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Karl Ludwig Pörschke to Johann Gottlieb Fichte

Königsberg, den 5. April 1799.
Schon seit sechs Wochen habe ich täglich an Sie, würdiger Mann, schreiben wollen, und immer wartete ich auf entscheidendere Nachrichten über Sie. Daß das Sturmlaufen auf Sie zu Ihrer Ehre ausschlagen muß, bezweifele ich keinen Augenblick; der Genius der Weltweisheit erhalte Ihnen nur Ihre Gleichmüthigkeit und bewahre Sie vor Selbstkränkungen.
Daß Sie mir Ihr ehrenvolles Andenken durch die Ueberschickung Ihrer „Appellation“ bewiesen haben, danke Ich Ihnen und verspreche auf der Seite des Guten, die einerlei mit der Ihrigen ist, zu bleiben. Hätten wir dem Auto da Fé in Dresden u. s. w. auch nur Ihre vortreffliche „Appellation“ zu danken, so hätten wir jetzt schon reinen Gewinn davon. Sie haben nun wahrlich einen großen Beruf; Sie müssen alle Ihre Kräfte aufbieten, um die echte Philosophie nicht unterliegen zu lassen; Ihr Sieg wird einst zu den Triumphen der Menschheit gezählt werden.
Glauben Sie mir, ich habe hier viel Kummer über Sie wegen gewisser Aeußerungen, die ich Ihnen künftig näher angeben werde; sie erbittern mich gegen eine gewisse Person, die ich ehemals hochgeachtet und geliebt habe. Ihre „Appellation“ wird hier von Kaufleuten und mancherlei Geschäftsmännern mit lebendigem Interesse gelesen und erweitert sehr den Kreis Ihrer Verehrer. Der Ausgang Ihrer Streitigkeiten sei wie er wolle, so haben doch die Götzendiener durch Sie eine große Niederlage erlitten.
Klugheit und Weisheit mögen Sie mit dem dresdenschen Ketzerbrater auseinander bringen. Bei dem ersten Geschrei in der Zeitung dachte ich gleich an einen unreinen Namen, und ein Freund meldet mir denselben.
Ueber Ihren neuen Alliirten, über Eberhard, freuen Sie sich wohl so gut wie jeder, der Ihnen wohl will. Solche Widerlegung des Gegners ist desselben kräftigste Vertheidigung. Wenn ein so dicker Riese ausgeträumter Träume nichts gegen Ihre Sache vermocht hat, wenn er die seinige so über allen Ausdruck erbärmlich verficht, so muß sein ganzes Heer verzagen. Was muß nicht dort oben im Himmel für ein unendlicher und vollkommener Wolfianer [/] und Synonymiker thronen, da die Wolfianer und Synonymiker hier auf Erden so endlich und unvollkommen sind.
In der Vorrede zu einer Schrift, die ich schon ganz fertig habe und die bald in den Druck geht, werde ich über die Unmöglichkeit des Atheismus in denkenden Wesen (von blos plappernden Creaturen mag man ihn wol hören) und von dem zweifelhaften Einflusse, den der vermeinte oder geplapperte Atheismus auf das Bürger= und Menschenleben hat, einige deutliche Worte reden.
Nie verlasse Sie die Seelenhoheit, welche durch erkannte und mitgetheilte unsterbliche Wahrheit erzeugt wird, um das Gebell unter Ihnen nicht zu achten. Ich bin mit unveränderter Verehrung der Ihrige.
Pörschke.
Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 5. April 1799
  • Sender: Karl Ludwig Pörschke ·
  • Recipient: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Place of Dispatch: Königsberg · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 3: Briefe 1796‒1799. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1972, S. 294‒295.
Manuscript
  • Provider: Handschrift verschollen
Language
  • German

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