Mein verehrter und geliebter Freund!
Unsre Briefe müssen sich auf dem Wege begegnet haben wie unsre Herzen. Als ich den Meinigen schrieb, hatte ich bereits die Hofnung gefasset, deren Erfüllung mir der Ihrige auf eine Ihrer so sehr würdige Art ankündigte.
Ich nehme Ihre Freundschaft als ein heiliges Unterpfand des Vertrauens an daß ich mich auf dem Wege befinde das Eine was Noth ist mehr als gewöhnlich zu kennen und zu betreiben, eines Vertrauens das ich mir selbst nicht versagen, in welchem ich aber nur durch Männer Ihrer Art bestäthiget werden kann.
Die Einhelligkeit zwischen unsren Gesinnungen, die ich in Ihren Schriften gefunden habe, ist mir so auffallend und so interessant gewesen, daß ich die Verschiedenheiten zwischen unsren Denkarten bisher kaum bemerkt habe. Diejenigen die bis itzt mir selbst nicht entgangen sind, habe ich von der Art gefunden, daß sie gar wohl auch mit einer Einhelligkeit im Wesentlichen der Denkart bestehen können. Ihr Brief scheint mich auf Mehrere [/] und grössere vorbereiten zu wollen.
Desto besser! Diese Verschiedenheiten werden meinem Kopfe eben so wohlthätig seyn als es die Einhelligkeit unsrer Gesinung meinem Herzen ist. Daß diese neben jenen bestehen könne ist für uns Thatsache.
Die philosophierende Vernunft sucht die letzten Gründe zu Überzeugungen die bereits schon vorhanden seyn müssen, und in so ferne wohl nicht von dem was erst gefunden werden soll abhängen. An den letzten Gründen an und für sich selbst ist uns beyden nichts; alles aber an den uns gemeinschaftlichen heiligen Überzeugungen gelegen. Nur zur Belebung und Befestigung von diesen dringen wir in die Regionen der dunkeln Vorstellungen ein in welchen jene liegen. Geleitet durch die gemeinschaftlichen Überzeugungen befinden wir uns auf ihrer rechten Spur, und je verschiedener das jenige ist was wir auf dieser Spur wahrnehmen desto mehr Data haben wir zur Lösung unsres Problems.
Indessen müssen wir uns so genau kennen lernen, als es uns bey der Entfernung unsrer Wohnorte möglich ist. Ist von Ihnen äusser der Kritik der Offenbarung, den Beyträgen, und der Abhandlung über den Nachdruck in der berl. M. noch etwas gedrukt. Keine Zeile von Ihrer Hand möcht’ ich ungelesen lassen.
Haben [Sie] meine kleine Schrift über das Fundament des philosophischen Wissens, die vor ein paar Jahren heraus kam, gelesen? In ihr habe ich meine Idee vom Wesen der Philosophie bestimmter als in meinen Beyträgen vorgetragen, von denen Ostern der Zweyte Band erscheinen und diese Materie weiter hinaus beleuchten soll. [/]
Heut erst habe ich das 2te Heft Ihrer Beyträge erhalten; aber das selbe ungelesen meinem Schwiegervater geben müssen. Auch wenn ich sie zurückerhalte kann ich nur eine tumultuarische Lektüre damit vornehmen, weil sich meine, vor meiner Abreise nach Kiel noch abzufertigende Arbeiten immer mehr anhäufen. Die nächsten Ferien sind beyde Hefte mein Studium und meine Erholung.
Von ganzem Herzen umarmt Sie
Ihr Reinhold
Jena den 6 Febr. 794
Unsre Briefe müssen sich auf dem Wege begegnet haben wie unsre Herzen. Als ich den Meinigen schrieb, hatte ich bereits die Hofnung gefasset, deren Erfüllung mir der Ihrige auf eine Ihrer so sehr würdige Art ankündigte.
Ich nehme Ihre Freundschaft als ein heiliges Unterpfand des Vertrauens an daß ich mich auf dem Wege befinde das Eine was Noth ist mehr als gewöhnlich zu kennen und zu betreiben, eines Vertrauens das ich mir selbst nicht versagen, in welchem ich aber nur durch Männer Ihrer Art bestäthiget werden kann.
Die Einhelligkeit zwischen unsren Gesinnungen, die ich in Ihren Schriften gefunden habe, ist mir so auffallend und so interessant gewesen, daß ich die Verschiedenheiten zwischen unsren Denkarten bisher kaum bemerkt habe. Diejenigen die bis itzt mir selbst nicht entgangen sind, habe ich von der Art gefunden, daß sie gar wohl auch mit einer Einhelligkeit im Wesentlichen der Denkart bestehen können. Ihr Brief scheint mich auf Mehrere [/] und grössere vorbereiten zu wollen.
Desto besser! Diese Verschiedenheiten werden meinem Kopfe eben so wohlthätig seyn als es die Einhelligkeit unsrer Gesinung meinem Herzen ist. Daß diese neben jenen bestehen könne ist für uns Thatsache.
Die philosophierende Vernunft sucht die letzten Gründe zu Überzeugungen die bereits schon vorhanden seyn müssen, und in so ferne wohl nicht von dem was erst gefunden werden soll abhängen. An den letzten Gründen an und für sich selbst ist uns beyden nichts; alles aber an den uns gemeinschaftlichen heiligen Überzeugungen gelegen. Nur zur Belebung und Befestigung von diesen dringen wir in die Regionen der dunkeln Vorstellungen ein in welchen jene liegen. Geleitet durch die gemeinschaftlichen Überzeugungen befinden wir uns auf ihrer rechten Spur, und je verschiedener das jenige ist was wir auf dieser Spur wahrnehmen desto mehr Data haben wir zur Lösung unsres Problems.
Indessen müssen wir uns so genau kennen lernen, als es uns bey der Entfernung unsrer Wohnorte möglich ist. Ist von Ihnen äusser der Kritik der Offenbarung, den Beyträgen, und der Abhandlung über den Nachdruck in der berl. M. noch etwas gedrukt. Keine Zeile von Ihrer Hand möcht’ ich ungelesen lassen.
Haben [Sie] meine kleine Schrift über das Fundament des philosophischen Wissens, die vor ein paar Jahren heraus kam, gelesen? In ihr habe ich meine Idee vom Wesen der Philosophie bestimmter als in meinen Beyträgen vorgetragen, von denen Ostern der Zweyte Band erscheinen und diese Materie weiter hinaus beleuchten soll. [/]
Heut erst habe ich das 2te Heft Ihrer Beyträge erhalten; aber das selbe ungelesen meinem Schwiegervater geben müssen. Auch wenn ich sie zurückerhalte kann ich nur eine tumultuarische Lektüre damit vornehmen, weil sich meine, vor meiner Abreise nach Kiel noch abzufertigende Arbeiten immer mehr anhäufen. Die nächsten Ferien sind beyde Hefte mein Studium und meine Erholung.
Von ganzem Herzen umarmt Sie
Ihr Reinhold
Jena den 6 Febr. 794