Jena, d. 21. August. 98.
Mehrere Gründe haben mich verhindert, Deinen Brief früher zu beantworten.
Ich hoffe, daß es jezt mit eurem Unternehmen besser geht. Daß Ihr den Vater mit hineingezogen, ist mir nicht ganz recht. Er hat nun gesorgt, u. gearbeitet genug, und meine Absicht war nicht, daß die kleine Pension, die ich ihm zu geben vermochte, als ein Theil des Handelscapitals betrachtet würde, sondern daß er sie in guter Musse genösse.
Nehmt euch ja in Acht, daß das Kapital nicht schwindet. Es gehört, wie ich mehrmals gesagt, nicht mein; auch nicht einmal meiner Frau, sondern einer armen unverheiratheten Schwester derselben. Ich würde es ersetzen müssen, und, wenn ich auch nicht sonst Ursache hätte, bedächtig mit dem meinigen umzugehen, schon da[/]durch in die Unmöglichkeit versezt werden, euch weiter zu unterstützen.
Aber ich habe Ursache, die Zeiten des Wohlstandes behutsam zu nutzen. Meine Besoldung ist so gering, daß ich durch sie kaum Holz u. Licht bestreiten kann. Ich muß von meiner Arbeit leben; und daß diese mir etwas eintrage, hängt von dem Flor dieser Universität ab. Dieser aber könnte in ein paar Jahren ganz sinken, denn schon jezt hat der Kaiser von Rußland alle seine hier studirenden Unterthanen, deren Anzahl sich bis in die 80. belief, zurükberufen, und es ist zu fürchten, daß andre Regierungen diesem Beispiele folgen.
Wenn einer von euch etwas vom Landbaue verstünde, so würde ich ihn zu mir nehmen und mir Ländereien ankaufen. So könnte ich es etwa mit der Zeit zum Besitze [/] eines Rittergutes bringen. Aber auch dies kann ich vor der Hand nicht, weil ich nicht weiß, ob ich noch lange in diesen Gegenden bleiben werde. Ich habe nemlich Vocationen, die annehmbar sind, wenn Jena in Verfall kommt; bei denen ich mich aber verschlimmere, wenn die Lage bleibt, wie sie jezt ist. Kurz, mein ganzer Zustand ist schwankend.
Bruder Gottfried hat vor einiger Zeit an mich geschrieben, mir seine bevorstehende Heirath gemeldet, und mich um ein Darlehn gebeten. Ich habe ihm noch nicht geantwortet; theils weil die ganze Nachricht mich nicht sonderlich erfreute: ihr Brüder solltet, da ihr selbst nichts habt, so reich als möglich heirathen, damit ihr doch einen Thaler Gold in die Hände bekommt, und einander unterstützen könnt; theils, weil meine und meiner Frauen Gesundheitsumstände mir eine Badereise nach Carlsbad, u. Eger nothwendig machten, die ich für sehr kostbar hielt, und nicht berechnen konnte, was ich wegzugeben hätte. Ich bin jezt von dieser Reise wieder zurük, und sie hat denn doch nicht ganz so viel gekostet, als ich befürch[/]tete. Bruder Gottfried soll sich daher, etwa von Seifensieder Bursche, der künftige Michaelis Messe in Leipzig das Geld wieder von mir beziehen kann, auf meine Rechnung zwanzig Thaler auszahlen lassen, auf folgende Bedingungen
10 rthr, gebe ich ihm als ein Hochzeitsgeschenk – nicht als ob sein ehemaliges Betragen gegen mich dies verdient hätte, sondern weil ihr mir ihn als einen seitdem brav gewordnen empfohlen habt.
10 rthr gebe ich Bruder Gottlob, gleichfals als ein Hochzeitsgeschenk. Gottfried soll diese 10 rthr. Gottloben, auf die diesem gefälligen Bedingungen, schuldig seyn. – Wenn Du einst, so wie ich es wünsche, heirathen wirst, so soll es auch Dir an einem Hochzeit[s]geschenke nicht fehlen.
Der herzliebe Schwager Hartmanns hat meine Frau zur Gevatterin erbeten. Theile ihm inliegende Antwort mit. Wie sehr doch diese Familie eilt, den für reich gehaltnen Bruder zu benutzen, und wie <pfiffig> sie das andreht! Aber ich bin wohl eben so klug, als sie. Ich [/] werde alle von dorther kommenden Gevatterschaften nach hiesiger Landessitte behandeln, nach welcher man nicht giebt, und nichts nimmt; und habe dies dem lieben Schwager geschrieben. Und da wird es sich denn sicher zeigen, ob man uns aus Freundschaft, oder aus andern Gründen, zu Gevattern bittet.
Die herzlichsten Grüsse von mir, u. meiner Frau an Eltern u. Geschwister.
Dein
treuer Bruder
J. Gottlieb Fichte
Mehrere Gründe haben mich verhindert, Deinen Brief früher zu beantworten.
Ich hoffe, daß es jezt mit eurem Unternehmen besser geht. Daß Ihr den Vater mit hineingezogen, ist mir nicht ganz recht. Er hat nun gesorgt, u. gearbeitet genug, und meine Absicht war nicht, daß die kleine Pension, die ich ihm zu geben vermochte, als ein Theil des Handelscapitals betrachtet würde, sondern daß er sie in guter Musse genösse.
Nehmt euch ja in Acht, daß das Kapital nicht schwindet. Es gehört, wie ich mehrmals gesagt, nicht mein; auch nicht einmal meiner Frau, sondern einer armen unverheiratheten Schwester derselben. Ich würde es ersetzen müssen, und, wenn ich auch nicht sonst Ursache hätte, bedächtig mit dem meinigen umzugehen, schon da[/]durch in die Unmöglichkeit versezt werden, euch weiter zu unterstützen.
Aber ich habe Ursache, die Zeiten des Wohlstandes behutsam zu nutzen. Meine Besoldung ist so gering, daß ich durch sie kaum Holz u. Licht bestreiten kann. Ich muß von meiner Arbeit leben; und daß diese mir etwas eintrage, hängt von dem Flor dieser Universität ab. Dieser aber könnte in ein paar Jahren ganz sinken, denn schon jezt hat der Kaiser von Rußland alle seine hier studirenden Unterthanen, deren Anzahl sich bis in die 80. belief, zurükberufen, und es ist zu fürchten, daß andre Regierungen diesem Beispiele folgen.
Wenn einer von euch etwas vom Landbaue verstünde, so würde ich ihn zu mir nehmen und mir Ländereien ankaufen. So könnte ich es etwa mit der Zeit zum Besitze [/] eines Rittergutes bringen. Aber auch dies kann ich vor der Hand nicht, weil ich nicht weiß, ob ich noch lange in diesen Gegenden bleiben werde. Ich habe nemlich Vocationen, die annehmbar sind, wenn Jena in Verfall kommt; bei denen ich mich aber verschlimmere, wenn die Lage bleibt, wie sie jezt ist. Kurz, mein ganzer Zustand ist schwankend.
Bruder Gottfried hat vor einiger Zeit an mich geschrieben, mir seine bevorstehende Heirath gemeldet, und mich um ein Darlehn gebeten. Ich habe ihm noch nicht geantwortet; theils weil die ganze Nachricht mich nicht sonderlich erfreute: ihr Brüder solltet, da ihr selbst nichts habt, so reich als möglich heirathen, damit ihr doch einen Thaler Gold in die Hände bekommt, und einander unterstützen könnt; theils, weil meine und meiner Frauen Gesundheitsumstände mir eine Badereise nach Carlsbad, u. Eger nothwendig machten, die ich für sehr kostbar hielt, und nicht berechnen konnte, was ich wegzugeben hätte. Ich bin jezt von dieser Reise wieder zurük, und sie hat denn doch nicht ganz so viel gekostet, als ich befürch[/]tete. Bruder Gottfried soll sich daher, etwa von Seifensieder Bursche, der künftige Michaelis Messe in Leipzig das Geld wieder von mir beziehen kann, auf meine Rechnung zwanzig Thaler auszahlen lassen, auf folgende Bedingungen
10 rthr, gebe ich ihm als ein Hochzeitsgeschenk – nicht als ob sein ehemaliges Betragen gegen mich dies verdient hätte, sondern weil ihr mir ihn als einen seitdem brav gewordnen empfohlen habt.
10 rthr gebe ich Bruder Gottlob, gleichfals als ein Hochzeitsgeschenk. Gottfried soll diese 10 rthr. Gottloben, auf die diesem gefälligen Bedingungen, schuldig seyn. – Wenn Du einst, so wie ich es wünsche, heirathen wirst, so soll es auch Dir an einem Hochzeit[s]geschenke nicht fehlen.
Der herzliebe Schwager Hartmanns hat meine Frau zur Gevatterin erbeten. Theile ihm inliegende Antwort mit. Wie sehr doch diese Familie eilt, den für reich gehaltnen Bruder zu benutzen, und wie <pfiffig> sie das andreht! Aber ich bin wohl eben so klug, als sie. Ich [/] werde alle von dorther kommenden Gevatterschaften nach hiesiger Landessitte behandeln, nach welcher man nicht giebt, und nichts nimmt; und habe dies dem lieben Schwager geschrieben. Und da wird es sich denn sicher zeigen, ob man uns aus Freundschaft, oder aus andern Gründen, zu Gevattern bittet.
Die herzlichsten Grüsse von mir, u. meiner Frau an Eltern u. Geschwister.
Dein
treuer Bruder
J. Gottlieb Fichte