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Johanna Fichte to Johann Gottlieb Fichte

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ich Deinen Brief vom 30 Juni erhielt.
Zürich d: 12: Juillet 1794:
Nun will ich einen Augenblik zu meinem liebsten Geschäft, das ist, meinem Fichte zu schreiben; das fange ich allemahl an einem Montag an: schon oft hab ich fragen wollen, ob Du auch Baadest? Theurster! dies thät Dir doch gewis sehr wohl; Du sagst ich solle wegen Deiner Gesundheit ruhig sein, und doch kann ichs nicht recht; denn Du schreibst mir gar zu oft, wie entsezlich viel Du zu arbeiten habest, welches ich mir wohl vorstellen kann; und drum auch nicht ruhig sein kann; wie ists auch möglich daß das in die Länge gehe? was ists denn dran gelegen, ob man etliche hunderte mehr, oder weniger zu dèpensieren habe? und Deine Ehre leidet doch nicht das geringste drunter; Du bleibst immer Fichte; ob man’s nun ein Jahr früher, oder späther so ganz erkenne, wer der Fichte ist, was wird Dir dran gelegen sein; kannst Du doch dem Menschen mehr nüzen, wenn Du Dein Leben nicht durch zu vieles Arbeiten abkürzest; und das ist doch eigentlich Deine Absicht. Was mein Herz bey diesem abarbeiten leidet, davon will ich gerne schweigen.
Die vorige Woche war ein junger Arzt aus Stugardt bey uns, welcher sehr Deine Bekanntschaft wünscht; er ist ein so eifriger Dèmocrat, daß er vor 4. Jahren wieder den Willen seiner Eltern nach Paris gegangen ist, und als sie ihm kein Geld mitgeben wollten, so lebte er anfangs bey Waßer und Brodt; nun ist er für einige Zeit hier, und geht denn wieder nach Paris; er arbeitet mit andren Freunden an politischen Schriften; aus Königsberg hat ihm ein Freund geschrieben, daß Deine Schrift über die Revolutionen, dort sehr viel aufsehn gemacht, und Beyfall habe, bey den Großen viel Schmehlen’s verursache; daß man’s für ein vortreflich’s Werk halte, [das] ganz unwiederlegbar sey: Der gleiche Freund hat ihm geschrieben, daß Kannt von der Profeßer Stelle entsezt sey; wegen seinen Democratischen Grundsäzen; wenn dies wahr ist, so deucht es mich ganz abscheulich, und eine wahre Schande für Deutschland: [/] einem solchen Greis, noch sein Brodt zu nehmen, und ihn so beschimpfen zu wollen: Profeßer Kramer ist auch aus gleichen Gründen, von der denischen Regierung abgesezt. Der Keiser soll in Frankfurth gesagt haben, er sehe wohl daß mit den Franzosen nichts anzufangen sey, und er wüste nicht, warum man mit Frankreich nicht Frieden machen könne, habe man sich zu seiner Zeit mit Cromvel verstehn können; man weiß aus sichern Nachrichten, daß die Franzosen, auf Amsterdam los gehn. Dein Buch über die Revolution, sagte er sey von einem Lucerner übersezt, der noch einen Mitgehülfen genommen (Er selbst schien mir der Mitgehülfe zu sein.) und werde nächstens heraus kommen.
Mir ists immer Frankreich könne, wenn einmahl Ruhe und Orndnung dort herscht, ein Zufluchts Ort für uns werden; denn sezt man einen würdigen Kant ab, der bey seinem hohen Alter keine Partie mehr machen kann, noch das mindeste Zeichen gegeben, daß er eine zu machen die geringste Lust habe; was läßt sich von so tollen Regierungen erwarten? Freylich ist Deine Lage mein Bester anderst; der Herzog macht sich nun eine Ehre draus solche Männer zu haben; er weiß daß die Universität drunter litte, wenn er sie absezte; er wird aber auch wohl gemerkt haben, daß Du ein entschloßner, und unternehmender Mann bist: sollte Friede werden, daß Gott geben wolle, wer weiß welche tolle Masregeln die Großen denn nehmen; drum wünschte ich schon in meinem vorigen Brief, daß Du Theurster in Jena nichts kaufest, denn ich glaube nie, daß wir unser Leben dort enden.
Schmehle nun nicht Theurster, über mein Geschwäz; ich sage Dir so gerne schriftlich, als mündlich meine Gedanken, damit ich, wenn ich irre, zurecht gewiesen werde; und dieses werde ich so gerne von meinem Fichte; den ich herzlich Liebe; und der Gute giebt sich gerne diese Mühe, das weiß ich. Adieu Bester, bis Sonnabend. [/]
Der Sonnabend ist da, ein Brief gekommen, in welchem Du ein recht böses Fichtchen geworden bist: Laß uns gute Kinder sein, Lieber! es thut dem Herzen wöhler, und macht dem Verstand gewiß keine Schande.
Silberne Löffel haben wier 14: einen ServierLöffel dazu; 13: Theelöffel: 25: paar silberne Meßer, und Gabeln, von denen Du welche gesehn, die Facon zahlt man hier gewis teurer, als dort, drum bestelle ich keine, ich habe drüber nach gefragt.
Der junge Arzt hat mir einen Brief an Dich gegeben, ich konnts ihm nicht abschlagen ohne unartig zu sein: er scheint ein sehr guter, sanfter Mann zu sein, voller Muth, und Entschloßenheit.
Der Schulzin Brief war sehr freundschaftlich, und hat mir Freude gemacht.
Wier haben hier eine sehr abmattende Hize; ists bey Euch so heiß?
Die Beyden Abschriften Deiner Vorlesungen, sind auf der Welt; ich habe gleich eine an Bagessen geschikt, mit einem kleinen Brief. Die andre will ich Rahn schiken, nach Abrede.
Ich weiß allso woran mich izt halten, und bin froh drüber daß ichs weiß, wenn uns Unwahrheiten über Dich sollten zu Ohren kommen; der Neid hekt Allerhand aus; und wie kann man diesem zuvor kommen? Lavater hasts in einem andren Fache auch erfahren;
Wir haben erstaunen müßen, wie Du es anzustellen weißt, Dir 6: Louid vom Boogen zahlen zu laßen; das gestehe ich, das hat ja in Deutschland noch kein Gelehrter erlebt; wie ists auch möglich?
Daß Du eine gute Köchin hast, freut mich sehr, wie auch daß Du mit Deinem Haushaltungswesen zufrieden bist; ich will auch gerne sehn, was das Mägdchen für ein Geschöpf ist; gute Köchinnen, sind die meiste Zeit böse Menschen; aus Phisischen [/] Ursachen, weil sie durch das beständige Leben beym Feuer, gerne trinken, und denn Toll sind. 
Tommann ist da gewesen, hart mir den Kopf voll geschwazt, und meine Zeit geraubt; nach aller Berechnung kommts noch am wolfeilsten mit ihm, drum wollen wir nun einen schriftlichen accord mit ihm schließen.
Diesen Brief muß ich nun auch schließen, denn die Zeit ist dahin; Lebe wohl Lieber Theurer Fichte! den Kopf hast mir freylich in Deinem lezten Brief unbarmherzig gewaschen; ich wills nun verschmerzen. Am Montag sez ich mich ja wieder zum schreiben, Gott sey mit. Deine Dich herzlichliebende Fichtin.
Sey nun wieder gut mit mir Theurster! es ist mir sonst nicht wohl.
Metadata Concerning Header
  • Date: 7. bis 12. Juli 1794
  • Sender: Johanna Fichte
  • Recipient: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Place of Dispatch: Zürich · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 2: Briefe 1793‒1795. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1970, S. 171‒174.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 103
Language
  • German

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