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Johann Gottlieb Fichte to Johann Smidt

Jena, d. 1. Jänner 1798.
Sie kennen, mein theuerster Freund, meine Lage seit alter Zeit her; Sie kennen dieselbe aber bei weitem nicht in ihrer neusten Gestalt. Liegt der Grund in oder ausser mir, genug ich bin jezt noch weit mehr mit Geschäften überhäuft, als ich es ehemals war; und wenn endlich auch eine freie halbe oder ganze Stunde ausfällt, so bin ich so ermüdet, daß es mir kaum möglich ist, eine Feder anzurühren. Vielleicht verdiene ich darum die Verzeihung meiner Freunde wegen meiner Nachlässigkeit im Briefschreiben; und erhalte die Ihrige. [/]
Ich habe von Zeit zu Zeit mittelbar Nachricht von Ihnen gehabt, und Ihre muthmaßlichen Wünsche mitgewünscht. Ich hörte, Sie würden nach Lübek kommen, und wünschte es, weil ich glaubte, daß Sie es wünschten. Ich erfahre seitdem daß Sie als Professor der Philosophie in Ihrer Vaterstadt angestellt sind, und freue mich mit Ihnen, weil ich glaube, daß dies Ihren Wünschen gemässer gewesen. Ich freue mich aber auch im Namen der Vft. und Wahrheit, weil ich glaube, daß Sie so für die Sache derselben noch mehr thun können. Ich vernehme, daß Sie heyrathen, und statte Ihnen dazu meinen herzlichsten Glükwunsch ab. Zu meiner Freude erfahre ich ganz bestimmt durch Hern. Horn, daß Sie, und Her. Thulesius sich des verwaiseten Spiegelschen Werks annehmen wollen. Was mir daran am wenigsten gefiel, ist das, was es mit meinem Naturrechte gemein hat. Theils ist dasselbe auch schon gedrukt, und wie es mir vorkommt, präciser; theils ist der Eingang – denn etwas andres ist dies für den Hauptzwek doch nicht – zu lang. Ein kurzer, kräftiger Auszug, dächte ich, wäre das schiklichere.
§ 6. meines N. R. ist unglüklich ausgedrükt; und hat Sp. irre geführt; und dieser Irrthum hat mich hinwiederum auf jene Vernachlässigung aufmerksam gemacht. Ich kann mich Ihnen am kürzesten deutlich machen; wenn ich die Verbesserungen, die ich meinem Texte beigeschrieben, Ihnen mittheile.
1./. Ich unterscheide höheres oder inneres, und niederes, oder äusseres Organ.
2/. Beides ist auch Sinn; das erste innerer, das lezte äusserer.
3/. Der äussere Sinn ist werdender höherer, und niederer (da liegt der Fehler in meiner Darstellung, und der Spiege[l]sche Irrthum).
Ich lese nun S. 74 (m. N. R.) Z. 15. v. u. so: Materie der höhere Sinn m. u. g. u. s. d. P. w. s. m. s. d. B. d. höhern Organs, und vermittelst desselben, das niedere pp.
S. 75. Z. 12 v. [unten] Sinne st. Organ
Ich habe der Sp. Handschrift Bemerkungen mit Bleistift beigesezt. Sie waren für unsern seeligen Freund bestimmt, als er noch lebte. Sie bedürfen derselben wohl nicht.
Meine Frau grüßt, und Ihr kleiner Pathe grüßt zwar noch nicht, denn er kann noch nicht viel verständiges vorbringen; aber er läuft recht [/] hübsch, und ist stark, und brav; und besonders seine Mutter will schon viel Verstand an ihm wahrnehmen, nur daß er es noch nicht von sich geben könne.
Ich lege eine Ankündigung meiner Sittenlehre bei, wenn etwa unter Ihren Bekannten welche wären, die subscribiren wollten.
Erhalten Sie uns Ihre Freundschaft.
Fichte.
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 1. Januar 1798
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Johann Smidt
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Bremen · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 3: Briefe 1796‒1799. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1972, S. 108‒110.
Manuscript
  • Provider: Handschrift verschollen
Language
  • German

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