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Johanna Fichte to Johann Gottlieb Fichte

Zürich d: 7: Maj 1794
Du Einziger!
Wie dankt Dir meine ganze Seele, daß Du mir von Dutlingen aus schriebst; wie dank ich Gott daß Du gesund und wohl bist; welch innige Freude machen mir Deine Briefe, Du mein Theurster! wenn sie mir immer nur melden daß Du gesund bist, so wird das mein einziger Trost, meine einzige Erquikung sein, u bleiben, während dieser traurigen Trennung; ich halte mich so, daß Du gewis zufrieden mit mir sein wirst, denn wenn Thränen mich fast erstiken wollen, so jage ich sie zurük, und sie müßen weichen, wenn finstre Traurigkeit mich umhüllt, denn wo ich hinblike, finde ich den nicht, welchen meine Seele sucht, finde nichts als Leere, Einöde, und tiefes Dunkel, denn ermahne ich mich, raffe mich auf, und spreche, ich habe auch ein Ich in mir, welches gebieten kann, und gebiet[en] soll; Vättercher und ich, zanken mit einander, wer Dich mehr liebt, Er, oder ich, denn wenn man Deinen Namen nennt, so sind Thränen in seinen Augen, und ist Ihm in der Welt nichts über seinem Fichte, dies thut mir wohl, und weh, denn das Weinen schadet unserm guten Vatter sehr, und ich bitte Dich Theurster, auch ein Wörtchen wegen diesen Thränen zu reden, denn Dein Wörtchen gilt mehr als tausend meiner Worte: Hier schik ich Dir einen Brief von Danzig, welchen Du vielleicht nothwendig haben mußt; Gorani war Sonnabends bey uns, und läßt Dich herzlich grüßen, das thun auch alle Zürcher welche uns kennen, dies sagt man mir so oft als man [von] mir den Kopf sieht; denn sie hatten Dich wirklich lieb, und achten Dich sehr.
Dem armen Gorani scheints immer wahrscheinlicher, daß er nie mit Sicherheit in sein Vatterland zurük kehren könnet und wünscht sehr [/] angelegentlich, daß Du Theurster ihm einen sichern Zufluchtsort in Jena ausmachest; ich sagte, daß ich gewis versichert sey, Du werdest Dein möglichstes thun; auch hier ist seines Bleibens nicht mehr lange, denn lezten Donnerstag wurde vor Rath ausgemacht, daß alle Fremden welche nicht in Fabriquen arbeiten, oder sonst eine Beschäftigung hätten, wegen ihren Aufenthalts hier befragt würden; mein guter Vatter wird morgen zu einigen dieser Herrn, welche über diese Sache bestimmen, gehn; und sein möglichstes thun, damit der gute Mann sich noch ein paar Monathe hier aufhalten könne, welches er zu wünschen scheint.
Wir hatten das lezte mahl einen Comischen Spas mit ihm; wir redten von Päßen; Ey sagte ich; mein Lieber Mann hat mir einen Pas gelaßen, vielleicht könnte er Ihnen dienen; ich holte ihn geschwind, daß ich nun gleich drauf gefallen war, ihm, wenn ich könnte damit zu dienen freute ihn sehr; er frug mich gleich drauf, haben sie keine Schwester, wohl sagte ich in Koppenhagen ist sie, bey unserm Onkeln, nun die muß meine Frau werden sagte Er, ich will hinreisen und sie sehn, sehn ob sie mich lieben kann; wir mußten ihm von ihr erzehlen [,] wir sagten was ein Vatter, und eine Schwester mit Anstand sagen können, die [Idee] Neveu von [Klopstok], Schwager von Fichte, und Schwiegersohn, eines so Rechtschaffnen, und guten Manns wie mein Vatter sey, (so drükte er sich aus,) zu werden wie auch eine so liebe Schwester zu bekommen; schiene ihn sehr zu reizen; dies alles war Spas, wärs Dir lieb Theurster, wenn aus diesem Spas jemahls Ernst werden könnte? Doch ich glaubs kaum, daß Ernst draus werden könne, wenn Gorani auch nicht spasete, und wirklich hingienge, meine Schwester scheint mir eine zu kalte Seele zu sein, sie war als junges Mägdchen sehr schön, ists vielleicht noch, es wurd ihr immer geschmeichlet, dies machte sie sehr eitel, und gab ihr eine behagliche Genügsamkeit, [/] welche ihr alles ersezt, doch ich kenne sie nicht mehr recht, und habe auch hierüber mehr als zu lange geschwazt; wie es Dir Theurste Seele gehe, das, und das allein intreßiert mich; ach wär auch der glükliche August schon da, wo ich meinen Ewig geliebten Mann wieder umarmen kann; und ihm nur den hunderttausendensten Theil von dem sage, was meine Seele für Ihn fühlt.
Siehst Bester, ich habe nur ein kleines Blättchen genommen, und dies darf nicht einmahl voll geschrieben werden; ich weiß wohl warum; auch wär ich sehr neugierig, welchen von diesen 3: Briefen Du am ersten liest; ich wette, und bins gewis, den aus Danzig zuerst; aus den natürlichen Grund, weil Du den Inhalt der beyden andren schon wißen kannst, und doch thuts mir weh, so natürlich es auch ist, oder Dich wenigsten scheint; gestehe mir auch aufrichtig Bester, ob ichs nicht erathen habe.
Diesen Augenblik erhalt ich eine Geldgruppe, muthmaßende es sey Geld für die Uhren; öfnete ich, und siehe Dein Freund Fritsche schikt 50: Gulden an Silbermünze, welches durch seine Schwehre einen starken Port machte, mich freuts daß der Mann sich als einen ehrlichen Kerl zeigt; ich möcht ihn aber bitten, daß er Dir das übrige nach Jena in Gold schike; der Beyliegende Brief wird von Deinen Lieben Bruder sein; nun bekömmst Du ein ganz Pak Briefe, wenn die Beantwortung derselben nur nicht auf meine Unkosten geschieht, so bin ich zufrieden. Vielleicht bekomm ich morgen einen von Dir Theurster, das gebe Gott! Schlaff recht wohl!
Mitwochen Morgen, diesen Augenblik erhalt ich Deinen theuren Brief aus Stugardt, dank Dir tausendmahl Beste Seele daß Du mir troz Deiner Reisebeschwerlichkeit, und troz aller Lorbeeren die Dir gestreut worden, dennoch schreibst, bist Du einmahl an Ort und Stelle, so will ich Dir herzlich danken, wenn ich nur alle 14: Tage einen Brief bekommen kann, und ich will Dir alle 4: Wochen schreiben, länger vermag ich aber nicht zu [/] warten, wenn Dus gleich vielleicht wünschest; und meine Briefe das Poostgeld nicht werth sind, so kann ich doch meinem Herzen nicht länger Gewalt anthun. Dieser Brief muß nun vort; Lebe wohl Bester! es umarmt Dich mit ganzer Seele Deine Dich ewig Liebende Frau. J. Fichte. tausend tausend Grüße von Vätterchen, und allen die Dich, und uns kennen.
Metadata Concerning Header
  • Date: 6./7. Mai 1794
  • Sender: Johanna Fichte ·
  • Recipient: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Place of Dispatch: Zürich · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 2: Briefe 1793‒1795. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1970, S. 103‒106.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 91
Language
  • German

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