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Johann Gottlieb Fichte to Johann Ernst Christian Schmidt

Jena, d. 17. Merz. 1799.
Denken Sie sich in meine Lage, ehrwürdiger Freund, und Sie werden mir verzeihen, daß ich eine so hohe Brief schuld bei Ihnen [habe] anlaufen lassen. Ich hatte 3. Stunden täglich zu lesen: u. dabei noch meine ziemlich starke Verantwortungsschrift an unsre Höfe auszuarbeiten.
Auf Ihren Brief v. 19. Jan. –
Wir nehmen mit dem innigsten Vergnügen Ihr Anerbieten, das Fach des Naturrechts in unserm Journale zu arbeiten, an, u. werden uns freuen, recht bald Beiträge von Ihnen zu erhalten.
Worin liegt das unbefriedigende, das Sie in meiner bisherigen Darstellung der W. L. finden? Doch nicht in den Principien? Liegt es aber in der Ableitung, und reden Sie von der gedrukten Grundlage, so haben Sie sehr recht, vieles unbefriedigend zu finden. Diese Schrift hat nie eine andere Bestimmung gehabt, als für meine Zuhörer. Feind, u. Freund haben allgemein diese Bestimmung übersehen. – Ich habe seit 3. Jahren eine neue Darstellung bearbeitet, u. auf dem Catheder vorgetragen, aus welcher [/] das im Journale abgedrukte erste Kapitel ist. Ich denke diese Darstellung nächstkünftigen Winter erscheinen zu lassen. Finden Sie noch hier, u. da Anstoß, so wird es gerathen seyn, diese neue Bearbeitung zu erwarten.
Daß ein andrer G. als Gablers in Altdorf der Verf. jenes Pasquills, von welchem ganz allein dieser Auftritt herkommt, ist, werden Sie jezt ohne Zweifel wissen.
Dasselbe Urtheil, das Sie über Kants neuste Schriften fällen, fällt man, so weit ich herum hören kann, allgemein. Es ist doch ein schönes Zeichen der Humanität unsrer Zeit, daß man aus Respekt gegen den verdienten Greis diese Urtheile nicht ganz öffentlich sagt. Diese Schriften sind denn doch so sichtbar schwach, daß sie auch nichts verderben können. Die zwei Kantianer, die es noch giebt, machen sich durch das Nachbeten auch dieser Cruditäten nur immer lächerlicher.
Auf Ihren Brief vom 24. Febr.
Es thut mir empfindlich leid, daß Sie, u. Pr. Schaumann meine Exemplare erst erhalten haben, als die Schrift schon längst im Buchladen zu verkaufen war. Mein Commissionär für diese Versendun[/]gen, Gabler, versichert hoch u. theuer, daß er sie d. 18ten Jäner an (ich weiß nicht ob Höyer od. Stamme) abgeschikt habe. Ich bin sehr begierig auf die Erscheinung Ihrer Schrift. Es ist eine Schande, wie der Hannöverische Appellant, ein Chursächsischer Pasquillant, und der arme gute Eberhard den Gesichtspunkt wieder verrüken. Ich werde, so es irgend möglich ist, noch zur Messe ein kleines Schriftchen in dieser Sache erscheinen lassen, in welchem ich hoffentlich den wahren Gesichtspunkt so heraus rüken werde, daß ihn nur die Bosheit verkennen kann.
Ich werde morgen meine Verantwortungsschrift (welche ohne Zweifel auch öffentlich bekannt werden wird) an die Herzogl. Höfe einsenden, u. ruhig erwarten, was erfolgt. Man ist, so viel ich weiß, in einer sehr widersprechenden Stimmung. Man schämt und fürchtet sich vor den Aufgeklärten, u. möchte doch auch mit den Obscuranten es nicht verderben. Dafür, um dieses entgegengesezte Interesse zu vereinigen, dürfte es denn hier sehr schwer ein Mittel geben. Ich wenigstens bin sehr fest entschlossen, nichts meiner unwürdiges zu dulden.
Gruß, Achtung, u. Freundschaft.
J. G. Fichte
Metadata Concerning Header
  • Date: Sonntag, 17. März 1799
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Johann Ernst Christian Schmidt
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Gießen · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 3: Briefe 1796‒1799. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1972, S. 213‒215.
Manuscript
  • Provider: Universitätsbibliothek Gießen
  • Classification Number: Hs. 155
Language
  • German

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