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Johann Gottlieb Fichte to Unbekannt

Ich glaubte mich, wie Sie lieber Freund, sehr wohl wißen, endlich einmal loszureißen aus der Menschenmenge u. von dem Gewichte eines geschäftigen Lebens, war entschloßen einige Jahre ruhig, u. unabhängig meiner geliebten Philosophie zu widmen, u. meine Erholungen in dem <kleinen Zirkel> meiner guten Familie zu suchen. Ich kann, durch Schriftstellerei, meine Zeit so hoch nutzen, als ein Gelehrter nur irgend es verlangen kann, u. ich hatte Aussicht durch diese allein nicht nur die Bedürfniße, sondern auch, Bequemlichkeiten des Lebens zu haben. Hatte ich, um sicherer zu gehn, ein kleines Amt gewünscht, so werde ich warscheinlich durch die Güte der mancherlei guten Menschen, die einige gute Menschen für mich haben, eins bekommen u. werde, wie denn eben jezt, ohne mein Zuthun, über eins unterhandelt wird – welche Unterhandlungen mich jedoch vor der Hand zu gar nichts verbinden – Was also irgend könnte mich bewegen in Ihren Vorschlag einzugehen, eine, in sehende Bet[…] so äußerst schlüpfrige Laufbahn zu betreten, als der Wunsch größeres Gute zu stiften, O Freund, hat die [/] Menschheit je guter Männer bedurft, so bedarf sie ihrer jezt. Sei der Prinz , von dem [Sie] mir sagen, einst zur Regierung bestimmt, oder sey er es nicht, so ist es gleich wichtig unsern Kindern entweder ein Muster eines guten Fürsten, oder in einem ihrer Großen einen Mann zu hinterlaßen, der ein Salz der Erde seyn könne. Freund, es muß ein seelenerhebender Gedanke seyn, am Ende seines Lebens den Abdruck deßen, was ein schwacher Mensch zum Besten seines Brudergeschlechts geträumt, gewünscht, gedacht, entworfen hat, in einem Starken zu hinterlaßen, sein Vermächtniß an die Nachwelt in das Herz eines guten Fürsten geschrieben zu haben, u. wenn unser irrdischer Leib der Verwesung entgegenreift, mit prophetischem Auge das kleine Saatkorn, das man an <früh.> […] in die Seele eines guten Prinzen warf, als volle wogende st[…]de Erndte zu erblicken. – Sie wißen es längst, daß ich an Menschheit, u. die Veredlung derselben glaube; [Sie] wißen, daß ich ihr meinen Plaz auf irgend eine Art bezahlen will: [Sie] verstehen mich, u. Sie glauben mir dies doch, daß nur dies mich reizen kann in ihren Plan einzugehn, wenn die äußern Umstände es erlauben können.
Ich wollte das fürstl. Haus, von welchem Sie reden, nicht genannt wißen, will es jezt nicht, u. kann daher die besondre Lage deßelben nicht kennen, nicht wißen, ob die Vorschläge, die ich um meiner <übrigen> Verhältniße willen nothwendig thun muß, auch nur vorzeitig sind. Ich bitte daher Sie, u. Ihre grosmüthige Freundin, in deren Auftrage Sie mir geschrieben haben, in diesem Falle weiter nichts zu thun; meine Vorschläge auch nur nicht zu erwähnen, u. die Sache auf irgend eine Art abzubrechen.
Sie wißen, daß ich in einigen Wochen mit einer Zürcherin von guter (bürgerlicher wie sich versteht) Geburt, u. Erziehung verheiratet seyn werde, wißen, oder wißen auch nicht, daß ich zugleich die Verbindlichkeit habe, ihr zuzulaßen, den Abend ihres 73. jährigen würdigen Vaters zu versüßen. Sie ist von mir unzertrennlich, u. Ihr Vater von ihr. Es wäre also hierüber die Frage, ob mir erlaubt seyn könnte, sie in meiner Nähe übrigens weder lästig noch abhängig leben zu laßen. – Daß diese <Verbindung> der Beobachtung meiner Pflichten, als Aufseher, Erzieher, Führer keinen Abbruch thun müste, ist an sich klar.
Theils erlaubt meine Lage mir nicht, durch völlige Aufopferung meiner Zeit mich ganz aus der Litteratur zu reißen, theils ist es überhaupt weder zu fordern, noch zu erwarten, daß Ein Mensch alle Wißenschaften u. den [/] besten Vortrag aller haben solle. Es kommt also in Anfrage, ob man sich darein verstehen werde, noch einen zweiten Lehrer zu halten. Ich würde Aufsicht, über <physische>, u. […]sche Bildung u. Unterweisung in allem, was Werk des Verstandes, u. der Einbildungskraft ist, Religion u. Moral, die Anfangsgründe der Mathematik, der Geschichte, u. der Länderkunde u. tieferes Eindringen […] Sprache mir vorbehalten; dem zweiten Lehrer würde übertragen was Sache des Gedächtnißes ist, Anfangsgründe aller Sprachen, weiterer Unterricht in Geschichte, u. Länderkunde. – Daß der eigentl. Erzieher alles leiten, u. über alles verantwortlich seyn müste, folgt aus der Natur der Sache.
Ich werde um Erlaubniß ansuchen, einen vorläufigen mit [……] abgefaßten Erziehungsplan, insoweit einer möglich ist, ehe man das zu erziehende Subject völlig kennt, d. h. Bestimmung des Zweks, und der entfernten Mittel (die nächsten werden durch das Individuele des zu erziehenden Subjects bestimmt.) Zur Annahme, oder Berichtigung, – mit einem Worte zur Grundlage meiner bestimmteren Instruction einsenden. Ohne eine solche Uebereinkunft scheint es mir sehr gewagt, irgend eine Erziehung, besonders eine PrinzenErziehung zu übernehmen. Ueber einen solchen Plan müßten die durchlauchtigen Eltern, u. der Erzieher völlig vereinigt seyn, u. es wird in <meinem> Falle einiges hin= und herschreiben verursachen. – Auch wenn die Unterhandlung fort[…] sollte, so bitte ich doch, bis zur völligen Uebereinkunft über diesen ErziehungsPlan das Fürstl. Haus mir nicht zu nennen. Es wird die zu diesem Geschäfte höchstnöthige Freimütigkeit bei mir sehr unterhalten, wenn das durchlauchtige Haus versichert seyn [kann], daß ich keine einzige besondere Beziehung kenne.–
Wegen der Besoldung überlaße ich mich ruhig dem <Ermeßen> des durchlauchtigen Hauses. Sie wißen es, Freund, daß ich [………] auch von dem Hause sicher erwarte, daß sie mir die Mühe, auf Alter oder Kränklichkeit zu denken, ersparen werden. Ohne Zweifel kann daßelbe es […] bestimmen, wie viel ein Führer ihres Prinzen aufwenden soll, u. wird bereit seyn, ihm dies zu geben. – Das Recht, wenn ich sehen sollte, daß der nothwendige Aufwand die Besoldung überstiege, um Erhöhung zu bitten, behalte ich der Natur der Sache nach mir vor. – [/]
Sollte ich die Erziehung glüklich vollenden, so bitte ich um die Zusicherung der Fortdauer meiner dann genoßnen Besoldung, bis zu einer, dem vorher geführten Amte, u. dem […] meiner [……] u. Kenntniße entsprechenden Versorgung. –
Da aber im menschl. Leben überhaupt, und – wie ich Ihnen unter vier Augen wohl sagen darf – besonders an Höfen Fälle eintreten können, die es auch dem entschloßensten, u. bestgesinntesten Manne schlechterdings unmöglich machen, in seiner Lage seine Bestimmung zu erfüllen; ich aber, in einem solchen Falle, dennoch von meiner gegenwärtigen Laufbahn abgezogen, meiner gegenwärtigen Aussichten beraubt, und überdies durch die […] meiner […] den […] gegen mich hätte, so müste ich auf einen solchen <wichtigen> Fall, den ich mit Freimütigkeit anzeigen würde, wenn er einträte, gleichfals um die Zusicherung der Fortdauer meiner Besoldung bis zur anständigen, auch meine gerechten u. billigen Erwartungen angemeßnen Versorgung [anhalten].
Ich sehe wohl ein, daß der leztere Punkt nur mit einem Mann einzugehn ist, an deßen Redlichkeit man glaubt; aber ich muß ihn, durch meine Lage genöhtigt, auf die Gefahr durch ihn die ganze Unterhandlung scheitern zu machen, dennoch als unabtrennlich, hinzusezen.
Ich bin mit Verehrung
Ew.
Metadata Concerning Header
  • Date: Spätsommer 1793
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Unbekannt
  • Place of Dispatch: Zürich · ·
  • Place of Destination: Unbekannt ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 1: Briefe 1775‒1793. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1968, S. 426‒429.
Manuscript
  • Provider: Handschrift verschollen
Language
  • German

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