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Johann Gottlieb Fichte, Johanna Fichte to Carl August Böttiger

Z. d. 2. Ap. 94.
Ich werde Ihnen, mein Theurer Freund, wenn auch nicht eben einen kurzen, doch vielleicht einen sehr unleserlichen Brief schreiben, weil ich nicht Zeit habe, einen sehr leserlichen zu schreiben.
Die Arrangements, die durch Ihre, des sehr gütigen G. R. Voigts, und des sehr freundschaftlichen P. Hufelands Vorsorge für mich in Jena getroffen worden, gereichen zu meiner höchsten Zufriedenheit, und ich danke allen auf das wärmste. – Von Hufeland habe ich Briefe, u. ich antworte heute auch.
Wegen der Einladungsschrift hat es seine Häkchen. Sie kann sobald noch nicht fertig seyn. Bitten Sie demnach Theurer, u. flehen Sie Hrn Bertuch, daß er ja gegen Anfang des Mäi, oder auch wohl zu Anfange, bereit ist gerade von der Post die Handschrift auf die Preße zu schiken (nein nicht Preße, sondern zum Setzer) u. ihn setzen zu laßen, bis ihm die Finger weh thun. Ich kann nicht wohl rechnen, ehe als in der Osterwoche Manuskript abzuschiken. 11. Tage gehn die Briefe. Also mit dem 4. 5. 6. Mäi könnte die Handschrift in Weimar seyn; wenn dann frischweg gedrukt wird, so kann doch den 14. 15. 16. die Schrift in den Händen der lehrbegierigen Weisheits Schüler seyn: – Vielleicht muß ich zwei Sendungen machen: aber kurz d. 4. u.s.w. kann u. soll Manuskript in Weimar seyn, u. der angefangne Druk soll durch meine Schuld nicht unterbrochen werden. – Es ist mir bisher in dergl. Sachen noch immer gelungen, meinen Vorsaz durchzusetzen: vielleicht weil ich mir nichts ohne vorherige Berechnung aufgebe.
Diese Schrift wäre wohl leicht geschrieben, wenn mir nicht meine Zürcher Vorlesungen, zu denen ich mich nun einmal verbunden habe, schwer auf dem Halse lägen. Uebrigens ist das gar nicht zwekwidrig für Jena. Mein Ruhm erschallt waker in der Schweiz; und wird vielleicht manches gute Muttersöhnchen nach Jena loken, das sonst nie hingekommen wäre; u. dann ist es immer gut, wenn von dem Orte unsres lezten Aufenthalts aus eine kleine Wolke von wohlriechenden Düften nachfolgt. Dann ist es um der häufigen Reisenden willen, die hieher kommen nicht übel. Wir Deutsche sind es ja so sehr gewohnt, uns mit unsern Männern durch Fremde bekannt machen zu laßen.
Sie haben wohl recht, daß eine solche Posaune nicht zu früh geblasen werden kann; aber ich möchte sie gern [/] recht lauttönend blasen. Wenn ich etwa ein klein wenig aus dem Tone der Bescheidenheit, der in meiner Off. Kr. herrscht, fallen sollte, so geschieht das bloß darum, weil doch einmal manche Leute nur vom Schalle fallen. Einen andern Vortheil werde ich – NB. wenn die Zeit zulangt – darin suchen, daß ich von Sätzen einer Speculation, die wirklich um ein gutes tiefer geht, als die Kantische, mit einer Leichtigkeit des Tons rede, als ob es keine tiefsinnige Speculation wäre. So etwas hat seinen guten Nutzen. – Doch ich will nicht reden von Dingen, die noch zu thun sind.
Ich wünschte, daß sie recht sehr in den Buchhandel käme; u. daß also Her. Bertuch eine recht starke Ausgabe machte, u. wenn es 2000 Exemplare seyn sollten. Ich sollte glauben, er würde sie absetzen. Wie viel ich freie Exemplare brauchen werde, kann ich erst in Weimar berechnen. Auf Honorar – rechne ich nun eben hier nicht schlechterdings; aber ich weise auch nicht ab was man mir giebt. – Wie stark an Bogen sie seyn werde, kann ich jezt nicht berechnen. Wenn Her. Bertuch sie etwa in den Meßkatalog eingerükt wünscht, so lege ich zu diesem Behufe den ohngefähren Titel bei. Sollte er hernach um ein paar Worte verändert werden, so hat das für diesen Zwek nichts zu sagen.
Wegen des Lehrbuchs denke ich alles in Weimar oder Jena selbst abzumachen. Man lies’t ja wohl eine oder 2. Wochen Prolegomena, u. unterdeßen können schon ein paar Bogen gedrukt werden.
Durch Gotha werde ich nur reisen! Der gute liebe Geisler! Ich habe natürlich glauben müßen, daß er durch die Nachricht, daß ich Verfaßer einer gewißen Schrift sey, eben nicht sehr mein Freund habe werden können. Aber dennoch bin ich sein Verehrer desto mehr, u. in jedem Falle. Ueber die Profeßor Politik bin ich allerdings Herr Voigts Meinung. Ich will Leuten, denen zu Dienste ich gewiß nicht den Ruf erhalten habe – Sie nennen in Ihrem Briefe Einen – nicht die Freude machen, zu sagen: Seht Ihr, es ist Euch recht, hättet ihr hübsch nach unserm weisen Rathe gefragt, so wäre es so nicht gekommen. – Ich kenne ferner Jena, u. die darüber herrschende Publicität nur zu gut; und kann sie kennen, weil ich selbst oft in der weitesten Entfernung, gewußt habe, was die dortigen namhaften Gelehrten in Ihren [/] Cirkeln sprechen. Jedes Wort des angegaften Mannes ist da wichtig, und wird durch Briefe, und Reisende an alle Ecken, wo die teutsche Sprache gesprochen wird, herumgetragen, verbeßert, neu aufgelegt, mit Zusätzen, und Anmerkungen versehen. Es bleibt dabei nichts übrig, als die gröste Zurükhaltung gegen nicht ganz genau bekannte, und vielleicht der Anschein einiger Frivolität. Ich weiß dies alles so gut, daß ich es schon längst manchem Gelehrten in Jena hätte sagen wollen, wenn er mich gefragt hätte. – Daß ich allenfals wohl unter dem Scheine der Frivolität, recht gut beobachten, und meine Geschäfte treiben kann, habe ich, seitdem ich ein wenig bekannt worden bin, auf Reisen mit mir selbst versucht: und ich weiß sehr gut, daß von jezt an ich noch mehr der Gegenstand der Gaffer seyn werde. Aber Glük zu! – Mein Geheimniß unter uns!
Ich weiß, daß Reinhold ein edler Mann, und daß er mein Freund ist. Was mein Verhältniß gegen Schmid anbelangt; so werden Sie ohne Zweifel eine gewiße Erklärung, u. eine gewiße Gegenerklärung im I. B. d. A. L. Z. jezt gelesen haben. Er hätte wirklich etwas klügeres, und [opportuneres] beginnen können, als diesen Ausfall. Ich werde ihm weder öffentlich, und noch weniger heimlich, ein Leid zufügen: aber ich wollte wetten, daß er darüber verlieren wird, und daß mein Benehmen gegen das seinige abstechen wird.
Mein SchwiegerVater, der würdige Greis, und meine Frau empfehlen sich herzlich Ihnen, u. Ihrer würdigen Gattin. – Ich, u. alle freuen sich darauf bald bey Ihnen zu seyn
Leben Sie wohl. Ganz
der Ihrige
Fichte.
Von Bischof u. der Fr. v. Koppenfels höre ich nichts?
Verzeihen Sie die Eile mit der der Brief geschrieben ist. Ich habe noch garviele zu schreiben.
N. Sch. Mit unsern Briefen hat es eine sonderbare Bewandniß. Schon ist der meinige an Sie auf der Post, u. ich erwarte ihn eben zurük, um dieses Blatt noch hineinzulegen; denn in dem Augenblike erhalte ich die Ihrigen.
An Voigt kann ich heute nicht schreiben. Haben Sie die Güte mir darüber Verzeihung zu erbitten u. ihm zu melden, daß ich lesen würde
privatim.
1.) Ueber theoretische Philosophie
2.) allgemeine praktische Philosophie. NB. allgemeine, weil in meinem System die praktische Philosophie ganz etwas andres wird, als sie bisher war
publice.
2. Stunden. Moral für Gelehrte.
Recht bald bitte ich mir Ihre Antwort über das aus, was ich Ihnen über das Programm, und über das Lehrbuch schreibe. Die Stunden kann ich erst in Jena bestimmen; am schwarzen Brete, mithin nicht einmal im Programm.
Ueber Herrn Voigts Erhöhung freue ich mich innig. – Bekommt er den Titel Exzellenz? Haben Sie ja die Güte, mir das zu melden.
Daß Ihr Herzog nicht mehr Preußischer General ist, habe ich nicht gewußt: aber es thut meinem Herzen sehr wohl. Onkle und Neffe könnten in den jetzigen Umständen eine That thun, die ihre Namen über Gustav Adolph, u. Bernhard von Weimar setzen würde. Sie könnten Friede gebieten; und Teutschlands Freiheit auf Jahrhunderte sichern.
An der Insurgenz der Schweizer ist kein Wort wahr. Dieses Gerücht ist ganz sicher in boshaften Absichten ausgestreut, und kömmt aus der vergifteten Quelle alles gegenwärtigen Unheils in Europa. [/]
Eben erhalte ich noch mehr Zeit mit Ihnen noch ein längers zu schwatzen, indem man mir den Brief erst in einer halben Stunde von der Post zurükschiken kann.
Die Besorgungen, um die ich Sie bat, können Sie freilich in Weimar nicht gut übernehmen. Aber wird sie Hufeland übernehmen wollen, und können? Doch haben Sie die Güte ihn in meinem Namen herzlichst zu grüßen, ihn um Verzeihung zu bitten, daß ich ihm nicht schreibe, indem ich mit meinen Vorlesungen, und mit Redaktion meines Systems sehr viel zu thun habe. Ich werde noch ein paar stürmische Monate in Zürich verleben. – Wollte, u. könnt er – Hufeland [,] ohne seinen Nachtheil etwas in meinen Angelegenheiten thun, so haben Sie die Güte, ihm meine Wünsche zu überschreiben.
Es freut mich, daß die Recension des Aenesidemus Aufmerksamkeit erregt, und daß die Art, in der ich von Reinhold rede, Ihren Beifall hat. Ich gestehe, daß ich schon lange in Verlegenheit war, wie ich mich gegen diesen großen Selbstdenker, und würdigen Menschen würde zu benehmen haben; da ich ihm gerade heraus widersprechen, und die Unzulänglichkeit seines Systems zeigen muste. Jezt aber glaube ich von dieser Seite völlig sicher zu seyn. Ich hoffe, daß wir beide der Welt das Beispiel geben werden, das die Philosophie ihr noch immer schuldig geblieben ist, das Beispiel zweier Männer, deren jeder seinen Weg gerade fort geht, und die sich dennoch herzlich schätzen, und lieben.
Ueber Kants Geist hinaus giebt es keinen Raum mehr für die Untersuchung: ich bin völlig überzeugt, daß er die Grundsätze, die ich deutlich und bestimmt aufstellen will, dunkel allen seinen Untersuchungen zum Grunde gelegt hat; über seinen Buchstaben hinaus aber hoffe ich kommen zu können; und es scheint mir dabei eine solche Deutlichkeit zu gelingen, daß die Zürcher mich recht sehr gut faßen. – Ich glaube, das heißt etwas gesagt.
Meinen Lavater halten Sie nur in Ehren. Für ihn bräche ich wohl Lanzen, die ich für mich selbst noch nicht gebrochen habe. Er ist der scharfsinnigste unter meinen hiesigen Zuhörern. Der Mann ist so vielseitig, und hat dem Publikum leider bis jezt immer seine schlechteste Seite hergeboten, daß nothwendig jeder, der ihn nicht ganz kennt, an ihm irre werden muß. Kennen Sie ein Gespräch: Ueber Seyn, u. Schein, Wahrheit, u. Irrthum pp: das an Blinden vom Berge steht; in der Weidmännischen Neuen Sammlung der besten prosaischen Aufsätze der Teutschen aber wieder abgedrukt ist; dies hat mich zuerst auf ihn aufmerksam gemacht. Wenn Sie es haben können, so lesen Sie es doch.
Meine Frau will selbst schreiben. Ich muß es wohl zulaßen: kann ich doch durchstreichen! [Johanna:] Empfehlen Sie mich verehrungswürdiger Freund! Ich hoffe Sie hoffe Sie so nennen zu dörfen [,] Ihrer Theuren Frau Gemahlin, und sagen Sie Ihr, daß ich mich auf Ihre Freundschaft innigst freue, und versichert bin, daß ich in Ihrem Schäzbahrem Umgang, alle meine Zürcher Freundinnen ersezt finden werde.
Sie werden bey meinem persöhnlichen Bekanntschaft gewis finden, wie sehr mein Fichte, im ganzen Sinn des Worts Philosoph sein müße, daß Er eben mich wählen konnte. Muß ich nicht Gott aus der Fülle meines Herzens danken, daß der Theure so dachte, sonst wär ich nicht die Glükliche, welche ich im izt im ganzen Verstände des Worts bin.
Leben Sie wohl! und vergönnen Sie mir die frohe Hoffnung Ihrer beyderseitigen Freundschaft. [/]
[Fichte:] Was soll ich nun dazu sagen? Ich muß es nun wohl stehen laßen. Was geschrieben ist, ist geschrieben.
Mein alter Vater empfiehlt sich Ihnen herzlich. Unter die angenehmem Umstände bei dieser Veränderung mit mir, gehört der gewiß oben an, daß dieser Vater, den wir nie verlaßen haben würden, mit wahrem jugendlichen Muthe sich zu dieser Reise entschloßen hat; und daß er durch die Aussichten auf Jena wieder verjüngt wird. Unsere Angelegenheiten sind in so gutem Train arrangirt zu werden, daß sich, wie Sie ohne Zweifel von Herrn Voigt werden gehört haben, mein Plan geändert hat. Ich reise nicht wieder zurük, sondern meine Lieben kommen mir bald nach.
Die ausgesezten 100. rthr. Reisegeld wünschte ich bei meiner Ankunft in Weimar, das ich ohne Zweifel paßiren werde, heben zu können.
Ich bin mit voller Hochachtung u. warmer Freundschaft ganz
der Ihrige
Fichte
Metadata Concerning Header
  • Date: Mittwoch, 2. April 1794
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte · , Johanna Fichte
  • Recipient: Carl August Böttiger ·
  • Place of Dispatch: Zürich · ·
  • Place of Destination: Weimar · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 2: Briefe 1793‒1795. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1970, S. 89‒94.
Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • Classification Number: Mscr. Dresd. h 37, Bd. 48, Nr. 82
Language
  • German

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