Jena den 29. [19.?] Fructidor VI. (den 15. [5.?] Sept. 1798.)
Ihre gütige Zuschrift, mein verehrungswürdiger Freund, blieb nebst einer Menge anderer während meiner Abwesenheit auf einer Kurreise nach Karlsbad, von welcher ich erst seit vierzehn Tagen zurück bin, unbeantwortet. Ich fand bei meiner Ankunft die Geschäfte gehäuft; und dieß ist der Grund, warum ich erst jezt Zeit finde, diese Zuschrift zu beantworten, keineswegs eine ganz und gar nicht stattfindende Gleichgültigkeit bei Ihrem Antrage.
Ich möchte wirken, so lange ich es vermag, durch Wort und Schrift: dieß ist der Zweck meines Lebens. Wo ich den bessern Wirkungskreis finde, da bin ich am liebsten. Man läßt mir nur Gerechtigkeit widerfahren, wenn man mich für einen Verehrer der politischen Freiheit und der Nation hält, die dieselbe zu verbreiten verspricht. Ich bin auch fest überzeugt, daß sich weit mehr wirken läßt auf Menschen, die der politischen Freiheit theilhaftig, allen ihren Mitbürgern gleich und Niemandens geborne Herren noch Sklaven sind, als auf solche, die an diesem edlen Theile der menschlichen Kraft gelähmt sind. In dieser Rücksicht wäre mir nichts erwünschter, als mein Leben dem Dienste der großen Republik für die Bildung ihrer künftigen Bürger zu weihen.
Von einer andern Seite aber bin ich mit meinem jetzigen Wirkungskreise sehr wohl bekannt, nicht aber mit demjenigen, den Sie mir eröffnen. Ich erkenne, daß ich keinen rechten Begriff von einer Centralschule habe. Zwischen eigentlich gelehrter, systematischer Bildung und zwischen bürgerlicher bin ich durch mein ganzes Denksystem genöthigt, einen wichtigen Unterschied zu machen; auch halte ich die erstere für unentbehrlich an einigen Individuen, wenn die leztere, allgemeinere auf die Dauer Bestand haben soll. Nun weiß ich nicht recht, ob die Centralschulen gelehrte Schulen oder nur höhere Bürgerschulen sind, ich weiß nicht, welche Kenntnisse die Zöglinge derselben zu ihnen mit hinzuzubringen pflegen, weiß nicht, ob sie frei sind, oder die Vorlesungen bestimmter Lehrer besuchen müssen; ob der junge Bürger sich den Ort selbst wählt, oder ob bestimmte Departements zu gewissen Centralschulen geschlagen sind oder nicht u. s. w.
Ich gestehe – und dies vertraue ich nur dem Freunde, und ersuche Sie, keinen Gebrauch davon zu machen – daß ich einen andern Plan für die große Nation mir zweckmäßig dachte. Ich glaubte nämlich, daß es Etwas geben müsse, was noch über die Centralschule und Universität hinausliegt, und das wir eigentlich noch gar nicht haben, ein Institut für das rein wissenschaftliche Interesse, wo nicht gefragt werde, wozu dieses oder jenes diene, sondern nur, ob es wahr sey. (Unter dem hier gefundenen und verbreiteten Wahren [/] das Nüzliche herauszuheben, wäre nun die Sache der Centralschule.) Ich glaubte, es wäre der großen Nation würdig, diese Idee zuerst zu fassen und auszuführen, nicht blos für ihre Bürger, sondern für die ganze Menschheit, so alle Nationen an sich zu fesseln und die Geister zu erobern. Ich glaubte, daß die Basis einer solchen Vereinigung der Menschheit für Ein Interesse, das an der Wissenschaft, die Vereinigung des französischen und deutschen Geistes seyn müßte, und daß daher der Sitz der Anstalt am zweckmäßigsten auf dem linken Rheinufer seyn würde. Zu Ausführung dieser Idee würde, wenn ich meine Individualität nicht ganz verkenne, meine geringe Kraft vielleicht am zweckmäßigsten haben genuzt werden können.
Von einer andern Seite aber, auch wenn dieser Plan entweder gar nicht zur Sprache gekommen, oder bei Seite gelegt seyn sollte, muß ich durch die bevorstehenden politischen Veränderungen und durch noch andere Ursachen die Verringerung des schönen Wirkungskreises, den ich bisher allhier zu Jena gehabt, befürchten; und so ist mir selbst der Antrag einer Stelle an einer Centralschule erwünscht, wenn ich nur derselben Bestimmung sowohl, als die meinige für sie erst ganz kenne, damit ich mich prüfen kann, ob ich derselben entsprechen werde. Ich ersuche Sie sonach, zuvörderst mir obige Fragen über das wahre Wesen einer Centralschule zu beantworten, oder mich an eine Stelle zu verweisen, wo sie beantwortet sind.
Ueber einen zweiten von Ihnen angeregten Punkt werde ich mich gleichfalls gegen Sie mit der vertraulichsten Offenheit erklären. – Ich setze wenig auf Wohlleben und Genuß, und wäre in dieser Rücksicht mit einem kleinen Gehalte zufrieden. Aber meine Lebensart läßt sich nicht bis in das Alter fortsetzen; ich muß daher sowohl auf die Ruhe und Unabhängigkeit der Jahre denken, wo ich nicht mehr, durch männliche Kraft unterstüzt, so werde fortarbeiten können, als auf die einstige Unterstützung meiner Familie. In dieser Rücksicht ist es mir allerdings erlaubt, auch mit daran zu denken, daß ich in meiner gegenwärtigen Lage mich sehr vortheilhaft stehe, und zu wünschen, daß die Republik auch für das Aeußere mich nicht in Nachtheil setze. – Ihre treffliche Uebersetzung des Rousseau’schen Socialkontrakts, von welchem ich innigst bedauere, daß ich ihr keinen Verleger verschaffen können, folgt zurück. (Sie können sich die Gleichgültigkeit der sächsischen Verleger, da, wo der Artikel keine Novität ist, und sie keinen, ihrer Meinung nach, berühmten Namen erblicken, kaum arg genug denken.) Ich habe die wenigen Anmerkungen, die ich ehemals dazu gemacht, wieder beigelegt; ich habe sie jezt nicht wieder durchsehen können, und überlasse es gänzlich Ihrem eigenen Ermessen, inwiefern und ob Sie überhaupt einen Gebrauch davon machen wollen; [/] nur bitte ich im leztern Falle, daß es ohne Nennung meines Namens geschehe. Wenn dieses Buch noch Einfluß hat auf die Meinung des Publikums, (das allerdings die Menschheit um ein Großes weiter gebracht hat; nur, meine ich, jezt ist sie noch weiter) so wäre es vielleicht ein sehr verdienstliches Unternehmen, eine Prüfung desselben zu unternehmen und besonders herauszugeben. Ich wünsche, daß Sie sich dieses Verdienst erwärben, mein theurer Freund. Ich für meine Person habe auf Jahre hinaus für diese Arbeit keine Zeit.
Ich wünsche Ihnen das beste Wohlergehen und empfehle mich Ihrer Freundschaft.
Fichte.
Ihre gütige Zuschrift, mein verehrungswürdiger Freund, blieb nebst einer Menge anderer während meiner Abwesenheit auf einer Kurreise nach Karlsbad, von welcher ich erst seit vierzehn Tagen zurück bin, unbeantwortet. Ich fand bei meiner Ankunft die Geschäfte gehäuft; und dieß ist der Grund, warum ich erst jezt Zeit finde, diese Zuschrift zu beantworten, keineswegs eine ganz und gar nicht stattfindende Gleichgültigkeit bei Ihrem Antrage.
Ich möchte wirken, so lange ich es vermag, durch Wort und Schrift: dieß ist der Zweck meines Lebens. Wo ich den bessern Wirkungskreis finde, da bin ich am liebsten. Man läßt mir nur Gerechtigkeit widerfahren, wenn man mich für einen Verehrer der politischen Freiheit und der Nation hält, die dieselbe zu verbreiten verspricht. Ich bin auch fest überzeugt, daß sich weit mehr wirken läßt auf Menschen, die der politischen Freiheit theilhaftig, allen ihren Mitbürgern gleich und Niemandens geborne Herren noch Sklaven sind, als auf solche, die an diesem edlen Theile der menschlichen Kraft gelähmt sind. In dieser Rücksicht wäre mir nichts erwünschter, als mein Leben dem Dienste der großen Republik für die Bildung ihrer künftigen Bürger zu weihen.
Von einer andern Seite aber bin ich mit meinem jetzigen Wirkungskreise sehr wohl bekannt, nicht aber mit demjenigen, den Sie mir eröffnen. Ich erkenne, daß ich keinen rechten Begriff von einer Centralschule habe. Zwischen eigentlich gelehrter, systematischer Bildung und zwischen bürgerlicher bin ich durch mein ganzes Denksystem genöthigt, einen wichtigen Unterschied zu machen; auch halte ich die erstere für unentbehrlich an einigen Individuen, wenn die leztere, allgemeinere auf die Dauer Bestand haben soll. Nun weiß ich nicht recht, ob die Centralschulen gelehrte Schulen oder nur höhere Bürgerschulen sind, ich weiß nicht, welche Kenntnisse die Zöglinge derselben zu ihnen mit hinzuzubringen pflegen, weiß nicht, ob sie frei sind, oder die Vorlesungen bestimmter Lehrer besuchen müssen; ob der junge Bürger sich den Ort selbst wählt, oder ob bestimmte Departements zu gewissen Centralschulen geschlagen sind oder nicht u. s. w.
Ich gestehe – und dies vertraue ich nur dem Freunde, und ersuche Sie, keinen Gebrauch davon zu machen – daß ich einen andern Plan für die große Nation mir zweckmäßig dachte. Ich glaubte nämlich, daß es Etwas geben müsse, was noch über die Centralschule und Universität hinausliegt, und das wir eigentlich noch gar nicht haben, ein Institut für das rein wissenschaftliche Interesse, wo nicht gefragt werde, wozu dieses oder jenes diene, sondern nur, ob es wahr sey. (Unter dem hier gefundenen und verbreiteten Wahren [/] das Nüzliche herauszuheben, wäre nun die Sache der Centralschule.) Ich glaubte, es wäre der großen Nation würdig, diese Idee zuerst zu fassen und auszuführen, nicht blos für ihre Bürger, sondern für die ganze Menschheit, so alle Nationen an sich zu fesseln und die Geister zu erobern. Ich glaubte, daß die Basis einer solchen Vereinigung der Menschheit für Ein Interesse, das an der Wissenschaft, die Vereinigung des französischen und deutschen Geistes seyn müßte, und daß daher der Sitz der Anstalt am zweckmäßigsten auf dem linken Rheinufer seyn würde. Zu Ausführung dieser Idee würde, wenn ich meine Individualität nicht ganz verkenne, meine geringe Kraft vielleicht am zweckmäßigsten haben genuzt werden können.
Von einer andern Seite aber, auch wenn dieser Plan entweder gar nicht zur Sprache gekommen, oder bei Seite gelegt seyn sollte, muß ich durch die bevorstehenden politischen Veränderungen und durch noch andere Ursachen die Verringerung des schönen Wirkungskreises, den ich bisher allhier zu Jena gehabt, befürchten; und so ist mir selbst der Antrag einer Stelle an einer Centralschule erwünscht, wenn ich nur derselben Bestimmung sowohl, als die meinige für sie erst ganz kenne, damit ich mich prüfen kann, ob ich derselben entsprechen werde. Ich ersuche Sie sonach, zuvörderst mir obige Fragen über das wahre Wesen einer Centralschule zu beantworten, oder mich an eine Stelle zu verweisen, wo sie beantwortet sind.
Ueber einen zweiten von Ihnen angeregten Punkt werde ich mich gleichfalls gegen Sie mit der vertraulichsten Offenheit erklären. – Ich setze wenig auf Wohlleben und Genuß, und wäre in dieser Rücksicht mit einem kleinen Gehalte zufrieden. Aber meine Lebensart läßt sich nicht bis in das Alter fortsetzen; ich muß daher sowohl auf die Ruhe und Unabhängigkeit der Jahre denken, wo ich nicht mehr, durch männliche Kraft unterstüzt, so werde fortarbeiten können, als auf die einstige Unterstützung meiner Familie. In dieser Rücksicht ist es mir allerdings erlaubt, auch mit daran zu denken, daß ich in meiner gegenwärtigen Lage mich sehr vortheilhaft stehe, und zu wünschen, daß die Republik auch für das Aeußere mich nicht in Nachtheil setze. – Ihre treffliche Uebersetzung des Rousseau’schen Socialkontrakts, von welchem ich innigst bedauere, daß ich ihr keinen Verleger verschaffen können, folgt zurück. (Sie können sich die Gleichgültigkeit der sächsischen Verleger, da, wo der Artikel keine Novität ist, und sie keinen, ihrer Meinung nach, berühmten Namen erblicken, kaum arg genug denken.) Ich habe die wenigen Anmerkungen, die ich ehemals dazu gemacht, wieder beigelegt; ich habe sie jezt nicht wieder durchsehen können, und überlasse es gänzlich Ihrem eigenen Ermessen, inwiefern und ob Sie überhaupt einen Gebrauch davon machen wollen; [/] nur bitte ich im leztern Falle, daß es ohne Nennung meines Namens geschehe. Wenn dieses Buch noch Einfluß hat auf die Meinung des Publikums, (das allerdings die Menschheit um ein Großes weiter gebracht hat; nur, meine ich, jezt ist sie noch weiter) so wäre es vielleicht ein sehr verdienstliches Unternehmen, eine Prüfung desselben zu unternehmen und besonders herauszugeben. Ich wünsche, daß Sie sich dieses Verdienst erwärben, mein theurer Freund. Ich für meine Person habe auf Jahre hinaus für diese Arbeit keine Zeit.
Ich wünsche Ihnen das beste Wohlergehen und empfehle mich Ihrer Freundschaft.
Fichte.