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Johanna Fichte to Johann Gottlieb Fichte

Theurste Seele! Ich schreibe Dir früh morgen’s, nach einer schlaflosen, unruhigen Nacht; nicht durch Studenten beunruhigt, diese haben uns seitdem für einmahl nichts gethan; sondern Weishun, hatte den entseztlichsten Hipoconder, Beängstigungen, sagte beständig nun werd er gleich sterben: nun mußte in der Nacht zum Arzt, auf die Apothect, zum Balbier, und Niedhammer geschikt, 3: Clistire gegeben werden xxx. gestorben ist er nicht, wird auch ohne unerwartete Zufälle nicht sterben, aber immer sehr lange krank sein, und uns das Leben sauer machen.
Gleich nach Deiner Abreise gieng ich zu Loders, und an mehreren Orten; erzelte was vorgefallen; Loder war sehr freundschaftlich, besuchte mich auch wieder, versicherte mir was die andern auch thun, daß man alles mögliche thun [werde], um die Thäter herauszubringen[.] Lo: wünschte sehr, wenn Du einige Data angeben könntest, damit man auf die Spur komme: man muß sehr dagegen arbeiten, daß nicht der Thon einreiße, als wärs ein lächerlichs Betragen von Dir, daß Du ein andres Schiksahl verlangest, als die andren Pro: hätten: auch sind in der gleichen Nacht, an 5: andren Orten [Fenster] eingeschmißen worden; auch sagt man in den Ferien gebs immer Lerm, durch Studenten welche nicht gerne zahlen: Niemand hab ich hier, als Deinen wahren Freund gefunden denn Pr: Paulus, welcher fast allein, die Sache aus dem wahren Geschichtspunkt ansieht; und sehr wünscht, der Hoff, möchte derb seine Meinnung sagen, sonst [/] werde, wenig, oder nichts vorgenommen werden, um dem Unwesen zu steuren: Er räth mir, nicht vortzugehn, die Leute aber im glauben zu laßen daß ich gehe: nun sag ich allgemein, daß so bald Weishun beßer sey, ich auch vereisen werde, nun aber einen Sterbenden im Hause nicht allein laßen könne, geschehen wird, was Du mein Bester willst, das versteht sich.
Einliegenden Brief öffnete ich, weil er von Vogt kamm, und ich dachte, Du werdest mündlich vernehmen, was drin stehe, da Du aber niemand gesehn, so schik ich ihn Dir.
Diesen Augenblik komm ich von Weishun, welcher wünschte, daß ich immer bey ihm säße; nun anfängt mich eine Leichtsinnige zu nennen, weil ich an seinem heutigen Sterben nicht glauben will, auch nicht drüber weinen kann; bis izt hat er mir wenig Achtung eingeflößt, ich sehe obs nicht beßer kommt.
Schreib mir doch Theurste Seele, mit der ersten Poost; wies Dir geht, wie Du Dich befindest, was Du auf die Zukunft machen willst, ob Dir dort in aller Absicht wohl ist; und was möcht ich nicht noch alles gerne wißen! von meinem Fichte.
Woltmann sagte, Er beneide, daß Du so in Ruhe leben könnest; ich antwortete ihm, er solle nur Deinem Be[i]spiel folgen; es kamm drauf heraus daß ers doch [/] nicht wagen möchte: auch sagte er, dieser universitäts Lerm werde bald vorüber gehn; dies seyen so Stürme, die kommen und wieder gehn, daz sey einmahl nichts zu machen; dies sagte er mir vor Studenten; man hört so ganz die weisem Sprache Pr: Hufelands aus seinem Munde: Ich fand unter allen die ich sprach, Niemand als Paulus; welcher, wenn Du ihn zu Deinem Freunde, und Vertrauten machst, gewis sich als Mann zeigt; und willst Du Dich nicht schriftlich mit ihm einlaßen, weil Briefe immer gezeigt werden; so schreib mir was Du ihm zu sagen wünschest; er scheint Zutraun, und Achtung für mich zu haben. Ich scheine Dir vielleicht in diesem Briefe ängstlich; mein Lieber das bin ich nicht; ich wünschte aber so sehnlich, daß die Sache, ein ehrenvolles Ende für Dich nähme:
Ich komme wieder von Weishun, welcher ein wirklicher Zürcher Schalk ist; und welchen ich mir 1000: Schritte vom Leibe halten werde; denn sonst kommt ihm noch der Comische Einfall, mich regieren zu wollen: auch sein ewigs Geschwäz vom Sterben, kommt aus Schalkheit; denn er glaubt sich denn berechtigt, beisende Grobheiten zu sagen; welch ein wunderbahrer Mensch!
Lindner hat mir gesagt, daß man wahrscheinlich die Thäter heraus bringe, daß der Senath ernstliche Masregeln nehme, daß eine Commission herkomme, um die Unitisten aufzuheben; daß Schmidt, und der andre Professor schriftliche [/] ordre vom Hofe habe, den Orden’s zu Leibe zu gehn; daß es heiße der Herzog wolle, daß die Orden’s aufgehoben werden; und Ordnung hergestellt werde: daß die Commission, und der Senath einander helfen werden, um’s zu Stande zu bringen: dies sind, schöne Aussichten für die Zukunft, wenn man Wort hält, und Consequent handelt.
Ich schreibe Dir Bester so alles durch einander, wie ich was erfahre; Ich habe hier im Hause durch den Weishun ein sehr unruhigs Leben, auch werden wir wieder eine sehr unruhige Nacht haben; ich muß, und will alles mögliche thun, um nicht selber krank zu werden, auch, leidet mein Vatter sehr, durch diese Nächtlichen unruhn.
Lebe wohl! Du Bester Theurster! Ich drüke Dich an mein Herz. Deine Fichtin.
Schreib mir doch aus Erbarmen gleich.
Rickert sagte mir, er hätte gehört, daß die Academi ein Schreiben werde an Dich schiken, um Dich zum Zurükkommen einzuladen. Ich schreibe Dir Bester so alles was ich vernehmen kann: ich glaube immer es kann nicht schaden, sondern sey beßer. Ich wollte, ich könnte den Leuten glauben machen, Du hättest, schon einen Ruff, auf eine andre Academie bekommen. Vätterchen umarmt Dich tausendmahl:
Metadata Concerning Header
  • Date: Sonntag, 12. April 1795
  • Sender: Johanna Fichte ·
  • Recipient: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Battgendorf (Kölleda) · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 2: Briefe 1793‒1795. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1970, S. 284‒288.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 133
Language
  • German

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