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Johanna Fichte to Johann Gottlieb Fichte

[…] wünschte sehr, daß Ihr beyden Lieben Männer einander annehmen möchtet, und Freunde würdet: möchtest Du Theurster ihm nicht Deinen Aufsaz, über seine Frühlingsfeyer übereichen? Ich rathe nichts Geliebter! Ich frage nur; und möchte so gerne, daß Klopstok Dich ganz kennen lernte, damit er Dich nach Deinem ganzen Werth schäzte; ich durfte in meinem Brief nicht reden, wie ich mochte; die Idee mit der Frühlingsfeyer kommt mir des wegen, weil ich weiß wie sensible die Menschen, alle ohne Ausnahme drüber sind, wenn man von ihren Arbeiten, einen Gegenstand zur Bearbeitung gewählt hat. Klopstok ist auch als Mensch, ein sehr gütiger, sanfter Mann, ohne Stolz, wenn man keine Prètensionen gegen ihm hatt; und von der Seite des Herzens sehr pakbahr, oder beßer, sehr empfänglich: möchtest Du Bester nicht auch einmahl in Hamburg predigen? Mein Vatter dankt Dir herzlich für Deinen lieben Brief; er freut sich drauf, bald mündlich mit Dir zu sprechen, und liebt meinen Ficht herzlich. Du wirst ihn Theurster verändert finden, denn [das] lange krankenLager vor einem Jahr, wo er manche Woche am Rande des Grabs schwebte, hat ihn sehr geschwächt; sein Geist ist noch immer feurig, und dieser lebt noch ganz: seine Augen haben die Krankheit daß sie 73: Jahr alt, und da bey flüßig sind: kannst Du Theure sorgfältige Seele, etwas erfahren, [das] diesem übel ein wenig abhilft, so empfang unsern Seegen dafür.
Hier ist das Maas zu dem mir so unendlich Theuren, lange lange gewünschten Portraits meines Fichts: ich bitte Dich noch einmahl laß Dich nicht im Profihl, auch nicht en façe, sondern so daß beyde Augen, das einte aber nur ein wenig zum Vorschein kommen, mahlen; und schik es mir doch, ich bitte Dich inständig drum mit der ersten Gelegenheit; ich freue mich ganz unbeschreiblich drauf, Du Theure Theure Seele!
Mein Vatter kann auch nicht errathen, woher Dier die Handschuh [/] gegeben wurden; und wenn sie mir eine rechte Freude machen sollen, so muß ich sie aus den Händen meines Theuren Fichts erhalten; Aber mit Deinem Theuren Portrait kann ich unmöglich länger warten. Auch eins muß ich wieder bitten; schreib mir doch auch so bald als möglich, ich bin wegen den Unruhen des Kriegs, der vielen Verherungen deßelben, Deinentwegen in den größten Ängsten; Ach Gott! Hilf mir auch diese traurige Zeit der Angst, und Quall überstehen!
Wier haben hier bey uns, und in einem Bezierk um uns Ruhe, und werden sie mit Gottes gnädiger Hilfe, welches wir kaum hoffen durften, erhalten. Wie verherend sieht es izt in ganz Europa aus; wie viel Ströme Bluts werden noch fließen, bis wir wieder Ruhe haben; die Menscheit ist nun in einer politischen Gährung, und was das Resultat dieser Gährung sein wird, läßt sich noch nicht bestimmen. Thät man bey diesem allen, nicht einen hoffnungsvollen Blik, auf ein beßers Leben, man müßte wirklich trostlos werden. Wir verstehn die Wege des Herrn nicht!
Mein Brief ist ein schreklichs Gemisch, denn ich werde gar zu oft dran gestöhrt; Du nimst’s mir Bester nicht übel; und ich komme wieder zu meinem Stekenpferd; das ist nun einmahl Hamburg und Lübeck; Papa welcher viele Jahre an lezterem Ort gewohnt hatt, sagt daß er nirgends ein vergnügteres Leben geführt hatt, als dort: Burgemeister Krone ist dort wegen seiner Rechtschaffenheit, und seinen Talenten ein sehr angesehener Mann. Doch was Schwaz ich immer davon, weiß ich doch die Gedanken meines Fichts hierüber nicht: und meine Wünsche, sollen den seinigen immer untergeordnet sein.
Hier mein Theurster! hab ich die Einrichtung so getroffen, daß ohne mich mit Tischgängern zu plagen, welches vor 2: Jahren der Plan war; vier [/] ruhig, und Sorgenlos bey meinem guten alten Vatter leben können, der mich ohne dem nicht mißen könnte: Mein Vatter gab mir immer ein bestimmtes die Haushaltung zu führen, wobey ich denn immer etwas vorspahren konnte, ich liebe sehr die economie, in so weit, daß wir unsern Nebenmenschen nicht dadurch drüken; Bedürfniße hab ich mir keine zu Kopf wachsen laßen, denn ich fand immer daß sie uns noch mehr zu Claven machen, wie unsre Leidenschaften; bey der simpelsten, einfachesten Lebensart, kann ich sehr glüklich sein, und mir mangelt gewis nichts. Ich sage dir Theurster auch über diesen Punkt, so im ganzen die Wahrheit. So ist nun unsre Lage hier; kannst Du mir auch ein paar hundert Gulden jährlich in die Haushaltung geben, nun so ist’s desto beßer; im ganzen wünschte ich so sehr, daß Du ein Freudenvolles, oder doch zum wenigsten ruhiges Leben, ohne Sorgen bey uns haben könntest; und ganz Deine lieblings Pläne bearbeitetest: der Haushaltung vorzustehn, das bin ich schon gewohnt, ich wünsche nur meinem Theuren Ficht, das Leben angenehm zu machen. Ja das wünsch ich von ganzem Herzen, und mein wünschen, und bestreben, wird doch mit Gottes hilfe nicht fruchtlos sein.
Zürich wirst Du im ganzen gleich finden; diese kleine Veränderung ausgenommen, daß die großen demüthiger sind, seit dem sie durch die Französische Revolution gesehn haben, wie fürterlich man mit ihnen umgeht; hatt es auch die glüklichen Folgen in Deutschland gehabt? Sollten Frankreichs große Pläne zu Stande kommen, so würden die Menschen im ganzen sehr gewinnen, [Talente], und Adel der Seele würden ein mahl nach ihrem Werth geschäzt werden, und der anererbte Adel, die großen Tittel, welche man oft auf die niederträchtigste Art erschleicht, würden nicht mehr vor Stolz strozend, auf andre Ehrliche Menschen, welche ihnen an innerem Werth weit übertreffen, gnädig herab bliken. Alle despotischen Grundsäze der Großen, würden wo nicht vernichtet, doch sehr von ihrem drükenden Einfluß verliehren: es kommt mir aber nicht [/] wahrscheinlich vor, daß die Menschheit schon zu diesem Punkt der Reife gediehen sey; theils um das Joch abschütteln zu können, und theils, – wenn sies wirklich abgeschüttelt hatt – ihre Freyheit mit Klugheit zu gebrauchen: auf der izigen Stuffe wo wir stehn, wär eher Annarchie zu befürchten, und das ist doch das unglüklichste für die Menschen. Es mangelt uns noch viel zu sehr an richtiger Aufklärung, und an moralischem Werth.
Wie vielerley Menschen, wie viele Städte magst Du mein Bester nun gesehen haben? Davon erzählst Du mir denn auch, wenn ich vertraut auf Deinem Schooß size; wie unaussprechlich verlangt meine ganze Seele auf Dich Du Einziger! Du Bester! Der gnädige allmächtige Gott, bewahre meinen theuren Ficht! Mein Gebäth wird Dich allenthalben begleiten; wahr ists, ich habe Deinentwegen viel Kummer und Angst, schreib mir doch auch so viel Du immer kannst, wie es Dir gehe, was Du machest; und wenn ich eigentlich auf Dich zehlen könne; verkürze doch die Zeit, wenn ich bitten darf, so viel möglich, mein Theurster! Mein Verlangen hatt keine Grenzen, so wie meine Liebe zu Dir keine hatt; mögen die Tage, welche uns noch von einander trennen, wie Augenblike verfliegen; und mir nicht wie Jahre vorkommen! Es liebt Dich von ganzer Seele Dein
Hannchen Rahn.
Sag mir auch Theurster, wann Du ungefehr glaubst in Hamburg zu sein. In Klopstocks, und Kronens Brief, sag ich nichts davon, daß wir vielleicht einen Blik auf Hamburg, oder Lübek werfen, weil ich nicht weiß wie’s Dir Theurster dort gefällt, aber davon sag ich ihnen ein wenig, wer Du bist, und was Du mir bist; denn ich wüßte nicht warum gegen diese Männer ein Geheimniß draus machen; Klopstok besonders als mein Onckel, hätte recht es mir übel zu nehmen, und bey Krone kann dieses Zutraun auch nicht schaden: oder findst Dus nicht auch so? Geliebter!
Metadata Concerning Header
  • Date: Samstag, 6. April 1793
  • Sender: Johanna Fichte ·
  • Recipient: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Place of Dispatch: Zürich · ·
  • Place of Destination: Leipzig · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 1: Briefe 1775‒1793. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1968, S. 391‒394.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 68
Language
  • German

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