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Christian Gottlob Voigt to Johann Gottlieb Fichte

Weimar den 2. Dec. 794.
Ich danke Ihnen verbindlich, hochzuehrender Herr Professor, daß Sie Ihre Sorgfalt für akademische Zucht und Sittlichkeit mit mir theilen wollen. Herr Smith hat mir den statum caussae erzählt, und ich habe diesem würdigen jungen Mann, da er Ihr Freund und Vertrauter ist, ohne Bedenken meine Gesinnung darüber eröffnet, bis auf einen Gedanken, den ich zu Ende dieses Blattes vorlegen will. Zu einer akademischen Hof Commission, wenn es schnell damit gehn sollte, ist bey der Sache deswegen sogleich nichts zu thun. Einmal von der politischen Seite; der hiesige Hof kann in academ. Disciplinar Sachen für sich allein ohne Concurrenz, der übrigen Höfe, nichts dergleichen thun. Deren Einstimmung müste erst eingeholt werden, wie ehemals, als man den Ordens zu Leibe ging. Zweytens von der juridischen Seite; um dergl. Commission auszuwirken oder zu ertheilen, [/] müste die Sache einigermaßen durch Anzeige glaubwürdiger details ec actenmäßig vorbereitet seyn.
Ich weiß also nichts anzurathen, als daß man die gute Stimmung zu erhalten und zu befeuren sucht; daß ich inzwischen, wenn Serenissimus zurückkommt (was zu Ende der Woche geschieht,) eine Berathschlagung veranlasse, was zu thun ist und daß ich alsdenn einmal persönlich mit Ihnen weiter über die Sache spreche.
Wenn ich H. Smith recht verstanden, so ist die Idee diese: Eine Commission hält denen Ordensschuldigen ihre Sünde vor und sagt, was sie verdient haben; jene capituliren alsdenn, gegen Straflosigkeit, ihre Verbindungen aufzugeben, mit der Zusage, sich nicht wieder damit abzugeben, ec
Das wäre denn zur Erreichung des [/] Zweckes recht gut. Die Commission könnte sich auf den Erfolg etwas zu Gute thun etc. etc.
Aber wie wäre es denn, Werthester, wenn Sie darauf arbeiteten, sich dieses significante Verdienst selbst zu verschaffen? Wenn Sie nach und nach die jungen Leute dahin vermöchten, aus eignem Antriebe, ohne vorhergehende Drohung oder Zwang, Etwas zu thun? Das wäre doch edel und ehrenvoll gehandelt!
Sie müsten, zum Beyspiel, es in Ihre Hände geben, bey dem Herzog anzuzeigen: „Es wären bekanntlich sogar durch ein ReichsGesetz diese Verbindungen verboten ‘und mancherley Strafen darauf gesetzt worden. Da sich demunerachtet eine ansehnl. Zahl in diesen Verbindungen befänden, [/] so hätten Sie nicht unterlassen können, durch Vorstellungen dagegen zu wirken. Dieses habe nach und nach den guten Erfolg gehabt, daß Ihnen sämtl. Mitglieder der Ordens Auftrag gethan, anzuzeigen, wie diese Verbindungen freywillig aufgehoben, die Schriften ausgeantwortet und ein Versprechen, dergl. Verbindung nicht wieder einzugehn, abgelegt werden solle; jedoch unter Versicherung einer Amnestie für das Vergangene.” ec
Diese Amnestie würde nun gar kein Bedenken finden; der große Beyfall der Höfe würde Ihnen auf dem Fuße nach folgen; die jungen Leute würden wegen Ihrer schönen Handlung in ganz Deutschland gepriesen werden, etc. etc.
Dieses ist aber vielleicht mehr Wunsch als Möglichkeit [.] Ihnen traue ich mehr zu, als gewöhnlichen Menschen, Nehmen Sie das zu Herzen. Ich bin immerfort
Dero sehr geeigneter G Voigt
Metadata Concerning Header
  • Date: Dienstag, 2. Dezember 1794
  • Sender: Christian Gottlob Voigt
  • Recipient: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Place of Dispatch: Weimar · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 2: Briefe 1793‒1795. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1970, S. 222‒223.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 109
Language
  • German

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