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Johann Gottlieb Fichte to Christian Gottlob Voigt

Es thut mir leid, mein Verehrungswürdigster, daß abermals die Form sich eindrängt in die Erfüllung eines guten Zweks. –
Vergeben Sie die Freimüthigkeit, mit der ich mich erklären werde. Ihnen, Theuerster, gilt kein Wort von dem, was ich sage. Wenn ich es nur mit Ihnen zu thun hätte, wäre alles dies nicht zu sagen.
Es sind nicht 14. Tage, da Sie mir bei diesem Vorschlage schrieben, seine Ausführung sey fast unmöglich; aber Sie trauten mir auch – so drükten Sie sich gütigst aus – mehr zu, als gewöhnlichen Menschen. Ich habe ihn geschwinder ausgeführt, als Sie mir haben folgen können.
Und wodurch habe ich diese Gewalt? – denn wer mit Studenten, u. Orden bekannt ist, der weiß, daß ich wirklich das unmögliche ausgeführt habe. – Dadurch, daß man mich für einen Mann von Wort, u. Ehre anerkennt. .
Vergeben Sie – Sie haben hier keinen Profeßor, durch den Sie so eine Sache hätten ausführen können; dem Ministerium traut der Student nicht, und den Fürsten – am allerwenigsten.
Ich hätte die Studenten vielleicht dahin bringen können, daß sie mir offen, und zu jedem beliebigen Gebrauche ihre Namen übergeben hätten. Ich glaubte nicht, daß das nöthig sey, und ich wollte ihr Vertrauen nicht in Versuchung führen. Ich habe demnach das Verzeichniß versiegelt empfangen, und nur mit ihrer Bewilligung kann es entsiegelt werden. [/]
Ob unter diesen Siegeln die Namen wirklich stehen, oder nicht, zu zweifeln, ist mir bis auf Erhaltung Ihres Briefs nicht beigefallen, u. fällt mir auch jezt nicht bei. Sie haben mir ihr Ehrenwort darauf gegeben, daß die Verzeichniße aufrichtig sind, und wenn ich ihnen nicht glaubte, so wäre ich werth, daß sie mich betrögen. – Ich will indeßen auf ihre Ehre hin, meine eigne Ehre zum Pfande einsetzen, daß die Verzeichniße richtig sind. (Gerade dadurch, daß man mit den Studenten umgeht, als ob sie nichts taugten, taugen sie nichts. Ich habe mit guten, u. schlechten zu thun; und noch hat keiner mir einen schlechten Streich gemacht; denn ich behandle sie als Ehren Männer, und dann sind sie es)
Eben so die Bücher. – Wir wißen wohl, was in Ordens=Statuten gehört; und das ist darin: und sie haben mir ihr EhrenWort gegeben, daß sie richtig sind. – Es stehen warscheinlich Griff= u. Wort=Hieroglyphen u. dergl. darin; diese bringt der Ordensmann nicht vor fremde Augen. Es ist genug, und mehr als genug, wenn er sie dem Feuer übergiebt. – Abgerechnet das Verzeichniß der ehemaligen Mitglieder. Diese Besorglichkeit macht ihnen große Ehre – „Es wird davon kein Gebrauch gemacht werden” – Ich glaube es: aber das glaubt kein Student. Und hier handle ich in ihrem Namen. (Ich habe leider bei dieser Gelegenheit erfahren, wie sie über Große denken. Es wird mir Zwek seyn, sie darüber zu berichtigen. Aber dazu bedarf ich der Unterstützung, und die gegenwärtige Anforderung unterstüzt darin mich nicht. Könnten wir doch von den gesezlichen Formen zuweilen einwenig abgehen, und uns wie Menschen den Menschen einander nähern.) [/]
Bliebe die Sache unter dem Herzog, und Ihnen, ich lieferte das Verzeichniß, und glaubte das Siegel unter meinem Beschluße zu haben. Aber zu den Akten kann ich daßelbe nicht geben.
Trage doch die Gesammt Regierung dieses Geschäft einem andern auf! Wenn er es nur gerade soweit bringt, als ich es gebracht habe, so will ich ein gemeiner elender Mensch seyn.
Es ist die Rede von Legitimation – Wohl, so halte man sich doch an Mich; so schike man doch die Commißion für Mich. Ich stehe gewiß Rede.
Ich will mich gern – diese Menschen verdienen es, und ich habe Ihnen noch lange nicht gemeldet, wie sie sich edel benommen – ich will mich gern für sie dem Gerichte einstellen. Komme die Commißion; versichere sie vor der Hand nur Mich der Amnestie, und es ist alles gemacht.
„Die Commißion muß die Bücher sehen, um nicht getäuscht zu seyn.” Wenn z.B. ich der Commißion versicherte, daß es die wahren Bücher wären? Ich weiß, daß sie es sind.
Die Sache mit Otto ist eilend.
Die Unitisten haben mit mir nicht unterhandeln wollen; und ich finde nach der Hand, daß sie ganz Recht haben. Ich werde mit ihnen auch nicht, und überhaupt in dergleichen Dingen nicht mehr unterhandeln, und wünschte nur, daß dies vorüber wäre. .
* * *
Ich lese diesen Morgen wieder durch, was ich gestern Abend sogleich nach Erhaltung Ih[/]res Briefs niedergeschrieben. Ich sollte dies vernichten, und mich anders ausdrüken. Mag aber doch immer dieser Ausdruk meiner Empfindungen stehen bleiben, zu einem lebendigen Gemälde, wie die Sachen liegen.
Können die Akten nicht angefangen werden, ohne daß ich ein wenig wortbrüchig handle, so mögen sie lieber gar nicht angefangen werden: Da die Herren so ehrlich sind, wie sie es für diesmal sind, so müsten wir allenfals sehen, wie wir unter uns die Sache abthäten.
Sollte jenes vorgeschlagene Memoriale von mir, mit der Versicherung, daß alle diese Dinge in meinen Händen sind, nicht so rechtskräftig seyn, als ein paar mit unbekannten Namen beschriebne Zettel. – Das wäre doch wohl zur Legitimation für die Untersuchung genug. Es kann dem nach nur noch von meiner Legitimation die Rede seyn. Diese müste man mir freilich indeßen auf mein Wort glauben, und nicht annehmen, daß ich an den Herzog einen Brief voll Lügen schriebe.
„Man scheint zu erwarten, daß sich die Studenten selbst melden” Es läßt sich aus der Entfernung ohne alles eigne Zuthun gar viel erwarten; aber nur der, der selbst am Orte ist, und in der Sache arbeitet, kann beurtheilen, was ausführbar sey. – Ich weiß nicht, ob man vorher auch nur soviel erwartet hat, als bis jezt sich doch zu Tage legt.
Ich behalte bei dieser Lage der Dinge heute noch das Memorial zurük. – Ich erwarte, daß man mir das Beilegen der Namensverzeichniße erläßt. Ich kann den Studenten nichts weiteres zumuthen, ohne eine gute Sache zu verderben.
Ich bitte nochmals um Verzeihung über meine Aeußerungen. Sie, Verehrungswürdiger, sind ein würdiger edler Mann. Denken Sie sich in meine Lage. Sie würden in derselben gerade so handeln; und gerade daßelbe wenigstens empfinden. – Ich weiß auch, daß Sie meine Handlungsweise im Herzen billigen werden; daß Sie nicht erwartet haben, daß ich anders handeln werde, und daß Sie bloß das, was die Form der Sache, nicht aber Ihre Ueberzeugung heischte, vorschlagen –
Mit Hochachtung der Ihrige
Fichte.
Metadata Concerning Header
  • Date: 16./17. Dezember 1794
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Christian Gottlob Voigt
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Weimar · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 2: Briefe 1793‒1795. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1970, S. 232‒235.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 114
Language
  • German

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