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Johann Caspar Lavater to Johann Gottlieb Fichte

Lieber Fichte,
Wo Licht ist, da ist Finsterniß gegenüber – wo Kraft ist, da ist Widerstand von aussen – wo Leben ist – da empört sich das minderlebendige – durch Menge und Coalition. Das erfahren wir alle. Mit jedem Tage sehe ich klärer, daß innere Kraft – äussere Macht gegen sich regt; daß positife Macht in immerwährendem Kampf ist mit natürlicher, reeller, innwohnender Kraft. Wie das Fleisch in uns dem Geiste widersteht, so widersteht die Welt, das heißt die Machtmenge, (die physische und psychische Natur) den Macht nicht achtenden Geistern. Ihre Lage und Ihre Philosophie – welch ein Contrast! o Lieber! durch welche Moräste von Contrasten müssen wir uns durcharbeiten! Sed agamus rem nostram! [/]
So wenig ich vom Naturrecht verstehe, so begierig werd’ ich Ihr Naturrecht lesen.
Zuverlässig erinnere ich mich, gehöhrt zu haben, daß man – doch lange nicht mehr – die fatalsten Sachen von Jena auch hieher geschrieben haben soll – aber auf Ehre versichre ich Sie, daß ich auch auf Nachfrage keinen Namen von wem, und an wen entdecken konnte. – Seit der Zeit sind es bloß einige Ordensbrüder, die über Ihren Antiordenssinn sich beschweren. Cramer hat auch viel beygetragen – die Verläumdungen wider Sie ganz zu ersticken. [/]
Perret, der hier äußerst einsam lebte – den ich so selten [/] als nie sahe, der nicht Abschied von mir nahm, hat mir keine Addreße hinterlaßen – allso weiß ich nicht das Mindeste von dem Orte seines Aufenthaltes, welches mir für seinen Freund leid thut.
Grüßen Sie Ihren guten alten Vater Rahn recht herzlich. Möge Er doch bald [seine] Gesundheit wieder gefunden – haben. Sagen Sie ihm – „daß wir vorletzten Donnerstag den 3. 7br. eine feyerlich schreckliche, doch, weil alles Tod wollte, und erwartete, für viele Edlere freudige Ausführung von 6. Unruhstiftern gehabt. Unter militarscher Bedeckung von Reitern und Jägern, wurde Bodmer von Stäfa – (ein sonst wakerer Herrnhuter) als [/] Wortführer der dortigen ,Aufrührer?‘ .... vom Scharfrichter gebunden auf die Hauptgrube geführt – und fünf Andre mußten zusehen, wie das Schwert über den Knienden geschwungen wurde. Die meisten sind auf lange Zeit, 2. Bodmer und Fierz, lebenslänglich ins Zuchthaus sentenziert.“
Hätt’ ich eine Abschrift einer Ode an die LandesVäter vor der Verurtheilung (alles schrie auf Blut) – wie gern sendete ich sie Ihnen. Sie werden sie aber wohl bekommen können. Sie machte Sensation.
Meine Gesundheit ist gerad izt leidlich.
Es ist Samstag Morgen. Mehr kann ich nicht schreiben – Dank Ihrer lieben guten
Frau
für ihr liebes gutes Billiet.
Samstag Morgen. 12. IX. 95.
Lavater.
N. S. Daß Geßner meine Tochter Nette zur Frau hat seit April wißen Sie schon.
Metadata Concerning Header
  • Date: Samstag, 12. September 1795
  • Sender: Johann Caspar Lavater ·
  • Recipient: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Place of Dispatch: Zürich · ·
  • Place of Destination: Oßmannstedt · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 2: Briefe 1793‒1795. Hg. v. Hans Jacob und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Hans Gliwitzky und Manfred Zahn. Stuttgart 1970, S. 400‒402.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 128
Language
  • German

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