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Johann Gottlieb Fichte to Carl August Böttiger

Zürich, d. 1. März. 1794.
Ich überhäufe Sie mit Briefen, Theuerster Freund; und Sie sehen daraus wenigstens soviel, daß ich Ihre Güte und Freundschaft nicht unbenuzt laßen will; und Sie werden es aus dem Inhalte meines Briefes noch mehr sehen.
1.) Sie gaben mir den Rath durch ein deutsches Programm meine Vorlesungen anzukündigen, den ich sehr goutire. Materialien dazu hätte ich fast fertig liegen. Ich würde geradezu einige Vorlesungen über den Begriff der Philosophie, und die ersten Grundsätze derselben, die ich einigen der ersten Geistlichen und Staatsmänner Zürichs, Lavater an ihrer Spitze, jezt lese, und welche zugleich eine Uebersicht meines neuen Systems geben, zu diesem Behuf abdruken laßen. Wollten Sie so gütig seyn mir einen Verleger dafür in Jena zu besorgen, und mir zu schreiben; wann ich die Handschrift einschiken muß? – Zugeben möchte ich dem Verleger nicht; denn es hat noch keiner meiner Verleger Verlust gehabt.
2.) Wann muß ich mich bestimmt haben, was ich für das nächste halbe Jahr lesen will; und an Wen muß ich das Verzeichniß, oder beßer die Anzeige – denn viel lesen werde ich vor der Hand nicht – einschiken? oder Wer wird sie mir abfordern?
3.) Kann man ein Auditorium haben, z.B. das Reinholdsche, ohne die ganze Wohnung zu nehmen? – Meine Frau und Schwiegervater kommen mir erst im Jul. oder August, oder wohl noch später nach. Ich bedürfte demnach vor der Hand nichts weiter, als ein möblirtes Stübgen, am liebsten in einem Garten. Ist das zu haben? und können Sie etwa durch Jemand in Jena es mir verschaffen? Kann man in Jena, oder Weimar leicht, und um einen billigen Preis Möbels haben? Der Ctr. Fracht von Zürich bis Jena kostet 11 fl. = 6 rthr16 gl. Sächsisch. Es ist also natürlich, daß wir uns so leicht machen werden, als möglich.
4.) Ich sehe selbst jezt, und weiß es überdem seit langem, wie unangenehm für Lehrer und Zuhörer es [/] ist, ohne Lesebuch lesen zu müßen. Das gedankenlose Nachschreiben, das ich für meine Vorlesungen wenigstens ganz abschaffen möchte, wird dadurch nur zu sehr befördert. Unter den vorhandnen Kantischen oder Reinholdschen Schriften kann ich über keine lesen. Selbst aber ein’s schreiben binnen hier und Ende künftigen Monats kann ich auch nicht. Hierbei ist mir nun dies Expediens eingefallen. Wie wenn ich es während des Cursus bogenweise als Handschrift für meine Zuhörer, herausgäbe, weil [ich] die Vorlegung meines Systems vor das größere Publikum mir schlechthin noch Jahre lang vorbehalte? Den gewöhnlichen Naserümpfereien über Drukschriften, die als Handschriften betrachtet werden sollen, wollte ich allenfals trotzen. Ist es nicht das gleiche, als ob ein Profeßor über eigne Diktaten lies’t? Um zu zeigen, daß es mir Ernst wäre, müste das Buch gar nicht in den Buchhandel kommen, sondern durch meinen Commißär nur gegen Zeichen von mir an meine Zuhörer, und Wem ich es sonst wollte zukommen laßen, ausgegeben werden. Da es wohl noch mehrere Jahre währen könnte, ehe ich das eigentliche Lehrbuch der „Wißenschaftslehre” (nicht der bloßen Liebhaberei des Wißens oder der Philosophie) für das Publikum, herausgebe; ich mithin so lange über jene Handschrift lesen müste, so könnte dennoch eine gewöhnliche Auflage wohl vergriffen werden. – Haben Sie die Güte diesen Einfall zu prüfen, und mir Ihre Gedanken darüber mitzutheilen. Wenn er Ihren Beifall haben sollte, wollten Sie dann wohl so gütig seyn, zu hören, ob etwa in Jena unter den Buchhändlern sich ein Unternehmer dieser Sache findet.
Ich habe über diese Dinge Ihnen schreiben wollen, Theuerster Freund, obwohl es scheint, daß ein in Jena wohnender Freund diese Dinge bequemer besorgen könne. Ich weiß nicht bestimmt, inwiefern ich in Jena Freunde habe. Reinhold ist gewiß mein Freund, [/] aber dieser hat mit seinen eignen Angelegenheiten sicher alle Hände voll zu thun. Hufeland scheint nicht zu wünschen, daß Jemand wiße, er habe nähern Antheil an der Sache; und er kann triftige Gründe zu diesem Wunsche haben, die ich respektiren muß. Ihnen aber ist es vielleicht nicht entgegen, wenn man glaubt, daß Sie Ihre gütige Freundschaft für mich auch in dieser Angelegenheit haben wirken laßen. –
Noch eine Frage, die ich fast vergeßen hätte! Sind etwa bei Erhaltung des Diploms gewiße Formen zu beobachten? und welche? inwiefern sind sie schlechthin hergebracht, und was kann man etwa mit Ehren noch darüber thun? – Bitten kann Ihr Freund nicht; danken aber mag er gar gern.
Man schreibt mir ohnlängst in Beziehung auf einen bekannten Umstand, der mich von Ihren Höfen, wenn Sie mich auch gleich einer Lehrstelle auf ihrer Universität würdigten, dennoch keine freundlichen Gesichter, und kein herzliches Wohlmeinen erwarten ließ – einen Umstand, über den ich noch dazu gar keine Reue empfinde – eine vortrefliche Maxime Ihres Herzogs. Ist dieser Fürst so, wie man mir ihn jezt häufig schildert, so werde ich in Kurzen ihn herzlich lieben; und obwohl Ihm das sehr gleichgültig seyn wird, so kann es mir doch garnicht gleichgültig seyn. Ich lebe dann mit mehr Vergnügen und Ruhe in seinem Lande; und es entschlüpfen meiner unglücklichen Feder keine Sarkasmen. Gotha werde ich auf meiner Reise vermeiden, ohngeachtet ich Geisler, und Döring gern gesehen hätte.
Bleiben Sie der Freund
Ihres Fichte.
Meinen herzlichen Gruß an Bischoff, u. Fr. v. Koppenfels. Ich habe neulich an beide geschrieben; über jene Angelegenheit aber, wie sich versteht, kein Wort gesagt, weil ich damals das Recht dazu noch nicht zu haben glaubte. Seit meiner unbedingten Annahme aber mache ich kein Geheimniß mehr daraus; wie ich es denn mit heutiger Post auch an Reinhold schreibe.
Metadata Concerning Header
  • Date: Samstag, 1. März 1794
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Carl August Böttiger ·
  • Place of Dispatch: Zürich · ·
  • Place of Destination: Weimar · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 2: Briefe 1793‒1795. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1970, S. 70‒73.
Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • Classification Number: Mscr. Dresd. h 37, Bd. 48, Nr. 81
Language
  • German

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