Theurster Laveter! Ich kann meines Manns Brief, nicht ohne ein par Zeihlen, von mir vortschiken, denn ich weiß, daß Ihre theilnehmende, menschenliebende Seele, mich gewis nicht, und noch weniger meinen guten Vatter, welcher Sie herzlich grüßt, vergeßen hat: mein Vatter kränkelte schon lange, nun wurde das Übel, welches haubtsächlich im Erbrechen besteht, immer ärger, so daß ich schon seit einiger Zeit in Jena mit ihm bin, wo wir sehr gute Ärzte haben; so daß Er sich seit 2: Tagen wieder anfängt zu erholen: ich danke Gott, da doch die Vorsehung ihm ein sehr beschwerliches Ende zu bestimmen scheint, daß Er sich entschließen konnte mit zu reisen, und ich ihn nun pflegen kann; seine Natur ist unbeschreiblich stark, so daß ich hoffe, Er erhole sich wieder.
Wie befinden Sie Sich, Theurer Mann? Wie Ihre ganze liebe Famillie? Es intreßiert mich sehr, zu wißen. Wie geht es dem guten Zürich? Alle die traurigen Nachrichten von dort aus, haben mich sehr betrübt; Ich fürchte sehr, es gehe in der Länge nicht gut; wenn man nicht fast übermenschlich weise Masregeln nehmen kann; Ich weiß, Zürich hat Gottlob rechtschaffne, kluge Männer, aber können diese immer das wirken, was sie wollen? Auch da wird geschehn, was der Herr in seinem Rathschluße bestimmt hatte, und dieser Gedanke allein, kann mich in allen Übeln beruhigen.
Ich bin Gottlob ziemlich gesund, habe mich auch bald gewöhnen können; Auf der Erde suche ich schon lange keinen Himmel mehr. (Dies war so ein Traum meiner ersten Jugend) und denn kann man so mit [/] vortkommen; die Menschen sind sich auch aller Orten so ziemlich gleich, freylich ist hier ein ziemlicher Zusammenfluß von schlechten; doch haben alle eine gewiße äußere Artigkeit, ich möchte fast sagen Anmuth, die gefällt besonders im Anfang; freylich, blikt man tiefer, nun dann kommt oft nicht viel schönes zum Vorschein. Doch hab ich auch gute Menschen hier gefunden, die ich achten kann; der Schillerin hab ich den Brief, welchen Sie die Güte hatten mir mitzugeben, übergeben, wir sehen einander oft, sie, und besonders ihr Mann, kränklen immer; sie grüßen Sie herzlich.
Was mir aufgefallen ist, ist daß ich hier, bey guten Menschen, nicht die strenge Gewißenhaftigkeit gefunden habe, welche ich bey guten Zürchern fand; gewiße Sachen, die sich der wirklich Rechtschafne nicht erlaubt, geschehen hier ohne daß man sich weiters was dabey denkt; sie sind durch Gewohnheit, und Beyspiel, wie autorisirt, und man denkt sich gar nichts Arges dabey.
Leben Sie wohl! Lieber Theurer Laveter! Leben, und bleiben Sie recht glüklich, mit Ihrer Theuren Famillie, welcher ich mich herzlich empfehle; grüßen Sie alle Freunde von uns, welche sich unser errinnern mögen, und sagen Sie Ihnen, daß ich Ihnen allen viel gutes wünsche, besonders auch Friede von Außen, und Innen. Von ganzem Herzen Ihre Erg.
Fichtin. g: Rahn
Jena d: 2: Sept: 95,
Ihr liebes Briefchen hat meinem Vatter viel Freude gemacht.
Wie befinden Sie Sich, Theurer Mann? Wie Ihre ganze liebe Famillie? Es intreßiert mich sehr, zu wißen. Wie geht es dem guten Zürich? Alle die traurigen Nachrichten von dort aus, haben mich sehr betrübt; Ich fürchte sehr, es gehe in der Länge nicht gut; wenn man nicht fast übermenschlich weise Masregeln nehmen kann; Ich weiß, Zürich hat Gottlob rechtschaffne, kluge Männer, aber können diese immer das wirken, was sie wollen? Auch da wird geschehn, was der Herr in seinem Rathschluße bestimmt hatte, und dieser Gedanke allein, kann mich in allen Übeln beruhigen.
Ich bin Gottlob ziemlich gesund, habe mich auch bald gewöhnen können; Auf der Erde suche ich schon lange keinen Himmel mehr. (Dies war so ein Traum meiner ersten Jugend) und denn kann man so mit [/] vortkommen; die Menschen sind sich auch aller Orten so ziemlich gleich, freylich ist hier ein ziemlicher Zusammenfluß von schlechten; doch haben alle eine gewiße äußere Artigkeit, ich möchte fast sagen Anmuth, die gefällt besonders im Anfang; freylich, blikt man tiefer, nun dann kommt oft nicht viel schönes zum Vorschein. Doch hab ich auch gute Menschen hier gefunden, die ich achten kann; der Schillerin hab ich den Brief, welchen Sie die Güte hatten mir mitzugeben, übergeben, wir sehen einander oft, sie, und besonders ihr Mann, kränklen immer; sie grüßen Sie herzlich.
Was mir aufgefallen ist, ist daß ich hier, bey guten Menschen, nicht die strenge Gewißenhaftigkeit gefunden habe, welche ich bey guten Zürchern fand; gewiße Sachen, die sich der wirklich Rechtschafne nicht erlaubt, geschehen hier ohne daß man sich weiters was dabey denkt; sie sind durch Gewohnheit, und Beyspiel, wie autorisirt, und man denkt sich gar nichts Arges dabey.
Leben Sie wohl! Lieber Theurer Laveter! Leben, und bleiben Sie recht glüklich, mit Ihrer Theuren Famillie, welcher ich mich herzlich empfehle; grüßen Sie alle Freunde von uns, welche sich unser errinnern mögen, und sagen Sie Ihnen, daß ich Ihnen allen viel gutes wünsche, besonders auch Friede von Außen, und Innen. Von ganzem Herzen Ihre Erg.
Fichtin. g: Rahn
Jena d: 2: Sept: 95,
Ihr liebes Briefchen hat meinem Vatter viel Freude gemacht.