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Johann Gottlieb Fichte to Christian Gottlob Voigt

Hochwohlgebohrner Herr,
Höchstzuehrender Herr Geheimer-Rath,
Ich habe extra acta erfahren, daß die Bedingungen, unter denen allein mein Schreiben v. 22. März, an Eur Hochwohlgebohrn, offizielle Gültigkeit bekommen konnte, eingetreten seyn müßen; daß dieses Schreiben für eine wirklich geschehne Abgebung meiner Dimißion auf einen bestimmten Fall genommen [/] worden, und daß geurtheilt worden, dieser Fall sey wirklich eingetreten.
Nur über die lezte Voraussetzung habe ich gegenwärtig die Ehre eine bestimmtere Erklärung hinzuzufügen; theils, um von meiner Seite keine Dunkelheit, oder Zweideutigkeit übrig zu laßen, die auf die zu nehmenden Maasregeln einen Einfluß haben könnte; theils, um meinen Freunden, mit welchen einverstanden ich jenen Brief schrieb, und welche glauben, daß es einer solchen Erklärung deßelben bedürfe, Genüge zu thun.
Ich beschrieb die Umstände, unter denen ich genöthigt seyn würde, meine Dimißion abzugeben, in meinem Schreiben v. [22.] M. in der Stelle: „Ich [/] bin gerade durch meine Feinde – – Verachtung würde mich treffen, wenn ich bliebe“ – sehr ausführlich, und sezte hinzu: „meine Freunde würden in der Verletzung meiner Lehrfreiheit die ihrige als zugleich mit verlezt, betrachten“ Ich redete sonach von einer Verfügung, die als eine Verletzung der Lehrfreiheit angesehn werden könnte, und von einem Verweise, der den Gebrauch dieser Freiheit in öffentlicher Untersuchung aller Gegenstände der Speculation ihrer Materie nach, getroffen, die gegen mich vorgebrachte Beschuldigung des Atheismus bestätigt, und gegen meine Religionslehre selbst sich gerichtet hätte. Nur in diesem Falle der gescholtnen Freiheit der Untersuchung, und der Hemmung derselben konnte ich den Entschluß meine Stelle nieder [/] zu legen, als unausbleiblich nothwendig, ankündigen; nur auf diesen Fall habe ich ihn, dem Zusammenhange, und dieser meiner authentischen Erklärung nach, wirklich angekündigt. Einen point d’honneur der Eitelkeit, der um höherer Zwecke willen nicht eine kleine Demüthigung ertragen könnte, habe ich nicht, noch habe ich ihn affektiren wollen; welches ja ein kleinlicher Trotz wäre.
In diesen von mir gedachten Fall versezt mich nun das ergangene Rescript nicht. Die Lehre selbst bleibt in demselben völlig an ihren Ort gestellt, es wird ausdrüklich anerkannt, daß philosophische Speculationen kein Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung seyn können; es [/] wird bloß das an uns getadelt, daß wir eine philosophische Terminologie gewählt, in der unsre Philosopheme dem gemeinen Sprachgebrauche nach als zweideutig, und anstößig erscheinen müßten. Jezt völlig an seinen Ort gestellt, in wiefern dieser Tadel uns wirklich treffe, und ob man nicht die Veranlaßung deßeiben vermeiden könne – ist es wenigstens nicht derjenige, den ich in meinem Schreiben v. 22. M. meinte; und ich will nie, weder vor mir selbst, noch vor dem Publikum, das Ansehen haben, daß ich aus dieser Ursache meine Stelle freiwillig niedergelegt.
Ich bitte, Eur Hochwohlgebohrn dieses als eine authentische Erklärung meines Schreibens v. 22. M. und als einen Theil vom Inhalte deßelben anzusehen, [/] ihm dieselbe öffentliche Bedeutung zu geben, die jenes Schreiben erhalten, und es Seiner Durchlaucht, dem Herzoge, eben so wie jenes, vorzulegen; indem mir viel daran liegt, in jedem zu erfolgenden Falle Höchstdemselben in meinem wahren Lichte zu erscheinen.
Ich verharre mit ausgezeichneter Hochachtung
Eur Hochwohlgebohrn
gehorsamster
J. G. Fichte
Jena,
d. 3. April
1799.
Metadata Concerning Header
  • Date: Mittwoch, 3. April 1799
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Christian Gottlob Voigt ·
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Weimar · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 3: Briefe 1796‒1799. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1972, S. 291‒292.
Manuscript
  • Provider: Landesarchiv Thüringen - Hauptstaatsarchiv Weimar
  • Classification Number: A 6679 Bl. 169-171
Language
  • German

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