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Johann Gottlieb Fichte to Johanna Fichte

In höchster Eil, und aller Kürze, weil ich von der Gelegenheit zu spät benachrichtiget werde, schreib’ ich Dir, theure, gute Seele.
Wie geht es Dir? ich höre so eben, daß es wieder Spektakel gegeben hat – doch nichts bestimmtes. Gute Seele; Du wirst wieder Angst gehabt haben. O wer doch diese Teufeleyen endlich zerstören könnte!
Ich bin vorige Woche in Weimar gewesen; das ist das einzige merkwürdige, was ich Dir aus meinem sehr einfachen Leben zu schreiben wüßte. Herdern sprach ich. Er war sehr artig, und redete mir sehr zu, nach Jena zurük zu gehen. Es wurde über meine Angelegenheit mit den Ordens gesprochen. Er äußerte den Gedanken, deßen erster Urheber wohl Goethe seyn mag; man müste diese Dinge ruhen laßen, u. nicht regen. Ich berichtigte sein Urtheil durch eine Bemerkung, die ihm entgangen zu seyn schien, und er schien überzeugt. Deiner wurde mit Lobe erwähnt; er läßt Dich grüßen. – <Der Satan lügt!!!>
Goethe gesprochen. Er war die Artigkeit, die Freude, mich zu sehen, die Freundschaft, selbst; er bezeigte mir ungemeine Achtung. Wir sprachen Philosophie. Von Geschäften kein Wort. „Er hoffe, wenn wir einander in der Nähe blieben, aus diesen, den philosophischen, Dingen, noch sehr viel mit mir zu sprechen[“], – sagte er etlichemal, ohne, daß ich es zu bemerken schien.
Vo[i]gt gesprochen. Er war die ganz zutrauliche Freundschaft, und hatte große Freude mich zu sehen. Hier wurde von Geschäften gesprochen, was denn freilich wohl unter uns beiden – versteht sich unter Voigt, u mir – bleiben wird: zu meiner Zufriedenheit. Einiges habe ich mir vorbehalten bis auf ein anderes mal. Man muß die Leute nicht überfüllen. – Es wurde von seiner Reise, von den Gegenden bei Dreßden gesprochen; u. wie er die Begriffe der Dreßdner Minister über mich, die mich für den leidigen Satan halten, berichtigt, und meine Vertheidigung sehr ernsthaft übernommen; und wie ihnen dies [/] denn auch eben recht gewesen, weil ich doch nun einmal ihr Landsmann bin, und bleibe; wie sehr viele sich meiner persönl. Bekanntschaft erinnert. (Die Chursachsen haben das mit den Schweitzern gemein, daß es sie doch kützelt, wenn aus einem Landsmann, auswärts etwas gemacht wird; und daß sie ihn lieber nicht den Teufel seyn laßen, wenn er es nur irgend darnach macht, daß man ihm noch durchhelfen kann.) Von detaillirten Gerüchten über mich habe er nichts vernommen. – Ich erwähnte des Gerüchts über unser schlechtes Einverständniß. Er habe viel mehr stets das Gegentheil gehört; und mein häusliches Verhältniß unter meine Glükseeligkeiten rechnen hören. Daran sagt man denn einmal die Wahrheit.
Zerreiß diesen Brief sogleich wie Du ihn gelesen hast, und laß seinen Inhalt absolut keinen Menschen, ohne Ausnahme wißen. Du solltest einsehn warum. Dr. Bielfeld hat bei mir vorgesprochen, u. Deinen Brief gebracht. Er wollte auf dem Rükwege zu mir kommen; das hat er nicht gethan.
Mit meiner Haushaltung geht es nun so hin: erbärmlich, und elend genug: aber über Theurung kann ich nicht klagen, wundere mich vielmehr, wie vorher so viel Geld hat aufgehen können, da ich auch nicht köstlicher lebte. Doch dies sey gesagt, ohne Dich bös zu machen. Du bist, u. bleibst eine gute häusliche Seele.
Die Barbel ist – dumm genug; aber herzlich. Sie zeigt Attachement, und herzlich guten Willen; und damit läßt sich ja selbst der liebe Gott abfinden; wie wohl ich nicht immer damit zufrieden seyn will. Seelig kann sie werden, aber für mich nimmermehr eine gute Köchinn.
Den Wein hat derjenige Fuhrmann gebracht, der den Pachter Starke versorgt, und von dem Du diesen Sommer schon 2. oder 3. Eimer genommen. Er sagt, der Pachter, u. seine Tochter, bei denen Du den Ohm, d. i. 2. Eimer bestellt habest, seyen seine Zeugen. Ich habe ihn auf die Bedingung genommen, daß Du es zugestündest, ihm keinen Heller bezahlt, und ihn an Dich verwiesen, daß es ein Ohm war, sah ich erst, nachdem er schon eine halbe Stunde im Keller lag. [/]
Wie geht es dem guten Vater? Grüß ihn herzlich, und alles in Jena, was sich als freundschaftlich gegen mich stellt. Die wenigen, die es wirklich sind, grüße noch herzlicher.
Schreib bald, oder komm lieber selbst. Es ist nicht warscheinlich, daß ich sobald nach Jena komme. Ich habe nicht Zeit dazu: u. es zerstreut mich nur. Ich gefalle mir in meiner Einsamkeit sehr wohl.
Lebe wohl liebe gute. Ich wünsche, daß Du diesen Brief rathen könnest: denn mit dem lesen wird es wohl schlecht stehen.
F.
Donnerstags.
Ich habe durch den lieben Herrn Herbart Deinen Brief erhalten. An einem neuen Tumulte ist also nichts, wie ich höre, doch hat man Ursache auf seiner Hut zu seyn. Die allgemeine Stimmung taugt nichts, und wird nichts taugen, bis an den jüngsten Tag, wie von Herbart wieder recht deutlich [zu] bemerken. An eine förmliche Einladung ist nicht zu denken, und ich wünsche sie nicht. Ich muß mich mit dem kleinen Anhange der vorzüglichen Köpfe begnügen, den ich immer haben werde, und der auf die Dauer die meiste Ehre bringt.
Daß die Truppen je ganz zurükgezogen werden sollten, glaube nur nicht. – Ueberhaupt – ich wiederhole es – ist gar nicht daran zu denken, daß in Jena je Ordnung werden sollte, und wir werden sehr klug thun, unsere Maasregeln darnach zu nehmen.
Warum besuchst Du denn Mereaus nicht? oder wenn Du nicht von Deinem kranken Vater abkommen kannst, so must Du doch hinschiken, u. Deine Ankunft melden laßen. Das sollte sich ja wohl von selbst verstehen? O liebe, liebe, daß Dich doch die Leidenschaftlichkeit immer die guten Sitten vergeßen macht. – Ilgens hättest Du gleichfals besuchen sollen; und, ich bitte Dich, thue es. Was sie seyn mag, was geht das denn Dich an? Sie steht, u. fällt sich selbst.
Noch eine Anmerkung muß ich machen, die ich Dich nicht übel zu empfinden bitte. Begreifst Du nicht, wie elend filzig es aussieht, daß Du eine Gesellschaft suchst, um Deinen Mann in Deinem eignen Hause zu besuchen; eine Gesellschaft, die Dir den Wagen bezahlen helfe, um nach Hause zu fahren; denn das ist es doch. Diese Unschiklichkeit schreit laut; muß jedermann auf fallen; u. Du allein, aus Deiner verdammten Leidenschaft, siehst sie nicht, u. machst Dir, u. mir Schande. – Ich gestehe Dir’s hier durch schriftlich, damit Du es einmal merkst; so sehr ich Dich liebe, und achte, so zittre ich doch immer, sobald ich Dich nicht unter den Augen habe, vor Unschiklichkeiten, zu denen allein Deine geschmaklose Sparsamkeit Dich verleitet. [/]
Dann, was willst Du denn eigentlich bei mir, wenn Du in Gesellschaft kommst, mit ihr kommst, u. gehst. Ich und Du gehören dann der Gesellschaft an, und können uns nur unterbrochne Augenblicke allein sprechen, und Du hast bei Deinem Manne eine Ceremonien Visite abgelegt. Auch das hast Du in der Freude, daß Du dadurch das halbe Fuhrlohn ersparst, übersehen? – Also, ich bitte Dich, bleib mir vom Halse, wenn Du nicht allein kommst; ich will Dich lieber nicht sehen, als auf eine unschikliche Weise sehen.
Gut, Du theure HerzensSeele, will ich gern mit Dir seyn, wenn wir in der Driesnitz den Berg besteigen werden; aber Du must nur nicht solche Unschiklichkeiten machen.
Noch das: traue doch um Gottes Willen keinem Studenten, noch Bürger. Sie sagen nicht, was sie denken. Die allgemeine Stimmung ist gar sehr gegen das Vorgefallne, und wenn das geringste relâchement käme, würden gewiß die gefährlichsten Explosionen erfolgen.
Es ist etwas unartig dem guten Herbart zuzumuthen den Zeiger mit zu nehmen; doch – es sey diesmal. Ich werde durch ihn schiken.
Nimm nicht übel, was ich oben über Deinen unglüklichen Einfall gesagt habe; Du weist, daß ich es herzlich gut meine, und siehst es vielleicht jezt selbst ein, da ich Dich darauf geführt habe, und dann ist ja alles gut.
Mahne Du Woltmann ja nicht. Ich will es schon machen. Noch habe ich keine Antwort von Danzig; aber es ist, glaube ich, noch nicht möglich, eine zu haben.
Metadata Concerning Header
  • Date: 19./20. August 1795
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Johanna Fichte
  • Place of Dispatch: Oßmannstedt · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 2: Briefe 1793‒1795. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1970, S. 376‒379.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 121
Language
  • German

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