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Johann Gottlieb Fichte to Karl Leonhard Reinhold

An Reinhold.
Ich habe von Zeit zu Zeit eine Antwort von Ihnen erwartet, u. wollte Ihnen erst dann sagen, was ich Ihnen nun jezt sagen will. –
Ich höre auf eine Art, die mich berechtigt, anzufragen, daß Sie in Ihrem Conversatorium – versteht sich <als> die Sache [Ihnen] erst bekannt wurde – (als [Sie] erst glaubten Ursache zu haben mis vergnügt über mich zu seyn [)] – <öfter Klagen> über mich vorgetragen hätten.–. ich habe mich nicht erkundiget in welchem Tone; ich kann ihn aber aus Ihrem Briefe an mich ohnschwer schließen.
Ich sage nicht, daß Sie es gethan haben; aber ich finde mich berechtigt eine positive Antwort, u. wenn es Ihnen gefällig seyn sollte, umständl. Antwort von Ihnen darüber zu erwarten.
Ist die Sache – wie ich indeß um nicht <wieder> dahin zurükkehren zu müßen – als einen mögl. Fall annehmen will, richtig, so sehen Sie leicht, daß mir das nicht gleichgültig seyn kann. Sie haben nicht meine Lehre widerlegt, was jedem Gelehrten auf seinem Catheder, in seinen Schriften, u. s. f. freisteht, u. [wozu er] das Recht hat, sondern [Sie] haben meinen Charakter angegriffen. Sie haben meine <Celebritet> für ein Verbrechen ausgegeben, bei jungen Leuten, die an Ihnen hängen, die Ihnen glauben <welche meinen> daß den Respekt gegen Sie zu verletzen, an Jedermann ein solches Verbrechen sey, als es an Ihnen seyn würde, u. welch[e für sehr] unrecht halten, was Sie für sehr unrecht ausgeben, u. die den Eindruck der Jugend wohl nie wieder verlieren. Sie wißen von welchen Folgen dies ist; u. daß man dergl. Dinge nie wieder los wird. – Sie haben dadurch meiner Ehre, u. dem Eingange meiner Grundsätze einen unersezlichen Schaden zugefügt[.]
Ich rede nicht von der Moralität dieses Betragens. Durch die <einzige> Entschuldigung u. Geständniß die Sie in Ihrem lezten Briefe thun, sind Sie mir auch darüber entschuldiget: ich habe <Verhetzungen> durch Correspondenz – das Conversatorium fiel mir nicht ein – vorausgesehen, u. schon in versch[iednen] Aeußerungen <hier u. da> bemerkt. Aber wenn Sie Ihre Uebereilung eingesehen haben, so sind Sie verbunden gut zu machen, u. so weit [Sie] können – <wenigstens> den guten Willen zu zeigen, es zu thun – denn Sie können es <war>lich nicht, u. das verzeihe ich Ihnen gern. – Ich überlaße Ihnen die Mittel; sind Ihre Zuhörer noch alle da, so ist die Sache kurz abgethan durch einen Widerruf, u. durch ein freies Geständniß Ihrer Uebereilung ohne etwa über mein weiteres Betragen, u. über <keinen> Brief zu <klagen>. Das verbitte ich: denn ich bin <noch> garnicht mit Ihnen darüber einverstanden, daß ich darin <ein> Unrecht that. . Sind sie nicht mehr alle da, können Sie es vielleicht durch <Briefe> geschehen [lassen] oder wenn Sie etwas anderes wißen, [daß] mir genügen kann.
Ferner erwarte ich darüber Ihren Entschluß zu wißen. . Ich brauche nicht zu wiederholen, daß ich mich auf Ihr bloßes Wort, beruhigen werde.
In dieser Erwartung bin ich mit aller Hochachtung Ihr ergebenster Fichte.
Metadata Concerning Header
  • Date: Mitte/Ende April 1795
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Karl Leonhard Reinhold
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Kiel · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 2: Briefe 1793‒1795. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1970, S. 302‒304.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 318
Language
  • German

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