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Johanna Fichte to Johann Gottlieb Fichte

Zürich d: 5: Juillet 1794:
Geliebter Mann!
Ich muß an diesem glüklichen Montag mit meinem Theursten plaudern; ich nenne ihn einen glüklichen, weil ich am Sonnabend einen so lieben Brief von Dir erhielt; nun bin ich die ganze Woche froh, und vergnügt; [daß] viele viele verdrießliche Zeug, was ich hier immer habe, ficht mich nun wenig an: Aber warum sagst Du liebster, ich soll Dir das Geld schiken wenn ich wolle? und nicht wenn ich könne? denn dies ist doch der Fall; ich habe, wenn ich Deine Antwort zurük bekomm, nicht mehr als diese armen 400: Gulden bey einander; hät ich die bestimmte Summe, wir blieben keinen Augenblik länger hier, und ich hät Dir alles so herzlich gerne geschikt; aber eben das verwünschte Metal macht mir hier so viel Verdruß, hält mich so lange hier, macht mich halb krank; wenn ich jemahls die armen Bedürfniße der Menschen verwünscht habe, so hab ichs izt gethan; da man ohne diesen Quark, welches man Geld nennt, nichts anfangen kann; und drum muß ich ausharren.
Gestern war von 1: bis 8: Uhr ein Prof: Fabricius aus Kiel mit seiner Frau bey uns; Papa hatte den Mann, bey der Gesnerinn gesprochen, drauf kamm die Frau auch zu uns, um die nahen Verwandte Klopstocks kennen zu lernen, und sein Bildniß zu sehn; die Fr. ist seit ihrem 14: Jahr eine Freundinn, und Bewunderinn Klopst: drum muste ihr Papa die ganze Zeit von ihm, und seiner selligen Frau erzehlen; die ersten Stunden, glaubten wir eine pretenciöse, und auf Gelehrsamkeit anspruchmachende Frau vor uns zu haben; sie wurde aber nach und nach herzlich ,vertraut, und ohne pretention; so daß wir beym Abschied, als gute Kinder mit einander waren, denen es weh thut, sich zu trennen; auch versprachen sie uns, in Jena zu besuchen, bey ihrer heimreise, welches sie vorher nicht im Sinn hatten, weil sie bey ihrer herreise dort gewesen waren. 2: Söhne haben sie dort, welche die Medicin Studieren; sie reisen fast alle halb Jahre, und sind so beyde fast in ganz Europa herum [*] [/] gereist; sie wurde mir recht lieb, denn sie scheint ein gefühlvolles Herz zu haben; nicht daß sie empfindle, oder die gefühlvolle macht, sondern ich glaube sie besizt wirklich dieses Herz: Sie erzehlten uns von Jena, daß es uns gewis dort gefallen werde, man redte auch von der Schüzin, und sie sagte Fichte ist verliebt in sie: eine Addreße hat sie mir an eine Prof: gegeben welche Du Theurster mir nicht genannt; diese war eine intime Freundin der Reinholdinn, und drum hat sie sie besucht; und sie mir als eine vortrefliche Frau geschildert, mit einem Herzen voll Gütte, und milde; welche mit einem Madonagesicht, nur für Ihren Mann und Kinder in der Stille lebt; ich habe ein gutes vorurtheil für diese Frau; denn mit einem solchen Gesicht, keine Eitelkeit haben, um Eroberungen zu machen, im verborgnen Leben, das verspricht gewis was guts: Sie sagte mir ganz bestimmt, das ist gewis eine Freundinn für sie, denn sie haben gewis auch mehr Geschmak, an häußlichen Freuden, als an Geräuschvollen. Ihr Mann scheint ein determinierter Mann zu sein, der ganz Dèmocrat ist; und alle französischen Blätter durchstänkert, und vergleicht; er rühmt Reinhold, als einen vortreflichen Mann von Caracter, von dem man in Kiel viel erwarte; er glaubt aber, daß die dortige Universität sich doch nicht vergrößern werde, weil es dort teuer Leben ist; Dich Theurster sagt er, in Weimar gesehn zu haben; und glaubt Du seyest ein großer Mann; und ich sage, Du bist ein rechtschafner, ehrlicher brafer Mann, der auch gut, und herzlich sein kann, und ist; dies kann wohl niemand beßer wißen, als ich, der die Triebfedern Deiner Handlungen, nicht verborgen sind. Leutp: Schultheß will uns einen Brief für Dich mitgeben, er grüßt Dich herzlich, so wie die andren; besonders grüßt Dich tausendmahl Vätterchen, der Dich gewis herzlich liebt; nicht nur weil ich Dich so innig Liebe, sondern um Dein Selbst willen, ohne andre Rüksichten[.] Du Gute, mir so Theure Seele, von diesem Papier nehm ich abscheid bis Sonnabend. [/]
Mitwochen.
Du theurster Engel! wie gütig bist Du; am Sonnabend ein Brief, am Mitwochen drauf einer; ich möchte Dir vor Freuden die Füße küßen, Du Guter; was das für ein Freudenfest, für Vätterchen, und mich ist kann ich nicht beschreiben; wenn Deine lieben Briefe kommen.
Wie es mit dem Geld hier steht, hab ich Dir Bester in den beyden lezten Briefen geschrieben; mehr als die 1500: f: weiß ich hier nicht zusammen zu bringen, wenn ich auch noch jahr und Tag drauf laurte; denn verliehren müßen wir hier, dies ist leider nur zu ausgemacht; und ich kann mir gewis nicht Vorwürfe machen, daß ich nicht alles mögliche gethan habe, um dem Verlust zu entgehn, es ist aber nicht möglich. Was den Kauf des Hauses anbetrift; findst Du dieses thunlich Theurster? ich weiß nicht ob es gut ist in ein brenbares Stük, Geld zu steken? hätte man Geld, so wäre Land ja immer beßer, welches immer seinen Werth behält, und durch kluge Behandlung am innern Werth zunimmt:
Auch wegen der Tischgesellschaft, ist in den vorigen Briefen geredt: freylich ist man zum arbeiten in der Welt, und ich arbeite gerne; aber eine zweklose Arbeit, von deren Niemand Freude hat, thu ich besonders auch um der nachzuholenden Geistes Bildung gar nicht gerne.
Was Pr. Woltmann anbetrift, wenn er Dein Freund ist, so wird er ja auch der unsrige werden.
Ich will mir über Jena gar keine Vorstellung mehr machen, als die, daß mein Fichte dort ist, und das ist genung: daß für den guten Vatter ein Getränk wird zu finden sein, freut mich sehr.
Wenn ich wegen der Sch: eifersüchtig wäre, so müßt ich allen Verstand verlohren haben; überhaubt ist mein fester Vorsaz es niemahls zu werden; und sollte ich so unglüklich sein, es mit Grund zu werden; so hab ich mir so sichere Regeln gegen mir selber, darüber fest gesezt, daß ich mich izt nicht mehr vor mir selber fürchte.
Der Schüzin muß man ja viel Obligation haben, da sie viel Mühe über sich nahm, und die will ich ihr auch gerne haben, und möchte [u.] kann [/] auch gerne gut mit ihr bleiben; ich versteh es nicht recht, wie sie sein muß, daß es sich schwer in die Länge gut [mir] ihr sein läßt, ich denk sie entwirft sich, ehe sie ihre Leute kennt, Pläne, und wenn diese nicht durchgehn, so heißt gute Nacht. Klug ist dieses doch nicht, denn was kommt zulezt dabey heraus? Ists denn auch wirklich ehrenvoll, mit ihr gut zustehn? Ihre Tochter sagt man, ist ein schönes 13: jähriges Mägdchen, und in diesen Jahren entwirft sie schon Proiecte, wie sie verheurathen? das ist doch sehr früh: ich glaube sie hat einen unruhigen, intriganten Kopf, welcher beßer an einem Hoff placiert wäre, wo ein großer Spiel’raum für ihm wäre. Wenn Du mit Gewisheit voraus siehst, daß mit der Sch: muß gebrochen werden, und ihr Umgang im Grund nicht ehrenvoll ist; so bitt ich Dich inständig, thu dieses vor meiner Ankunft ab; denn daß ich ihr nichts sein kann, ist ausgemacht, und daß ich nie das mindeste Zutraun in ihr haben kann, auch.
Daß ich meine simple Friesur, die einzige welche allen Gesichtern gut steht abändern muß, thut mir weh; doch nein, das ist ja im Grund sehr gleichgültig.
Du sagst mir Bester nie, obs auch Freunde der Musik dort giebt, ob Du jemand kennst der Clavier spielt; das wär eine große Freude für mich, denn ich Liebe die Musick sehr, sie macht so froh, und heiter; und das bin ich so gerne; wie viel kostet ein mittelmäßigs Clavier dort? sag mirs auch Lieber.
Eure Herren Haushaltung macht mich zu lachen, das ist was Lustigs: nur um eins bitt ich dabey: daß man das Mägdchen nicht auf lange Zeit engagiere; denn ich weiß was das vor verwöhnte Mädgchens sind, welche eine Herren haushaltung bedienen; Herren die sich nicht ums innere bekümmern können, aus ihrer Studierstube heraus: und dieses Mägdchen mich lieber hinter alle Berge wünschte, als meine Ankunft hörte: ich bin gewis gerne gut, und aus Grundsäzen gut, aber ich laße mich nicht gerne an der Nase herumführen, und das willst Du auch nicht. Hier das Briefchen von Lavater. Gesner kommt auf die Herbstmeße nach Jena.
[* unter einem Querstrich] daß dieses Blat so verkehrt wurde, ist schuld daß man mich immer weg ruft.
Metadata Concerning Header
  • Date: 30. Juni bis 5. Juli 1794
  • Sender: Johanna Fichte
  • Recipient: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Place of Dispatch: Zürich · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 2: Briefe 1793‒1795. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1970, S. 166‒170.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 102
Language
  • German

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