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Johann Gottlieb Fichte to Johanna Fichte

d. 2. 7br. 95.
Was ich eigentlich mache, meine Liebe? Ich befinde mich eigentlich ganz wohl, und wollte nur, daß ihr euch drinne in Jena eben sowohl befändet, und Du zu mir heraus kommen könntest.
Der Bruder ist auch wieder wohl. Ich bin vorige Woche den Freitag in Weimar gewesen, u. habe Niemand gesprochen. Vorigen Sonntag habe ich bei der Koppenfels gespeißt, die sich Dir sehr angelegentlich empfiehlt.
Besorge doch beikommende Briefe. Der an Lavater muß sogleich fort, denn es ist preßant. Hast Du Briefe nach Zürich, so kannst Du sie zugleich mit fort schiken, u. den meinigen einschließen.
Wo ist denn Obereit? Ich kann dem guten Manne nicht helfen. Daß er doch das allerbegreiflichste nicht begreifen will; daß er nemlich nie einen Buchstaben von sich gedrukt sehen wird, wenn es nicht für eignes Geld geschieht. Borgen können wir ihm jezt auch nichts; er mag also sehen, wie er dieses Jahr einen andern auffindet, der für ihn thue, was ich voriges Jahr für ihn that.
Empfiel mich herzlich dem Abbé Prunninger, und sage ihm: [/] „sein Brief erfordere ein Nachdenken, das ich noch nicht habe auf wenden können; ich würde es aber in der ersten freien Stunde darauf wenden, und dann, – höchstwarscheinlich noch in dieser Woche ihm antworten“
Von öffentlichen Angelegenheiten habe ich nichts gehört, natürlich darum, weil ich in Weimar niemand gesprochen. Sey Du nur ruhig. Wenigstens entsteht aus diesem allem das Gute, daß ich nicht mehr mein Herz an das Projekt hänge, aus diesen rohen Menschen etwas machen zu wollen, meinen Stiefel schlecht, und gerecht hin lehren werde, Gott gebe nun, daß sie gute Menschen, oder daß sie im Herzen Schälke und Bösewichter seyen. Sonst hielt ich das, was Paulus geurtheilt hat, für eine menschenfeindliche, und von eigner Schlechtigkeit zeugende Unwahrheit; jezt bin ich nahe daran, gerade so zu urtheilen, wie er.
Aber das Kind doch ja nicht mit dem Bade verschüttet! Es giebt doch noch immer so manche trefliche junge Leute unter ihnen. Kurz; ich kann mein Herz doch nicht ganz gegen sie zuschließen, es werde nun daraus, was da wolle. [/]
Du willst immer lange Briefe haben, aber ich wüste wahrhaftig nicht was ich Dir schreiben sollte; außer daß ich Dir gut bin, daß ich Dich wohl gern einmahl sähe, u. s. f. aber das ist so alt. Nun hörst Du es zwar immerfort gern wieder; aber, Du närrische Junge, es ist nicht nur davon die Frage, ob Du es immer wieder gern hörst, sondern auch, ob ich es immer wieder gern sage.
Doch muß ich Dir noch einen Fall von der Barbel vortragen. Ihr ist das Lohn, das sie neuerlich, da sie sich den Abschied holte, erhielt, bis auf einen kleinen Rest, unter den Händen zerfloßen. 12 g. 8 d. habe ich ihr nachgewiesen, daß sie sich um diese von einer Weimarischen Botenfrau betrügen laßen. Da sie gewiß ehrlich ist, so kann das übrige wohl in der Haushaltung durch Ausgaben, die sie nicht berechnet, aufgegangen seyn. Nun habe ich gar keine Verbindlichkeit dies durch ihre eigne Nachläßigkeit verloren gegangne zu ersetzen; aber theils wäre es menschlicher; theils befürchte ich, sie könnte nunmehr darauf denken, sich in den folgenden Berechnungen zu erholen, und dadurch auf immer um ihre Ehrlichkeit kommen.
Nun geht es aber wieder nicht, ihr so gerade zu das verlorne wieder zu schenken. Das kommt heraus, als ob man wohl wiße, [/] daß man sie darum gebracht habe, und jezt nur das entwendete ersetze. Ich überlaße die Sache Dir selbst. Siehe, nach Deiner Klugheit, und nach Deiner diken Freundschaft mit der Barbel, was dabei zu thun ist. Rede mit ihr aus der Sache, und überschreibe mir Deinen guten Rath.
Dein Weinmann, der die zwei Eimer hier abgeladen, hat mich gestern hier wieder bombardiert. „Du hättest ihm Hofnung gemacht, er solle, da in unserm Hause ein starkes WeinConsum sey, unser beständiger Lieferant werden[“], u. s. f. Das hast Du nun gar nicht wohl gemacht. – Ich habe alles an Dich verwiesen, und, so begierig er auch auf Geld schien, wenn es auch nur die Fracht gewesen wäre, ihm keinen Heller gegeben. Ich anerbot ihm seinen Wein wieder aufzuladen; davon aber wollte er nichts hören.
Grüß mir Papagen! wie geht es ihm.
Bhüt Di Gott.
F.
1.) Ein Paket an Gabler, das ich sogleich zu überschiken bitte. Vielleicht erhalte ich Antwort.
2.) Brief an Lavater.
3.) Päktgen an Tripplin / meinen Famulus
4.) Brief an Obereit
Metadata Concerning Header
  • Date: Mittwoch, 2. September 1795
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Johanna Fichte
  • Place of Dispatch: Oßmannstedt · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 2: Briefe 1793‒1795. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1970, S. 394‒396.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 127
Language
  • German

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