Single collated printed full text without registry labelling not including a registry

Johann Gottlieb Fichte to Maria Christiana Kobe von Koppenfels

An die Koppenfels.
verehrte Freundin,
denn ich will mich nur dieser Benennung bedienen, da ich eben zu beweisen im Begriffe bin, daß ich Sie nicht im gewöhnlichen, sondern im <wahren> Sinne des Worts dafür halte: denn ich bin im Begriffe einen Schritt zu thun, der mit der hergebrachten Sitte, nicht aber mit Vft. u. Rechtschaffenheit streitet. Ich will Ihnen, indem ich gegen die conventioneile Achtung <völligst> verstoße, einen Beweiß meiner wahren innern HerzensAchtung, die mehr werth ist als jene [,] geben; aber ich habe sehr nöthig, Ihre Meinung, daß ich wenigstens ein ehrlicher Mann sey, für mich in Anspruch zu nehmen, wenn Sie die Sache aus dem rechten Gesich[t]spunkte ansehen sollen.
Es ist heut zu Tage sehr leicht, um den rechtschaffensten Mann herum ein Geweb von Lügen, u. Verläumdungen zu spinnen; jeder den er sieht, spricht, erblikt kann es glauben, wißen, überzeugt seyn: u. das <arme unbefangne> Schlachtopfer allein weiß nicht, was alle wißen .. Sehr selten findet sich ein biedrer Mann, der ehrlich genug ihm unter die Augen zu sagen: <Höre> deßen zeiht man dich. So glaube ich, hat man jezt wer weiß welche Lügen um mich gesponnen, die ich nicht weiß; <unter verborgnen Worten hört man ein Gerede> nicht, das ich erfuhr. Ein Freund sagte mir, daß in Zürich allerhand Gerüchte mein häußl. Verhältniß betreffend herumgingen, die aus Briefen von Weimar, u. Jena kommen sollten. Ich lachte zu der lezten Nachricht, u. goß meinen Abderiten u. Schurken zu Zürich, die ich sehr wohl kenne, das ganze in die Schuh. Jezt erfahre ich von einem zürichischen Manne, daß ich eben doch nicht ganz recht gehabt, u. daß an der Sache doch etwas seyn mag.
Ich habe Gründe, zu wünschen, ‹nur› einmal meinen Verläumdern auf die Spur zu kommen, um auf ein andermal mich in Sicherheit vor ihnen zu setzen. Ich könnte vielleicht von Zürich aus mehr<eley> erfahren; u. werde erfahren: aber ich will die <nähern Quellen>, die ich haben könnte nicht vorbei gehen .. Fragen Sie mich nicht <wer mirs> gesagt hat, ich bin fest entschloßen, die Person nicht zu nennen, denn ich bin überzeugt daß sie nicht verläumdet hat – können Sie mich des Gegentheils überzeugen, so wäre ich <dann> Ihnen <u. wenn Sie wollen>, der ganzen Welt sogleich, zur verdienten Verachtung – also ich habe gehört, u. glaube es ganz, daß Sie [mit] eignen Worten gesagt haben, ich würde mich von meiner Frau scheiden laßen. Verstehn Sie mich nicht unrecht: ich habe nichts dagegen, daß Sie es gesagt haben; Sie hielten die Sache für glaublich, <[Sie] durften auch eigne triftige Gründe› dazu haben: und ich versichre Ihnen bei dem allmächtigen Gotte, daß es mir nicht einfällt Ihnen das zu verdenken. Das Urtheil, das Sie zugleich über meine Frau fällten, verdenke ich Ihnen eben sowenig. Sie ist nicht gemacht, um auf einem <hiesigen angesehenen Schau>platze zu glänzen[,] <in> der <Voraussetzung> möchte sie wohl auch Unschiklichkeiten begehen; und um dieselbe nach ihrem ganzen sehr hohen Werthe zu schätzen, muß man sie lange, u. im häuslichen Leben kennen. Also von dieser Seite fällt es mir [/]
Jenes Gerücht, u. alles was damit zusammenhängt, u. <dazu die Veranlasung gegeben> haben soll [,] ist erdichtet, u. boshafter Weise erdichtet, in der Welt herumgeschrieben, u. herumgesagt, um meinen Charakter, den man auf alle mögl. Art zu verschreyen sucht, auch dadurch zu schwärzen. Ihnen hat es Jemand gesagt .. Haben Sie Entschloßenheit genug nun das gute Werk zu thun mir diesen Jemand zu nennen; versteht sich, mit der Be<rechtigung für> mich <nur> davon Gebrauch zu machen, soweit die Klugheit u. Einsicht einem erlaubt ..?
Ihr Herz, u. Ihre <Gunst> sagt Ihnen das übrige u. ich setze daher nichts hinzu. Ich habe das Zutrauen zu Ihnen, daß ich nicht vergebens dies <gute> von Ihnen hoffe. – Meine Frau weiß nichts von diesem Briefe, u. es versteht sich, daß er immer, so wie die Veranlaßung dazu, unter uns bleibt; <außer> ich erhalte von Ihnen Nachrichten .. Können Sie mir es nicht sagen, so ist diese Anfrage so gut als nicht geschehen u. ich will nicht einmal sagen, daß ich mich in Ihrer Denkart geirrt habe, weil Gründe seyn können, die <Sie nicht wißen>.
Es folgt das 7te Stük der Horen.
Mit innigster Hochachtung der Ihre
Fichte.
Metadata Concerning Header
  • Date: August 1795
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Maria Christiana Kobe von Koppenfels
  • Place of Dispatch: Oßmannstedt · ·
  • Place of Destination: Weimar · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 2: Briefe 1793‒1795. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1970, S. 369‒371.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 333
Language
  • German

Weitere Infos ·