir aber auch in meiner künftigen weitern Entfernung erlauben, schriftlich – nicht Ihnen zu sagen, was ewig unabänderlich ist, daß ich Sie unaussprechlich verehre – sondern mir Ihren Rath, Ihre Leitung, [/] Ihre Beruhigung vielleicht zu erbitten, so werde ich eine solche Erlaubniß bescheiden nützen.
Ihrer Gunst empfiehlt sich
Eurer Wohlgebohrn
innigster Verehrer
Johann Gottlieb Fichte.
Berlin
d. 2 Aprill.
1793.