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Johann Gottlieb Fichte to Johanna Fichte

Jena, d. 4. Jun. 1794.
Liebe, gute theure Seele,
Ich habe eben, ohnerachtet meiner vielen überhäuften Geschäfte ein Stündgen, das ich, weil ich abgespannt bin, dazu nicht anwenden kann, und das ich zu nichts beßerm anzuwenden weiß, als dazu, um ein wenig mit Dir zu plaudern. – Viel neues wüste ich seit meinem leztern Briefe Dir eben von meiner Lage nicht zu erzählen. Der Train geht fort wie er angefangen hat. Allenfals ist das neu, daß ich mich nun schlechterdings über Hals, u. Kopf in die Arbeit werfen muß, wenn ich mit Ehren bestehen will; denn es hat sich manches gesammelt. Sei aber darum nur nicht besorgt um meine Gesundheit; ich bin sehr wohl, und gesund, u. hoffe es zu bleiben. Komm nur bald, damit manches sich ändere, was mir jezt lästig ist.
Eine Frau habe ich nun ausgefunden, deren Freundschaft ich Dir wünsche. Es ist die Geheime KirchenRäthin (erschrik nicht ob des Titels; der Titel gilt hier nichts, und ich gelte als simpler Profeßor hier soviel als irgend einer) Griesbach: eine Frau von geläuterter Erfahrung, und bewährten gesunden Menschenverstande, eine gute Wirthin, und die den Ruf des rechtschaffensten Charakters hat. Ich habe sie sehr lieb gewonnen, und sobald ich sie wieder sehen werde, werde ich Dich ihr im voraus empfehlen. – Es ist auch, wie man mir neuerlich erst von ohngefähr gesagt hat, hier eine Tante von Dir, Schwester von Klopstok, die mit dem ehemaligen vor mehreren Jahren verstorbnen Hofrath Schmidt, Profeßor der Rechte allhier, verheirathet gewesen; welche aber beide sehr übel zusammen gelebt, und vorlängst geschieden worden. Ich weiß nicht, ob Papa davon weiß. Ich habe es nicht gewußt, und fahre fort es nicht zu wißen, und ich wünschte, daß wir es immer fort, auch wenn Du daseyn wirst, nicht zu wißen brauchten; denn nach allem ist das, besonders der seelige, ein sehr elendes Paar gewesen. [/]
Von Oekonomie wollte ich Dir auch schreiben. – Ich habe mir berechnen laßen, was es kosten würde, wenn man sich, versteht sich neu, vollkommen möblirte (man ist hier von Geschmake guter Möbeln) und es kommt mit Tisch= u. Trinkgeschirr ohngefähr auf 1000 rthlr:d (1500 fl.) Schreib mir darüber bestimmt Deine Gedanken: ob Du soviel aufwenden füglich kannst, u. willst? Ferner würde es nöthig seyn, sogleich oder baldigst etwas, d. h. um wenigstens ein paar Zimmer zu Michaelis moblieren zu können, ferner etwas Küchengeschirr, u. Tafelzeug anzuschaffen. Bei [eurer] Ankunft aus dem Traiteur Hause zu eßen, geht nicht. Ich selbst werde es kaum bis dahin aushalten. Ohnerachtet ich jezt bei dem vornehmsten u. theuersten Speise Wirth eße, kann ich doch kaum das Eßen ertragen; u. ich würde mir sogleich selbst eine Köchin miethen, u. die Wirthschaft anfangen, wenn ich soviele Theilnehmer zusammenbringen könnte, daß der Verlust nicht zu groß wäre. Ich denke ferner, wenn Du es erlaubst, meine jezige Speisegesellschaft nach Deiner Ankunft in meinem Hause fortzuspeisen. Besonders der Profeßor Woltmann, von dem ich Dir denk ich geschrieben habe, schließt sich so an mich an, daß er sogar gern bei mir wohnen möchte. Ich habe noch kein Logis: ich habe aber Eins im Vorschlage, worüber ich in einiger Zeit Nachricht erhalten soll. – Alle diese Dinge, d. i. Möbels, Küch, u. Tischgeschirr, würde ich nicht unmittelbar selbst besorgen, (denn ich bescheide mich gern, davon nichts zu verstehen) sondern die Besorgung einer von meinen, u. Deinen künftigen Freundinnen auftragen. Schreib mir auch darüber Deine Gedanken, u. besonders, ob [/] wann, und wie viel Geld Du mir, im erforderlichen Falle zu diesem Behufe etwa schiken könntest? Starke Auslagen kann ich nicht machen. Ich habe höchstens 300 fl. liegen, brauche beständig Geld zum Leben, u. kann mich nicht ganz entblößen. Zwar könnte ich immer von meinem Verleger Vorschuß haben; aber wenn Du es hergeben kannst, so ist es beßer. Wenn Du für neue Louisd’or starkes Agio solltest geben müßen, so rathe ich nicht, welche mitzubringen. Sie, u. die Laubthaler stehen hier so ziemlich gleich. Aber Friedrichs’dor oder alte Louis’dor. (à 5. rthr. Conventionsgeld) sind hier profitabel. Aber dergleichen habt ihr dort nicht. Ich kann Dir also über diesen Punkt keinen paßenden Rath geben. Bring was Du hast.
Künftigen 2ten Pfingstfeiertag denke ich einige Meilen von hier bei der Fr. v. Koppenfels zuzubringen. Leider hat sich mir eine große Gesellschaft aufgedrungen, die mir den meisten Genuß rauben wird. Das ist hier nun so; u. wenn unter 2. Uebeln zu wählen ist, so ist es beßer, daß man sich uns aufdringe, als daß man uns fliehe.
Gern hätte ich mehr hinzugesezt. Aber ich habe den Brief zurükgelegt, in der Erwartung ein Stündgen zu finden, um ihn zu füllen. – Jezt wird die Post bald abgehen und ich muß in’s Kollegium. Ich siegle also, u. grüße Dich herzlich.
Der Deine
F.
An
die Frau Profeßorin Fichte
gebohrne Rahn
zu
Fr. b. Schaffhausen
Zürich.
Metadata Concerning Header
  • Date: Mittwoch, 4. Juni 1794
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Johanna Fichte ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Zürich · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 2: Briefe 1793‒1795. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1970, S. 126‒128.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 97
Language
  • German

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