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Johanna Fichte to Samuel Gotthelf Fichte

Jena d. 25. Nov. 1794.
Theurer Bruder!
Mein theurer Mann, welcher Sie herzlich grüßt, hat mir aufgetragen Ihnen zu schreiben; dies Geschäft hab ich gern übernommen, nicht daß ich gerne Briefe schreibe, (denn seitdem ich nicht mehr an meinem Fichte zu schreiben habe, ist mir das Schreiben höchst unangenehm.) sondern weil Sie der Bruder meines Lieben Mannes sind; und weil ich glaube daß Sie auch ein Edler, rechtschaffener Mann sind; da habe ich sie nun schon recht lieb, ohne Sie eigentlich zu kennen; auch freue ich mich auf die Zeit, wo Sie zu uns kommen, und bey uns wohnen, recht innig; da ist mein guter rechtschaffener Vatter, seine Kinder, und Sie unser Bruder; da werden wir oft, so stille, geräuschlose Freuden, welche dem Herzen wohlthun, in unserm Hause mit einander genießen; wie wir lezten Sonnabend eine hatten; es war nämlich meines guten Vatters 75. Geburtstag. Der Himmel war uns so günstig, daß wir spazieren fuhren, in der lieben Natur herum schwärmten; und am Abend, unter herzlichen [/] vertraulichen Gesprächen bey einander saßen, wo uns denn innig wohl war; auch ist mein theurer Fichte, so ganz zu diesen herzlichen Vertraulichkeiten gemacht; daß man sich in Ihn verlieben muß; nun stellen Sie Sich vor, wie’s mir armen Geschöpfe dann geht? da ich Ihn schon sonst herzlich Liebe; meine Liebe geht dann in Anbetung über.
Ich merke nun wohl, daß ich Ihnen beständig von meinem Lieben Mann vorgeschwazt habe; Sie lieben ihn ja auch, drum kann Ihnen das nicht unangenehm seyn; und ich wünsche Ihnen theurer Bruder, zu seiner Zeit, auch eine weibliche Seele, die Sie so einzig liebt; und wenn Sie wollen, so wollen wir Diese zu seiner Zeit, ja zu seiner Zeit, vergeßen Sie dieses nicht, gemeinschaftlich suchen. Nun will, und muß ich Ihnen Behüte Gott sagen; denn ich habe mehrere Briefe zu schreiben, Dieser muß mich für die unangenehmen welche ich noch zu schreiben habe schadlos halten; Leben Sie wohl! mein guter Vatter grüßt Sie herzlich; das gleiche thut Ihre Schwester
Johanna Fichte.
Wir haben Ihren 2. Brief auch erhalten. Mein Mann wird Ihnen nächstens schreiben.
Herrn Fichte:
bei Herrn ConRektor Thieme.
frey
in
Meissen.
Metadata Concerning Header
  • Date: Dienstag, 25. November 1794
  • Sender: Johanna Fichte
  • Recipient: Samuel Gotthelf Fichte
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Meißen · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 2: Briefe 1793‒1795. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1970, S. 219‒220.
Manuscript
  • Provider: Handschrift verschollen
Language
  • German

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