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Johanna Fichte to Johann Jakob Wagner

Jena d: 20: Mrz 99
Theurer Freund!
Es that mir in der Seele weh, daß ein andrer, den Brief den ich an Sie schrieb gelesen hat, denn nur Sie verstehn mich, und wißen wie ichs meine; und ich schrieb ihn damahls in der innigen Überzeugung, (da ich Sie als Freund behandle) es sey Pflicht Ihnen das zu sagen; irren kann ich mich, aber nicht aufhören es redlich mit Ihnen zu meinen; und das alles braucht kein Fremder zu wißen.
Wir haben, und auch besonders ich habe einen recht unglüklichen Winter gehabt, denn die Atheismuß Geschichte, hat einen solchen spectakel verursacht, daß Schneider, Schuhmacher, nebst Bettelweiber ihr Urtheil drüber gefällt, und ihr verläumderisches Wesen getrieben haben; hätten wir auf dem Lande gelebt, wie Reausau, als sie ihn steinigen wollten, so hätten auch wir gleiches Schiksahl mit ihm haben können; überhaubt ist es sehr schädlich, wenn solche Ideen unter gemeine Leute kommen; daran denken die Regierungen nicht, wenn sie einen solchen Lerm anfangen. Die Verantwortung wird nun an die 4: Höfe übergeben, das Resultat des Ganzen muß man nun erwarten[;] so viel ist gewis daß mein Lieber Mann sich nicht niederträchtig wird behandlen laßen, wir sind allso nun im Zustande des Erwarten’s, daß diese Lage höchst unangenehm ist, können Sie Sich denken. [/] besonders für ein armes Weib, die nicht gerne in der Welt herumirt. Doch dieses Bleibe unter uns.
Die gute Hummele freut sich sehr, daß Sie eine Stelle für sie gefunden, und dankt Ihnen, mit mir herzlich. aber laßen Sie mich Lieber einige Fragen an Sie thun. Ist die Dame eine wirklich rechtschaffne Frau? Die ihre untergebenen, nicht durch Capricen, und pretentionen aller Art Quält? Fordert sie nicht mehr Arbeit von ihnen, als sie wirklich machen können? Denn in solchem Falle wäre die H: sehr unglüklich; worin bestehn die Geschäfte der H:? was giebt sie jährlich? und wie wird sie behandlet werden? Sie werden sagen, ich hätte des Fragen viel; aber ich kann nicht anderst, denn es betrift das Wohl einer unglüklichen, und darum werden Sie mir meine Fragen auch gewis, gewißenhaft beantworten, dafür kenne ich Sie.
Das mitreisen nach Ungern, ist der H: gar nicht unangenehm, weil das Reisen ihrer Gesundheit sehr zuträglich ist.
Daß Sie mit Ihrer Geliebten glüklich sind, freut mich in der Seele. Ich grüße Sie Beyde herzlich.
Fichtin
Mein Lieber Mann grüßt Sie herzlich, er hat unmöglich Zeit zum Schreiben, diesen Sommer list er 2: Collegia, ein ganz neues, und das gewöhnliche von 6: bis 7:
Ist H. von Zwanziger izt in Nürnberg, und haben Sie einige Bekantschaft mit ihm?
Leben Sie wohl, und glüklich, das kann wohl Niemand Ihnen aufrichtiger wünschen, als Ihre Freundin Fichte
Herrn Doctor Waagner
auf dem Comtoir des Verkündigers
frey
in
Nürnberg
Metadata Concerning Header
  • Date: Mittwoch, 20. März 1799
  • Sender: Johanna Fichte ·
  • Recipient: Johann Jakob Wagner ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Nürnberg · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 3: Briefe 1796‒1799. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1972, S. 220‒222.
Manuscript
  • Provider: Haus der Stadtgeschichte - Stadtarchiv Ulm
Language
  • German

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