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Johann Gottlieb Fichte to Jens Baggesen

Baggesen. –
Da ich Ihnen lezthin nur ein paar Worte [habe] sagen können, so ergreife ich diese Gelegenheit, Ihnen weitläufiger zu schreiben. Erst jezt erhalten Sie meinen wahren vollen innigen HerzensDank, daß Sie, da ich mit einem Gewebe von Verläumdungen umstrikt war, mir die Augen öfneten. Ich hielt sie selbst für getäuscht, u. konnte mir nicht einbilden, daß von der Gegend aus, wo man durch den Augenschein widerlegt werden konnte, jemand wagen würde, so arg zu lügen .. Die Zürcher aber kannte ich für solche, die wohl fähig wären, daß ich Ihnen wohl zutrauen könnte, etwas, um ihre weise Vorhersehung, u. <die Meinung>, daß [e]s jedem, der ihre Stadt verlaße, nothwendig übel gehen müße, zu unterstützen, Lügen ersännen, u. im Falle des Widerspruchs Beweise erdichteten. Ich weiß, daß Sie über dieses Völklein nicht ganz so denken; aber ich kann Ihnen nicht helfen: alles wozu eine kleine Seele gehört, traue ich den Schlechten unter diesem Völklein gerne zu. Diesmal <scheine> ich mich doch geirret zu haben. Es kann <wirklich> seyn, daß meine eignen Landsleute die größere Bosheit gehabt haben, das widersprechendste zu erdichten, bloß um mich schwarz zu machen.
Es geht mir ein Gewebe der Bosheit nach dem andern auf; nur forsche ich jezt noch vergebens nach den Urhebern. In Absicht der Ursache meiner Entfernung von Jena hat man <mich> wieder durch ganz Deutschland verläumdet; und ich kann noch nicht recht erfahren, was man doch eigentlich sagt.
So ist es mir nun ganz klar, daß zwischen den trefl. Reinhold, u. mich vom Anfange an – ich möchte nur wißen, zu welchem Zwecke – die Verläumdung sich recht angelegentlich gelegt hat. Was man mir von ihm hinterbracht hat, ist das wenigste, vermuthlich, weil man sich mit den Be<richten> nicht an mich getraut hat .. Was ich aber höre, daß in Kiel unter den Reinholdischen Schülern herumgegangen ist – ich bin überzeugt, daß man es eben sowenig an Reinhold zu bringen gewagt – ist so pöbelhaft, so elend erdacht, so abscheulich, daß man kaum begreifen kann, in weßen Schubkärners Gehirn so etwas entstehen können. Ich kann jezt vollkommen begreifen, wie Reinhold sich so benehmen muste, wenn das dumpfe Gemurmel von diesen Dingen bis zu ihm gekommen.
Es ist intereßant hierher zu kommen, um die Tiefe der menschl. Verkehrtheit kennen zu lernen. Reinhold hat glaub ich, ehemals seinen Theil auch davon erfahren; aber er habe erfahren soviel er wolle, so hat er doch [/] gewiß wenig erfahren gegen das jenige, was in so kurzer Zeit schon über mich ergangen ist. Ich muß schlechterdings <Anstalten zu treffen> suchen, sonst sezt eine Rotte, die ich schlechterdings nicht entdeken kann, dennoch nach ihrem Zwek durch, mich vor dem ganzen Teutschland schwarz zu machen. Ich muß suchen an den wichtigsten Orten Correspondenten zu haben, die mir die wichtigsten Verläumdungen, mit muthmaßlicher Anzeige des Urhebers nennen. Es wäre ein <wahrer Gewinn>, wenn mehrere brave Männer sich mit einander zu diesem Zwecke vereinigten, die litterarischen Klatschereien, die das Schiksal des Gelehrten zu dem <elendesten machen>, nieder zu schlagen.
Das abscheuliche ist, daß so selten sich ein Mann findet, der dem <Verläumdeten> unter die Augen tritt; u. daß ganz allein das unglükl. Schlachtopfer nicht weiß, was jedes Kind weiß. –
Ich weiß nicht <wie viel von meiner> W.L. ich Ihnen mitgegeben: hier erhalten Sie die Fortsetzung.
Es war doch nicht schön daß ich Sie vor Ihrer Rükreise nach Dennemark nicht wieder sehen sollte. Wer weiß, wie u wo, und ob wir je uns wieder sehen [.] Bleiben Sie der Freund
Ihres.
Metadata Concerning Header
  • Date: August 1795
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Jens Baggesen ·
  • Place of Dispatch: Oßmannstedt · ·
  • Place of Destination: Augustenborg ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 2: Briefe 1793‒1795. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1970, S. 371‒373.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 333
Language
  • German

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