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Johann Gottlieb Fichte to Carl August Böttiger

Zürich, d. 8. Jenner. 1794.
Mit umlaufender Post, Theurer, würdiger Freund, antworte ich Ihnen, theils um Ihnen recht bald meine Dankbarkeit für Ihre freundschaftliche Zuschrift zu beweisen, theils um einen Irrthum zu berichtigen, wenn Sie in demselben schweben sollten.
Ich erfuhr zwar nicht lange nach meiner Ankunft in Zürich durch Lavater, daß Reinhold nach Kiel gerufen sey; aber ich habe darauf so wening reflektirt, daß ich vielmehr einleuchtend darthun könnte, daß ich den Sommer, und Herbst über ganz andere Dinge unterhandelt. Eine Entdekung gegen Ende des Herbstes machte mich nichts sehnlicher wünschen, als einige Jahre unabhängige Muße. Ich habe keinem einzigen meiner Freunde, oder Freundinnen auch nur ein Wort darüber geschrieben, oder gesagt, als ob ich nur wüßte, daß Rhd. von Jena weggehe; und ich hörte vor einigen Wochen von Rhds vertrautesten Freunde, u. meinem, Baggesen, mit wahrer inniger Theilnahme, daß der Adjunkt Niethammer diese Stelle erhalten habe. Vor ein paar Wochen erhalte ich durch Hrr. P. Bischof den ersten Wink, daß mein Name in dieser Sache genennt worden sey, aber so unbestimmt, daß ich, da ich zumahl den ernannten Nachfolger sicher zu wißen glaubte, ihn im lrrthume glaubte, u. darauf nicht weiter achtete. Vor 3. Tagen erst erhielt ich die erste vorläufige Erkundigung von Prof. Hufeland, ob ich wohl, wenn die Wahl auf mich fallen sollte, kommen würde; und heute erhalte ich Ihren freundschaftlichen Brief, nebst den wichtigen, die ihn begleiten. Seyn Sie also versichert, Theurester Freund, daß alle diejenigen, welche in dieser Sache gearbeitet haben, gerade so wie Sie, den ich darunter vorzüglich zähle, ob Sie mir gleich Ihren Antheil edelmüthig verbergen, nur um soviel mehr meinen Dank verdienen, da Sie es gänzlich ohne mein Mitwißen gethan haben. Gewißer Triebfedern in dieser Sache mich zu bedienen, wenn ich überhaupt der Mann wäre, der in irgend einer Sache sich der Triebfedern bediente, wäre ohnedem unschiklich, und beleidigend für meine übrigen Gönner und Freunde gewesen, wor[/]unter ich z.B. Sie zu zählen die angenehme Berechtigung hatte. Hätte ich in dieser Sache etwas thun wollen, so seyn Sie nur fest versichert, daß ich an keinen andern, als geradezu an Sie, und Hufeland, u. vielleicht Schütz würde geschrieben haben. – Vermehren Sie also Ihre bisherige Güte durch die neue, dieses allenthalben, wo es schiklich ist, recht laut zu sagen; damit dieser Ruf so ehrenfest für mich bleibe, wie ich, seitdem ich denke, mich bestrebt habe, daß alle seyn möchten, die an mich ergingen.
Dem Herrn Gehm. Aßist. Rath. Voigt werde ich künftigen Posttag antworten, weil heute keine Zeit übrig ist. – Ich bedaure, der Güte meiner Freunde mich nicht so ganz unbedingt hingeben zu können, wie ich’s wünschte. Es ist die Frage, ob Jena ein Unternehmen, das nur in unabhängiger Muße ausgeführt werden kann, hindern wolle oder nicht; ob es an mir einen ganz gewöhnlichen Profeßor, wie man sie häufig auftreibt, haben, oder ob es mich mit einiger Auszeichnung will auftreten sehen. Will es das leztere, so kann ich nicht eher antreten, als Ostern 95. Zuhörer will ich auch dann wohl bekommen. – In allen übrigen werde ich meine Dankbarkeit für Ihre guten Rathschläge dadurch zeigen, daß ich [Sie] befolge.
Glauben Sie, daß mir Ihr Brief, seinen Inhalt abgerechnet, bloß in der Rüksicht unendlich schäzbar würde gewesen seyn, da er mir ein sicheres Unterpfand der Fortdauer Ihrer alten Freundschaft ist.
Meine Frau empfiehlt sich Ihnen, Sie ist allerdings ein gutes Weib.
Leben Sie wohl, und bleiben Sie der Freund
Ihres
Sie hochschäzenden Freundes
Fichte.
Daß ich von Ihrem Briefe keinen undankbaren Gebrauch mache, versteht sich. Sollten Sie P. Bischof sehen, so empfehlen Sie mich ihm herzlich, u. haben die Güte, ihm zu sagen, daß ich ihm nächstens antworten werde.
NB. Halten Sie es nicht für gut gethan, daß mein Entschluß eher ruchtbar werde, ehe ich Voigt geschrieben, so brauche ich Sie nicht zu bitten ihn bis dahin geheim zu halten. Er erhält um einen Posttag später meine Antwort.
Metadata Concerning Header
  • Date: Mittwoch, 8. Januar 1794
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Carl August Böttiger ·
  • Place of Dispatch: Zürich · ·
  • Place of Destination: Weimar · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 2: Briefe 1793‒1795. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1970, S. 32‒34.
Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • Classification Number: Mscr. Dresd. h 37, Bd. 48, Nr. 79
Language
  • German

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