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Johann Gottlieb Fichte to Friedrich Heinrich Gebhard

[...] schrieb mir, daß Sie gegen die Recension in der A. L. Z. Ihres: Ueber sittl. Güte pp eine weitläufige Antikritik in die Gothaische gelehrte Z. einrüken laßen. Man schrieb mir es – sage ich denn ich habe hier nicht Gelegenheit die Gothaische Z. zu lesen. Das würde nun mich noch nicht veranlaßen Ihnen zu schreiben. Aber man schreibt mir ferner, Sie hätten Winke gegeben, der Rec. möchte wohl persönl. Ursachen zur Härte seiner Anzeige haben. – Da Sie mir Veranlaßung gegeben, die Anzeige zu übernehmen, so ist es sehr möglich, daß Sie beide mich für den Recensenten gehalten haben, u. ich finde daher in der Ordnung Ihnen zu sagen, daß ich wirklich der Recens. bin.
Sie nahmen mich in Gotha freundschaftlich u. ich kann sagen, mit Achtung auf; [Sie] opfern mir einen Theil Ihrer Zeit; [Sie] zeigen mir – einen sanften liebenswürdigen Charakter – Das Exemplar, nach dem ich die Rec[.] machte habe ich von Ihrer Güte; u. ich sollte eine persönliche Abneigung gegen Sie haben. Wo in aller Welt sollte die her entstanden seyn? Bleibt Ihr Verleger. Glauben Sie, daß ich um deßen Willen ein Buch mishandeln würde, das bei ihm gedrukt ist. Ich weiß nicht, ob je ein Gelehrter so klein gedacht hat. –
Aber man hat vor <ein paar> Jahren ein vernachläßigtes Avertißement über mich in die G. G. Z. eingerükt? Da würde ich wenigstens an den Redakteur mich halten, wenn ich Rache nehmen wollte. Sie sind bloß Mitarbeiter. <Wäre> es nicht kindisch, wenn alle Gelehrte, die etwa im Intelligenz Blatt der Litteratur Z. etwas eingerükt <fänden>, darum auf mich zürnen wollten, wenn Sie etwa erfahren sollten, daß zuweilen eine Rec. von mir in der A. L. Z. enthalten ist.
Die Sache ist die. – Ich trug die Anzeige Ihres Buchs an, um Ihnen zu dienen: ich sezte mich in der reinen Absicht mieden das Buch zu studiren, um ein vortheilhaftes Urtheil darüber fällen zu können. Ich las es mehremahle; ich studirte es. Das Resultat war leider kein anderes, als das angegebne. War ich so blind, daß ich die Vorzüge deßeiben nicht erbliken konnte – nun, Unheil genug für mich. – Der Ton, den man mir etwa noch aufrüken könnte? Es ist bitter, daß ich Ihnen das schreiben soll: – <Prüfen> Sie ihn genauer, so werden Sie finden, daß es durch Ihre (wie mir es scheint.) Weitschweifigkeit, Unbestimmtheit, u. <Zwik>lichkeit ausgepreßter Unwille ist, dem ich nicht widerstehen konnte. Ich bin vielleicht verwahrloos’t: ich kann bei Langweiligkeit nicht kallt bleiben. Ob ich überhaupt der Partheilichkeit fähig bin. Ich könnte Ihnen beweisen, daß ich wirklich erklärten anerkannten Gegnern u. Verleumdern volle Gerechtigkeit habe widerfahren laßen.
Halten Sie mich nicht für Ihren Feind, sondern schließen Sie aus diesem Briefe, daß ich ein grader ehrlicher Mann u. gewiß der <reine> Freund Ihrer Sanftheit, u. Bescheidenheit bin. Sie <weilten> als Sie dieses Buch schrieben, noch in der Region der dunkeln Vorstellungen. Wir sind alle darin gewesen. Sie sind jung: Sie werden weiterkommen. Schreiben Sie ein Buch, das Beifall verdient, u. glauben Sie, daß dazu sich drängen wird, ihm volle Gerechtigkeit widerfahren zu laßen
Metadata Concerning Header
  • Date: Ende Februar/Anfang März 1794
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Friedrich Heinrich Gebhard
  • Place of Dispatch: Zürich · ·
  • Place of Destination: Gotha · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 2: Briefe 1793‒1795. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1970, S. 68‒70.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: J. G. Fichte Nachlass I, 16
Language
  • German

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