[...] Sie haben Talente, und Ihre Schriften, so unvollkommen sie auch seyn mögen, werden gelesen und gekauft werden; dies ist gewiß. Denn es giebt unter den Schriftstellern eben so wenig vortreffliche als unter den Menschen überhaupt. Ich bemerke aber, daß es Ihnen noch überall an vollständiger Entwicklung und ruhiger Klarheit Ihrer Begriffe mangelt. Sie sind noch jung und haben noch viel zu entwickeln, und darum können Sie jetzt schon unmöglich mit Ihrer Entwicklung zu Ende seyn, eben weil Ihr Geist nicht arm ist, eben weil Sie viel Talent haben. Weniges bringt man bald und leicht in Ordnung; vieles in Ordnung zu bringen fordert eine längere Zeit. – Aber das Bücherschreiben aus Noth ist der gerade Weg, nicht nur Ihr Talent zu verkrüppeln und Ihrem Geiste eine ewig einseitige Richtung zu geben. Sie sollten jetzt gar kein Buch schreiben, wenn Sie jemals etwas Vollendetes leisten, wenn Sie je etwas Vollendetes werden wollen. Es kann nicht fehlen, Ihr Bedürfniß wird Sie nöthigen, in Ihren Schriften auf den Geschmack des Publikums Rücksicht zu nehmen, Sie werden diesem Geschmacke fröhnen müssen und so Ihr eigenes Talent verderben, denn dieser Geschmack ist, wie Sie wissen, schlecht. Sie werden nach aussen streben, um Ruhm zu erjagen, damit Ihre Einnahme desto besser ausfalle, und Sie desto schneller zum Ziele gelangen; – aber dies, mein Lieber! ist nicht der Weg seine höhern Zwecke zu erreichen, es ist nicht der Weg, ein großer Mensch zu werden, wozu Sie Anlage haben. Sie kennen die höhern und höchsten Zwecke des Menschen, und diese müssen Sie verfolgen, unausgesetzt verfolgen. Ihr Inneres muß zuerst vollendet seyn, ehe Sie nach Aussen streben. Also werfen Sie Ihre Lage weg, wie es auch seyn kann, und fahren Sie nicht mehr fort, unentwickelte Talente zu früh anzuwenden. Hätte ich Ihre Lage so gekannt als Sie mich hier besuchten, so würde ich Ihnen damals eben dasselbe gerathen haben. [...]