Wohlgebohrner Herr,
Höchstzuverehrender Herr Profeßor,
Ihr würdiger Freund Baggesen, den ich vor einiger Zeit in Bern kennen lernte, hat mir einen so schäzbaren Beweiß Ihrer gütigen Gesinnung gegen mich gegeben, daß ich es meinem Herzen nicht versagen kann, Ihnen dafür durch Vertrauen zu danken. – Es erschien eine Schrift, die Sie vortheilhaft beurtheilten; um dieses vortheilhaften Urtheils Willen glaubten Sie mich für den Verfaßer halten zu müßen. Ich fühle das Ehrenvolle dieses Schlußes, wenn ein Reinhold ihn macht, in seiner ganzen Ausdehnung, und trage kein Bedenken Ihnen, jedoch im Vertrauen, zu sagen, daß ich wirklich der Verfaßer jener Schrift bin. Leider ist es durch die nur nicht ganz besonnene Wohlmeinenheit eines Mannes, für den ich keine Geheimniße haben durfte, in der Schweiz nicht mehr ein Geheimniß, daß ich es bin; und ich habe, nach meinem Grundsätze, mich wohl nicht zu Allem zu bekennen, aber auch nichts geradezu abzuläugnen, was ich geschrieben habe, es sogar einigen zugestehen müßen. Nach der Absonderung aber, die im Ganzen zwischen den Schwei[/]zerischen, und den Nordteutschen Gelehrten Statt findet, kann es für Teutschland noch lange eins bleiben, da es daselbst durch mich niemand weiß, als der (selbst nicht genannte) Verleger, der Führer des Grafen Castell Stephani, u. sein Zögling, und nunmehro Sie, und ich nicht gesonnen bin, es irgend Jemanden zu schreiben, als vielleicht in einiger Zeit Kanten; und da keiner unsrer Kritiker dem Verf. der OffenbarungsKritik die Sprache jener Schrift zutraut. Daß man dieses Argument brauchen würde, wenn ja etwa durch den Verleger etwas über den Verfaßer verlauten sollte, erwartete ich mit Zuversicht, und ich habe mich in unserm Publikum nicht geirrt. Möchte man doch, oder vielmehr, möchte man zum Behuf des Incognito wohlmeinender Schriftsteller lieber nicht die Unsicherheit dieser Schlußart inne werden! Als Kant nicht Verfaßer der OffenbarungsKritik war, beschuldigte man mich, ich habe seinen Styl künstlich nachgemacht; jezt würde man mich beschuldigen, ich habe den meinigen künstlich verstellt: und dennoch wollte ich wohl noch fünf bis sechs Schriften über verschiedne Gegenstände schreiben, in denen keiner der gewöhnlichen Beurtheiler die Schreibart der vorhergegangenen wiederfinden sollte, ohne daß ich bei ihrer Abfaßung das im geringsten beabsichtiget hätte. – Unerkannt wollte ich besonders auch deswegen noch recht lange seyn, weil ich einer blutigen Fehde mit Hrr. Rehberg entgegen sah, und durch mein Incognito verhindern wollte, daß diese nicht persönlich würde; auch besonders um der A. L. Z. Willen. – Besonders über Rehberg ersuche ich Sie um Ihr [/] Urtheil. Glauben Sie, daß ihm Unrecht geschehen sey; oder daß er, bei seinem Verhältniße zum lesenden Publikum u. der Wichtigkeit der Untersuchung, u. seinem schneidenden Tone, auf eine schonendere Art hätte zu Recht gewiesen werden sollen? – Was die Sache anbelangt, so habe ich mir reiferes Nachdenken darüber vorbehalten; da ich besonders in diesem Fache noch manches zu arbeiten gedenke.
Wollen Sie mich der Fortdauer Ihrer gütigen Gesinnungen, und eines Beweises derselben durch eine Antwort würdigen, so werden Sie mich Ihnen dadurch von neuem sehr verbinden. Ich werde wenigstens diesen Winter in Zürich, wo ich mich vor einigen Wochen verheirathet habe, verbleiben.
Wie sehr ich Ihre reine Wahrheitsliebe, Ihr warmes Intereße für alles, was der Menschheit höchstwichtig ist, das Sie zu so unermüdeten Forschen stärkt, unterscheide, und verehre, wollte ich Ihnen nicht sagen. Sie hätten nicht so gütig von mir denken können, als Sie thun, wenn Sie mir nicht Gefühl und Verehrung dafür zugetraut hätten.
Ich bin mit dieser Verehrung
Euer Wohlgebohren
innigst ergebner
Fichte.
Zürich
d. 13. 9br. 93.
Höchstzuverehrender Herr Profeßor,
Ihr würdiger Freund Baggesen, den ich vor einiger Zeit in Bern kennen lernte, hat mir einen so schäzbaren Beweiß Ihrer gütigen Gesinnung gegen mich gegeben, daß ich es meinem Herzen nicht versagen kann, Ihnen dafür durch Vertrauen zu danken. – Es erschien eine Schrift, die Sie vortheilhaft beurtheilten; um dieses vortheilhaften Urtheils Willen glaubten Sie mich für den Verfaßer halten zu müßen. Ich fühle das Ehrenvolle dieses Schlußes, wenn ein Reinhold ihn macht, in seiner ganzen Ausdehnung, und trage kein Bedenken Ihnen, jedoch im Vertrauen, zu sagen, daß ich wirklich der Verfaßer jener Schrift bin. Leider ist es durch die nur nicht ganz besonnene Wohlmeinenheit eines Mannes, für den ich keine Geheimniße haben durfte, in der Schweiz nicht mehr ein Geheimniß, daß ich es bin; und ich habe, nach meinem Grundsätze, mich wohl nicht zu Allem zu bekennen, aber auch nichts geradezu abzuläugnen, was ich geschrieben habe, es sogar einigen zugestehen müßen. Nach der Absonderung aber, die im Ganzen zwischen den Schwei[/]zerischen, und den Nordteutschen Gelehrten Statt findet, kann es für Teutschland noch lange eins bleiben, da es daselbst durch mich niemand weiß, als der (selbst nicht genannte) Verleger, der Führer des Grafen Castell Stephani, u. sein Zögling, und nunmehro Sie, und ich nicht gesonnen bin, es irgend Jemanden zu schreiben, als vielleicht in einiger Zeit Kanten; und da keiner unsrer Kritiker dem Verf. der OffenbarungsKritik die Sprache jener Schrift zutraut. Daß man dieses Argument brauchen würde, wenn ja etwa durch den Verleger etwas über den Verfaßer verlauten sollte, erwartete ich mit Zuversicht, und ich habe mich in unserm Publikum nicht geirrt. Möchte man doch, oder vielmehr, möchte man zum Behuf des Incognito wohlmeinender Schriftsteller lieber nicht die Unsicherheit dieser Schlußart inne werden! Als Kant nicht Verfaßer der OffenbarungsKritik war, beschuldigte man mich, ich habe seinen Styl künstlich nachgemacht; jezt würde man mich beschuldigen, ich habe den meinigen künstlich verstellt: und dennoch wollte ich wohl noch fünf bis sechs Schriften über verschiedne Gegenstände schreiben, in denen keiner der gewöhnlichen Beurtheiler die Schreibart der vorhergegangenen wiederfinden sollte, ohne daß ich bei ihrer Abfaßung das im geringsten beabsichtiget hätte. – Unerkannt wollte ich besonders auch deswegen noch recht lange seyn, weil ich einer blutigen Fehde mit Hrr. Rehberg entgegen sah, und durch mein Incognito verhindern wollte, daß diese nicht persönlich würde; auch besonders um der A. L. Z. Willen. – Besonders über Rehberg ersuche ich Sie um Ihr [/] Urtheil. Glauben Sie, daß ihm Unrecht geschehen sey; oder daß er, bei seinem Verhältniße zum lesenden Publikum u. der Wichtigkeit der Untersuchung, u. seinem schneidenden Tone, auf eine schonendere Art hätte zu Recht gewiesen werden sollen? – Was die Sache anbelangt, so habe ich mir reiferes Nachdenken darüber vorbehalten; da ich besonders in diesem Fache noch manches zu arbeiten gedenke.
Wollen Sie mich der Fortdauer Ihrer gütigen Gesinnungen, und eines Beweises derselben durch eine Antwort würdigen, so werden Sie mich Ihnen dadurch von neuem sehr verbinden. Ich werde wenigstens diesen Winter in Zürich, wo ich mich vor einigen Wochen verheirathet habe, verbleiben.
Wie sehr ich Ihre reine Wahrheitsliebe, Ihr warmes Intereße für alles, was der Menschheit höchstwichtig ist, das Sie zu so unermüdeten Forschen stärkt, unterscheide, und verehre, wollte ich Ihnen nicht sagen. Sie hätten nicht so gütig von mir denken können, als Sie thun, wenn Sie mir nicht Gefühl und Verehrung dafür zugetraut hätten.
Ich bin mit dieser Verehrung
Euer Wohlgebohren
innigst ergebner
Fichte.
Zürich
d. 13. 9br. 93.