Ich habe, Verehrungswürdiger Herr Geheimer Rath, in der bekannten Angelegenheit keinem Manne am Platze extra acta mich mitzutheilen meine triftigen Gründe gehabt. Jezt sind unsre Verantwortungsschriften eingelaufen, und es ist daran, mein Schiksal, und vielleicht das Schiksal einer berühmten Universität zu entscheiden. Nach reiflicher Ueberlegung halte ich es denn doch für Pflicht, ein Wort dazwischen zu reden, ehe beides entschieden wird.
Ich wende mich an Eur Hochwohlgebohrn als an denjenigen, [/] der mich hieher gerufen, und der eine lange Zeit die Güte gehabt, meine Angelegenheiten für einen Theil der Seinigen zu halten. Ich überlasse es gänzlich Ihrer eignen Weisheit, inwiefern Sie von dem, was ich Ihnen sagen werde, weitern Gebrauch machen, oder lediglich Ihre eignen Rathschläge, und Maasregeln dadurch bestimmen lassen wollen. Kein Wort über den Streitpunkt selbst. Was ich in der Apellation, was ich in der Verantwortungsschrift darüber gesagt, ist nicht viel mehr, als Nichts. Ich vermag es nicht auszusprechen, wie ungeheuer das Misverständniß ist. Man hat nicht die leiseste Ahnung von der Tendenz meines Systems, noch haben Ankläger, und die aufgestellten Richter den Beruf diese Ahnung zu haben: und davon [/] hängt doch die Beurtheilung der einzelnen Theile desselben ab. Wären nur erst noch einige Jahre mehr in das Meer der Zeit verflossen! Dann wird man es einsehen, daß, wie ich in einer so eben in der Arbeit befindlichen Schrift sage, der Vorwurf, den man mir macht, dem völlig gleich ist, den man einem Mahler machen würde, daß seine gemahlten Pferde nicht etwa nur – nicht gingen, wie wirkliche Pferde, sondern nicht flögen, wie ein Pegasus – und den Blinde, die sein Werk nur durch Tappen kennten, ihm machten. Ich möchte die Beschämung nicht theilen, welche nach einigen Jahren alle empfinden werden, die in dieser Sache nicht so ganz recht gehandelt, wenn sie ihres Antheils daran sich erinnern werden!
Die Frage, warum man einen Professor der Philosophie, der weit entfernt ist, Atheismus zu lehren, zur Verantwortung zieht, [/] und den General Superintendent dieses Herzogthums, dessen publicirte Philosopheme über Gott dem Atheismus so ähnlich sehen, als ein Ey dem andern, nicht zu Verantwortung zieht, – diese Frage, die ich aus Discretion nicht gethan, wird nächstens ein andrer thun, wenn ich es nicht verbitte; und ich werde es sicher nicht verbitten, wenn man noch einen Schritt gegen mich vorwärts thut[.]
Jezt nehme ich mir nur die Freiheit, eine Stelle meiner Verantwortungsschrift zu commentiren.
„Man wird mir, sage ich in derselben, wohl auch keinen gerichtlichen Verweiß geben; man wird gegen meine Ehre, die mir lieber ist, als mein Leben, nichts thätlich unternehmen“
Dies habe ich gesagt, um zu dem Entschlusse zu leiten, daß man es nicht thue; nicht aber, als ob ich wüßte, oder so [/] sicher darauf rechnen könnte, daß man nicht in Versuchung kommen würde, es zu thun. Persönliche Beziehungen auf mich, die sich ergeben haben sollen, Beziehungen auf die ganze Universität, die neuerlich entstanden sind, und, was mehr ist, Beziehungen <auf> Chur Sachsen, dürften wohl, um dem leztern eine Art von Genüge zu thun, auf den Entschluß leiten, mir durch den Senat eine derbe Weisung zukommen zu lassen; und zu rechnen, daß ich, wenn auch nicht im gleichen Grade dafür interessirt, daß der Verfasser des Grabes des Leonidas kein Dementi habe, dennoch diesen Verweiß demüthig hinnehmen werde. Ich muß erklären, Verehrungswürdiger Herr Geheimer Rath, daß darauf nicht zu rechnen ist. Ich darf das nicht; ich kann es nicht. – Ich darf nicht. Mein Benehmen in dieser ganzen Sache vom Anfang an bis hieher ist meiner innigsten Ueber[/]zeugung nach nicht nur tadellos, sondern preiswürdig; und es ist verächtlich, das preiswürdige – sey es an andern, oder an uns selbst – öffentlich schelten zu lassen, inwieweit es an uns liegt, den Tadel desselben abzuwehren. – Ich kann nicht. Ich bin gerade durch meine Feinde schon lange, und jezt mehr als je, in eine Lage getrieben, die die strengste Unbescholtenheit zur Bedingung meiner Existenz macht. Freund und Feind erwartet diese von mir, und muthet mir sie an. Ich kann, ohne alles zu verlieren, etwas unanständiges eben sowenig öffentlich erdulden, als thun. Jener Verweiß würde in kurzer Zeit in allen Zeitungen abgedrukt erscheinen, und mit der lautesten Schadenfreude, und Hohngelächter meiner Feinde empfangen werden. Jeder rechtliche Mensch würde fühlen, daß es mir die Ehre verböte, nach Erhaltung eines öffentlichen, und gerichtlichen Verweises [/] Regierungen länger unterworfen zu bleiben, die mich eines solchen Verweises werth geachtet hätten, und die allgemeine Verachtung würde mich treffen, wenn ich es bliebe. Es würde mir nichts übrig seyn, als den Verweiß durch Abgebung meiner Dimission zu beantworten; und sodann, zu meiner eignen Rechtfertigung, den Verweiß, die Abgebung der Dimission, und diesen Brief, den ich mir gegenwärtig die Ehre gebe, Eur Hochwohlgebohrn zu schreiben, der allgemeinsten Publicität zu übergeben.
Es ist Schuldigkeit noch dieses hinzuzusetzen. Mehrere mir gleichgesinnte Freunde, welche man als bedeutend für die Academie anerkannt hat, und welche in der Verletzung meiner Lehrfreiheit die ihrige als mit verlezt ansehen würden; sind auch über die Ansicht, die ich Eur Hochwohlgebohrn so eben vorgelegt, mit mir ganz einig; sie haben mir ihr Wort gegeben, mich, falls ich auf die angegebne [/] Art gezwungen würde, diese Academie zu verlassen, zu begleiten, und meine ferneren Unternehmungen zu theilen; sie haben mich berechtigt, Ihnen dies bekannt zu machen. Es ist von einem neuen Institute die Rede, unser Plan ist fertig, und wir können dort denselben Wirkungskreis wieder zu finden erwarten, welcher allein uns hier anzuziehen vermochte, und die Achtung, welche man uns in diesem Falle hier versagt haben würde.
Ich empfehle diese Sache Ihrer Weisheit, und Gerechtigkeitsliebe; mich selbst aber, und meine übrigen Angelegenheiten Ihrem gütigen Wohlwollen, und bin mit der gewohnten Verehrung
Eur Hochwohlgebohrn
gehorsamster
Joh. G. Fichte
Jena
d. 22. März.
1799.
Ich wende mich an Eur Hochwohlgebohrn als an denjenigen, [/] der mich hieher gerufen, und der eine lange Zeit die Güte gehabt, meine Angelegenheiten für einen Theil der Seinigen zu halten. Ich überlasse es gänzlich Ihrer eignen Weisheit, inwiefern Sie von dem, was ich Ihnen sagen werde, weitern Gebrauch machen, oder lediglich Ihre eignen Rathschläge, und Maasregeln dadurch bestimmen lassen wollen. Kein Wort über den Streitpunkt selbst. Was ich in der Apellation, was ich in der Verantwortungsschrift darüber gesagt, ist nicht viel mehr, als Nichts. Ich vermag es nicht auszusprechen, wie ungeheuer das Misverständniß ist. Man hat nicht die leiseste Ahnung von der Tendenz meines Systems, noch haben Ankläger, und die aufgestellten Richter den Beruf diese Ahnung zu haben: und davon [/] hängt doch die Beurtheilung der einzelnen Theile desselben ab. Wären nur erst noch einige Jahre mehr in das Meer der Zeit verflossen! Dann wird man es einsehen, daß, wie ich in einer so eben in der Arbeit befindlichen Schrift sage, der Vorwurf, den man mir macht, dem völlig gleich ist, den man einem Mahler machen würde, daß seine gemahlten Pferde nicht etwa nur – nicht gingen, wie wirkliche Pferde, sondern nicht flögen, wie ein Pegasus – und den Blinde, die sein Werk nur durch Tappen kennten, ihm machten. Ich möchte die Beschämung nicht theilen, welche nach einigen Jahren alle empfinden werden, die in dieser Sache nicht so ganz recht gehandelt, wenn sie ihres Antheils daran sich erinnern werden!
Die Frage, warum man einen Professor der Philosophie, der weit entfernt ist, Atheismus zu lehren, zur Verantwortung zieht, [/] und den General Superintendent dieses Herzogthums, dessen publicirte Philosopheme über Gott dem Atheismus so ähnlich sehen, als ein Ey dem andern, nicht zu Verantwortung zieht, – diese Frage, die ich aus Discretion nicht gethan, wird nächstens ein andrer thun, wenn ich es nicht verbitte; und ich werde es sicher nicht verbitten, wenn man noch einen Schritt gegen mich vorwärts thut[.]
Jezt nehme ich mir nur die Freiheit, eine Stelle meiner Verantwortungsschrift zu commentiren.
„Man wird mir, sage ich in derselben, wohl auch keinen gerichtlichen Verweiß geben; man wird gegen meine Ehre, die mir lieber ist, als mein Leben, nichts thätlich unternehmen“
Dies habe ich gesagt, um zu dem Entschlusse zu leiten, daß man es nicht thue; nicht aber, als ob ich wüßte, oder so [/] sicher darauf rechnen könnte, daß man nicht in Versuchung kommen würde, es zu thun. Persönliche Beziehungen auf mich, die sich ergeben haben sollen, Beziehungen auf die ganze Universität, die neuerlich entstanden sind, und, was mehr ist, Beziehungen <auf> Chur Sachsen, dürften wohl, um dem leztern eine Art von Genüge zu thun, auf den Entschluß leiten, mir durch den Senat eine derbe Weisung zukommen zu lassen; und zu rechnen, daß ich, wenn auch nicht im gleichen Grade dafür interessirt, daß der Verfasser des Grabes des Leonidas kein Dementi habe, dennoch diesen Verweiß demüthig hinnehmen werde. Ich muß erklären, Verehrungswürdiger Herr Geheimer Rath, daß darauf nicht zu rechnen ist. Ich darf das nicht; ich kann es nicht. – Ich darf nicht. Mein Benehmen in dieser ganzen Sache vom Anfang an bis hieher ist meiner innigsten Ueber[/]zeugung nach nicht nur tadellos, sondern preiswürdig; und es ist verächtlich, das preiswürdige – sey es an andern, oder an uns selbst – öffentlich schelten zu lassen, inwieweit es an uns liegt, den Tadel desselben abzuwehren. – Ich kann nicht. Ich bin gerade durch meine Feinde schon lange, und jezt mehr als je, in eine Lage getrieben, die die strengste Unbescholtenheit zur Bedingung meiner Existenz macht. Freund und Feind erwartet diese von mir, und muthet mir sie an. Ich kann, ohne alles zu verlieren, etwas unanständiges eben sowenig öffentlich erdulden, als thun. Jener Verweiß würde in kurzer Zeit in allen Zeitungen abgedrukt erscheinen, und mit der lautesten Schadenfreude, und Hohngelächter meiner Feinde empfangen werden. Jeder rechtliche Mensch würde fühlen, daß es mir die Ehre verböte, nach Erhaltung eines öffentlichen, und gerichtlichen Verweises [/] Regierungen länger unterworfen zu bleiben, die mich eines solchen Verweises werth geachtet hätten, und die allgemeine Verachtung würde mich treffen, wenn ich es bliebe. Es würde mir nichts übrig seyn, als den Verweiß durch Abgebung meiner Dimission zu beantworten; und sodann, zu meiner eignen Rechtfertigung, den Verweiß, die Abgebung der Dimission, und diesen Brief, den ich mir gegenwärtig die Ehre gebe, Eur Hochwohlgebohrn zu schreiben, der allgemeinsten Publicität zu übergeben.
Es ist Schuldigkeit noch dieses hinzuzusetzen. Mehrere mir gleichgesinnte Freunde, welche man als bedeutend für die Academie anerkannt hat, und welche in der Verletzung meiner Lehrfreiheit die ihrige als mit verlezt ansehen würden; sind auch über die Ansicht, die ich Eur Hochwohlgebohrn so eben vorgelegt, mit mir ganz einig; sie haben mir ihr Wort gegeben, mich, falls ich auf die angegebne [/] Art gezwungen würde, diese Academie zu verlassen, zu begleiten, und meine ferneren Unternehmungen zu theilen; sie haben mich berechtigt, Ihnen dies bekannt zu machen. Es ist von einem neuen Institute die Rede, unser Plan ist fertig, und wir können dort denselben Wirkungskreis wieder zu finden erwarten, welcher allein uns hier anzuziehen vermochte, und die Achtung, welche man uns in diesem Falle hier versagt haben würde.
Ich empfehle diese Sache Ihrer Weisheit, und Gerechtigkeitsliebe; mich selbst aber, und meine übrigen Angelegenheiten Ihrem gütigen Wohlwollen, und bin mit der gewohnten Verehrung
Eur Hochwohlgebohrn
gehorsamster
Joh. G. Fichte
Jena
d. 22. März.
1799.