Single collated printed full text with registry labelling
TEI-Logo

Johann Gottlieb Fichte to Ludwig Heinrich von Jakob

Ich habe nur das zu sagen.
1.). habe ich Sie nie gehaßt, noch geglaubt, daß Sie mich haßten. Mag es doch anmassend <tönen>, es ist wahr. Ich weiß eigentlich nicht was Haß ist, denn ich habe nie jemanden gehaßt: ich bin auch keineswegs so leidenschaftlich, wie man mich gewöhnl. dafür hält.
Das Betragen der <Annalisten> gegen mich ist u. bleibt nicht zu entschuldigen, wird immer ein Flek in unsrer Gesch. der Philosophie bleiben, so sehr ich z. B. übrigens Prof. Bek schätze, den ich, als den Rec. der W. L. kenne. Daß man meine W. L nicht verstand, daß man sie, wenn man glaubt, daß ich <gegenwärtig> andere Behauptungen <vortrage>, noch nicht versteht, glaube ich freilich; daß es die Schuld meines Vortrags in dieser, nicht für das Publicum, sondern für meine Zuhörer <u.> zu Vorlesungen bestimmten Schrift, war, daß man sie nicht verstand, daß man mir überhaupt nichts zutraute, mich für einen Schwätzer hielt, dessen Einmischung in Angelegenheiten dem G. der Wissenschaft schaden könnte, u. daraus schloß, das System, wovon man wohl wußte, daß man es nicht verstand, werde wohl nichts <taugen>, weiß ich wohl u. kann mir alles erklären: aber es ist jedem Gelehrten anzumuthen, nicht, daß er alles verstehe, aber daß er wenigstens wisse, ob er es [/] verstehe; u. jedem rechtl. Manne, daß er nicht eher urtheile, bis er sich des <eignen> verstehens bewußt ist. Ferner, warum verfuhr man mit dieser Bitterkeit (denken Sie an die erste Rec. meiner Vorlesungen über <B.d.>G. die auch auf alle Fälle ein Pasquill ist) warum zerrte man aller Orten mich herbei?
Ich befürchtete damals im Ernste überschrien zu werden; daher meine Herausfoderung, <in Verfolgung wofür> der Plan zum Feldzuge auch schon entworfen war: daher überhaupt der Ton, der so misfällig gewesen ist, den ich geg<enwärtig> mit freier Besonnenheit ablege, u. schon abgelegt habe, u. den mir nur die Annalen hervorge<zeugt> hatten. Ich befürchte gegenwärtig nicht mehr überschrien zu werden, u. die Lage ist eine ganz andere.
Sie wollen jenen Ton selbst nicht billigen. <Nun wohl>: „Ich unterschreibe Ihren Vorschlag, so lassen Sie uns.“ Lassen Sie uns in Absicht gefällte[r] litterarische[r] Urtheile für das Vergangene eine allgemeine Amnestie schliessen.
2). Ich habe in jener Stelle keinen Schatten auf Ihren Charakter werfen wollen noch ins besondre Sie des Eigennutzens <bezichtigen> wollen, u. ich erschrak als ich das in Ihrem Briefe las, u. schlug die Stelle nach. Die einzige Zeile die so ausgelegt werden konnte, ist lediglich aus der vorher gehenden Phrase zu erklären. Welche Satisfaction kann ich Ihnen geben. Ich bin zu jeder, die [Sie] fodern, erböthig. Ich würde, wenn ich nicht befürchtet hätte die Aufmerksamkeit auf eine vielleicht von manchen übersehne Stelle hinzurichten, sogleich eine Erklärung in das Int.Bl. der A.L.Z. geschikt haben, des Inhalts: daß ich, weil man das so auszulegen scheine, feierlich versichere, daß jene Stelle diesen Sinn nicht haben solle noch könne, u. daß ich nicht den mindesten Grund gehabt hätte, so etwas auch nur im Herzen zu denken. Was aber das Aufmerksamkeit richten betrift – wie wenn dasselbe gar nicht auf Sie, wie wenn es auf einen andern gegangen wäre, von <welchem> ich diese Absicht wußte, wie man etwas nur wissen kann? – Ich kann darüber, weil andere Verhältnisse eingetreten sind, keine Rechenschaft geben; aber ich versichre <hiermit> auf Ehre, daß diese Stelle Ihnen nie galt.
Lieber Jakob: ich habe unbegrenzte Hochachtung für Offenheit, u. Biederkeit des Charakters. Von Ihnen hatte ich einen guten Zug gehört, u. ich würde allein deswegen nie ein solches Urtheil auch über ihren Litterarischen Werth mir erlaubt haben, wenn man nicht auch diesen <Zug> wieder bei mir herabgesezt hätte. Jezt haben Sie durch die Unpartheilichkeit Ihrer Urtheile über mich, deren Sie erwähnen, durch den <warmen> Antheil, den Sie ohne persönl. Rüksicht, an meiner Angelegenheit als Mitglied der gelehrten Republik nehmen, durch die offne Zuschrift an mich, meine persönl. Hochachtung <vollkommen gewonnen>. Es soll – erlauben Sie mir das zu sagen ohne Sie zu beleidigen – nicht an mir liegen, daß Sie [nicht] auch als Schriftsteller meine ganze Hochachtung besitzen, u. ich sie öffentl. äussere. Ich habe an Bek <u. Schulz[e]> gezeigt, daß ich auch Gegnern gern Gerechtigkeit widerfahren lasse. Es ist, bei Gelegenheit der <Einwirkung> des gewaltigen Geistes im Norden <mannigfaltig> gefehlt worden. Habe nicht auch ich, meine OffenbarungsKritik geschrieben, welche mit denselben u. noch härtern Prädicaten zu belegen lediglich die Schonung für einige verdiente Männer, die sie gelobt haben, mich abgehalten hat. Nur kannte ich schon damals als sie gedrukt wurde, die Bedeutung derselben sehr wohl, übergab sie Kanten mit einer nicht <schonenden> Selbstrecension, und habe, wie ich glaube, seit meinem 30sten Jahre mich gebessert.
Nehmen Sie die Versicherung meiner Hochachtung an.
Fichte.
Metadata Concerning Header
  • Date: Montag, 4. März 1799
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Ludwig Heinrich von Jakob ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Halle (Saale) · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 3: Briefe 1796‒1799. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1972, S. 205‒207.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 146
Language
  • German

Basics · Zitieren