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Johanna Fichte an Johann Gottlieb Fichte

Zürich d. 9: August. 1794:
Theure Seele!
Wenn ich schon am Sonnabend keinen Brief von Dir erhalten habe, so muß ich doch zu diesem Papier eilen, und mit Dir mein Bester ein wenig schwazen; dies soll, und wird mir eine kleine Freude gewähren; zu einer Zeit; wo ich ihr so sehr bedarf, wo die lange Trennung von meinem Fichte, mir ganz unausstehlich wird; wo es mir manchsmahl ist, als würds ichs nicht erleben, die glükliche Zeit, wo ich Dich wieder in meine Arme schließe, an mein Herz drüke; wenn ich sie noch erlebe, diese glükliche Zeit, das wird mehr als ein Hochzeittag für mich sein; ich werde beym ersten Blik, wo ich Dich Bester sehe, wieder rufen c’est lui! c’est lui! wie ich auf der Brüke zu Eglisau rief, und mir fast ohnmächtig würde.
Gestern ist einer von Baggesen seinen Reisegefährten da gewesen, mit welchen Du Theurster Beym Rappen gegeßen; dieser hat Baggesen die umständliche Nachricht Deinentwegen in Jena mitgetheilt; und hat mir von der Schüzin viel unrühmlichs erzehlt; wie sie als eine leichtvertige Commediantin gekleidet komme, wie sie eine der ärgsten Coquetten, und noch mehr als das sey; wie sie dort von Niemand geachtet noch geliebt werde; wie sie auf eine niedrige Weise, Auffelands Frau, verläumde, und lächerlich mache, weil der Mann nichts mehr mit ihr wolle zu thun haben; und wie die Tochter, in die unwürdigen Fußstapfen der Mutter trette; dieses ist gewis eine unrühmliche Schilderung, und stimmt so ziemlich mit dem überein, was uns schon andre von ihr erzehlt haben, daß ich fast glauben muß, es sey nicht die geringste Ehre drin, mit ihr in naher Bekanntschaft zu stehn. [/]
Die Reinholdinn sagte er, sey eine gute Frau, welche aber nicht zur Haushaltung erzogen sey; drum ihren Mann auch nicht gut gehaushaltet habe; Reinhold sey ein Brafer, sanfter, gefühlvoller Mann, dem man in Anfang nicht ganz habe Gerechtigkeit wiederfahren laßen, man habe ihn nicht genung gekannt; auch habe er erst gegen Ende in Weimar gegolten.
Dieses sind die Urtheile eines Manns, der ein warmer Freund von Baggesen ist, und an Ende des Herbst, mit ihm, und seiner Frau nach Italien reist.
Ach möchte dies der lezte Brief aus Zürich sein, den ich Dir Du Bester schreibe, möcht ich über 8: Tage mit meinem Theuren Vatter auf der Reise sein, das gebe doch der Liebe Gott; ich hoffe mich in aller Absicht, auf der Reise zu erholen, denn ich habs wirklich nöthig.
Der gute Vater hat mich noch mit 2: schönen Ringen besche[n]kt der eine ist ein simpler von Gold, der andre auch von Gold, und unter einem schön geschlieffenen Cristal, ist ein F: und R in einander geflochten, von feinem Gold, auch hab ich noch Kleider in Menge von ihm bekommen, weiße hab ich nun 12. gemacht und ungemachte: so daß ich hoffe, die Einhüllung meines Cörpers, werde uns lange lange nichts kosten.
Mit Tomman ist der Accord schriftlich geschloßen, des Tags à 3 t: 20 s dafür muß er sich, und sein Pferd ernähren, und uns fahren, der Retour wird ihm zu 12: Tagen gerechnet, und in gleichem Preis; wenn ich die hin, und Rükreise aufs höchste rechne, macht 33: Tage, bringt 115: t. 20: s: Gott gebe nur, daß wir glüklich zu Dir kommen. [/]
Sonnabend:
Es ist wieder kein Brief von meinem Fichte gekommen, nun sinds 14: Tage seit dem ich den lezten erhielt; dies ist der lezte, welchen ich in Zürich schreibe, denn d: 15: dies vereise ich in Gottesnamen; mein Lieber Vatter ist schon seit ein paar Tagen, auf Winterthur vereißt, um sich ein wenig zu erholen, denn das viele Gewühl hier von aller art, mancherley verdruß, wegen den Prozeßen, haben ihn sehr geschwächt, so daß er sehr Erholung bedurfte, um die Reise antretten zu dörfen: er logiert beym Pfahrer dort, welcher unser Freund ist, der Graff Rehlin hat die Freundschaft gehabt, ihn zu begleiten, und ist nun zurük. hat mir die Nachricht gebracht, daß der Gute sich ziemlich erheitert habe.
Um den 2ten Prozeß, welcher auch noch Jahre lang gedaurt hätte, los zu werden, hat man sich gütlich verstanden, mein Vatter hat die Hälfte gezahlt, welches 96: t: waren.
Wenn ich aber keinen Brief von meinem Fichte, in Zürich mehr erhalte, so weiß ich doch nicht recht was denken; Ich will nicht klagen, Gott gebe nur daß Du Bester gesund seyest!
Diesen Augenblik erhalt ich Deinen Brief vom [27:] Juli, Du klagst daß Du nichts bestimmetes von meiner Abreise erfährst, nun da ich schreibe, wirst Du schon alles wißen, denn ich habe am 26: Juni bestimmt darüber geschrieben, und den Tag angezeigt, und auf diesen Brief, kann ich noch in Zürich, am 13: 2: Tag vor meiner Abreise einen Brief erhalten; früher konnt ich den Tag der Abreise unmöglich bestimmen, weil so viel zu thun ist immer, und ich nicht vereisen wollte, ehe die verwünschten [/] Prozeße in orndnung waren; und ich nicht eine unbestimmte Zeit melden mochte:
Wir wünschten doch sehnlich, (so viel Ehre auch vielleicht dahinter steken mag.) daß uns Niemand entgegen kämme, als unser Theurer Fichte; denn alle andren Menschen sind uns von ganzem Herzen lästig; und sie werden doch so viel Menschenkenntniß haben, um dies fühlen zu können?
Die Zürcher haben nicht den geringsten Neid, weder gegen Dich, noch uns, sondern wünschen uns allen, mit aufrichtigem Herzen viel guts; eher haben sie Besorgniße wies uns gehn werde; die Zürcher sind, von Seite des Herzen’s keine so schlechte Menschen.
Da wir d: 15: vereisen, des Tags ungefehr 7: oder 8: Stunde machen, so kannst Du Bester schon berechnen, wenn und wie, wir Briefe unterwegs bekommen; ich kenne die ReiseRoute nicht, so viel ist gewis, daß wir den aller kürzesten Weg nehmen, hierüber, wegen empfang der Briefe unterwegs, hab ich Dir d: 26: Juni geschrieben.
Izt muß ich schließen, denn es stürmt alles um mich herum, Deinen Brief hab ich nicht ganz lesen können, sondern nur erst halb errathen: Lebe wohl Du Theurster!
ganz Deine Fichtin
Briefkopfdaten
  • Datum: um den 6. bis 9. August 1794
  • Absender: Johanna Fichte ·
  • Empfänger: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Absendeort: Zürich · ·
  • Empfangsort: Jena · ·
Druck
  • Bibliographische Angabe: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 2: Briefe 1793‒1795. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1970, S. 191‒193.
Handschrift
  • Datengeber: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Signatur: B 106
Sprache
  • Deutsch

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