Nürnberg 13 May 1799.
Beiliegend finden Sie den Verkündiger mit den Sie betreffenden Aktenstücken. Ich muß gestehen, daß mich der matte Ton, der in beiden Suppliken herrscht, in dieser Sache befremdete. Sollte es unter so vielen Jenaer Studenten keinen bessern Concipienten gegeben haben?
Darf ich wohl ein Wörtchen über Ihre Lage sprechen; Freund? darf ich Ihnen meinen Rath anbieten, ohne anmaßend zu scheinen? – Sie kennen ja das Interesse, das mein Herz an Ihnen nimmt, u. so werden Sie mir meine Theilnahme an Ihren Angelegenheiten wenigstens in Rüksicht auf meinen guten Willen verzeihen.
Nun zu meinem Vorschlag. Wie wäre es, wenn Sie, falls Sie iezt ohne bessere Aussichten sind, auf irgend einer Universität, wo man [Sie] auch blos duldete, als Privatdocent Ihre Vorlesungen eröfneten? – Unter andern Umständen, das heißt – in friedlichen Zeiten, würden Sie wohl schwerlich lange ohne Vocation geblieben seyn; aber gegenwärtig rettet sich so manche Akademie kaum noch vor dem gänzlichen Aufhören, geschweige denn, daß man noch für ihren Glanz sorgen könnte.
Zur Eröfnung Ihrer Privatvorlesungen möchte ich Ihnen, (falls Sie nicht [/] eine der katholischen Universitäten im fränkischen Kreise vorziehen wollte, wo Sie enthusiastisch verehrt werden), Helmstädt vorschlagen. Sie haben wahrscheinlich das sehr bescheidene Rescript gelesen, das der Herzog von Braunschweig Ihrentwegen an die dortigen Professoren erließ. Mir scheint es, daß Sie dort freundliche Aufnahme finden würden; Aenesidemus würde sicher nicht mit Ihnen rivalisiren wollen, und der Herzog will, wie man sagt, in friedlichen Zeiten durch Verlegung der Akademie nach Braunschweig und durch andere Anstalten noch viel für die Akademie thun. Sie selbst würden, auch als Privatlehrer, mehrere Studierende dorthin ziehen.
Dies mein gutgemeinter Vorschlag. Ist er nicht mehr als gut gemeint, so ist er doch auch nicht weniger, und Sie werden nicht böse. Wohl wünschte ich, daß Sie mir sagten, ob Sie ihn brauchbar finden.
Leuchs nimmt sehr herzlichen Antheil an Ihnen, und hat die eingesandten Akten mit Vergnügen aufgenommen. Mein Verhältniß mit ihm wird wieder inniger; er fühlt, daß ihm gei[/]stige Wechselwirkung in Nürnberg mangelt. Ich habe ebenfalls lange entbehrt; allein ich mußte meine Selbstständigkeit gegen ihn durchführen; denn auch die ädelsten Bedürfnisse sollen nicht auf Kosten der Gerechtigkeit befriedigt werden. Ich will nicht abhängig machen von mir; ich will nur frei seyn. Dies hab ich auch nun bei ihm gewonnen; er rechnet iezt nur auf so viel Gegenwirkung von mir, als er nach der Natur seiner ersten Wirkungen auf mich erwarten [kann]. Dies ist das natürliche Verhältniß, bei dem ich allein bestehen kann.
Ich beschäftige mich gegenwärtig mit Mathematik und Chemie. Leztere zeigt mir eine grosse Nacht voller Lampen, die die neuern Chemiker aufstekten, worinn sie aber den Docht vergassen. Schelling hat hin und wieder Feuer geschlagen, noch hat er aber vieles selbst nicht gesehen, was in seinen eignen Ideen lag. So z. B. giebt der Parallelismus zwischen Fichte und Neuton noch weit grössere Aufschlüsse in der Physik. Meine Ideen sind aber noch Embryone; daher stille davon! [/]
Mein Wörterbuch ist kürzlich in der Salzburger Litteraturzeitung von einem Unmündigen angezeigt worden. Meine Absicht war es nicht, mir aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge Lob zu bereiten. Können Sie nicht machen, daß es bald von Schlegel recensirt wird. Es verlangt mich sehr. – Der Verkündiger will auch nicht recensirt werden; wie kommt es?
An Ihre Gattin besonders zu schreiben gewinne ich diesmal nicht Zeit. Bringen Sie ihr meinen herzlichen Gruß. – Herr von Zwanziger ist hier. Ich glaube ihm aber hier wie in Jena die Pandekten anzusehen, und so weiß ich weiter nichts von ihm. Vielleicht hab ich auch Unrecht.
Leben Sie recht wohl, und vergessen nicht
Ihren
Wagner
Beide beiliegende Briefchen ersuche ich, an meinen Landsmann Mayer abgeben zu lassen.
Beiliegende Stimme aus Bayern ist uns anonym eingesandt und in den Verkündiger aufgenommen worden.
Beiliegend finden Sie den Verkündiger mit den Sie betreffenden Aktenstücken. Ich muß gestehen, daß mich der matte Ton, der in beiden Suppliken herrscht, in dieser Sache befremdete. Sollte es unter so vielen Jenaer Studenten keinen bessern Concipienten gegeben haben?
Darf ich wohl ein Wörtchen über Ihre Lage sprechen; Freund? darf ich Ihnen meinen Rath anbieten, ohne anmaßend zu scheinen? – Sie kennen ja das Interesse, das mein Herz an Ihnen nimmt, u. so werden Sie mir meine Theilnahme an Ihren Angelegenheiten wenigstens in Rüksicht auf meinen guten Willen verzeihen.
Nun zu meinem Vorschlag. Wie wäre es, wenn Sie, falls Sie iezt ohne bessere Aussichten sind, auf irgend einer Universität, wo man [Sie] auch blos duldete, als Privatdocent Ihre Vorlesungen eröfneten? – Unter andern Umständen, das heißt – in friedlichen Zeiten, würden Sie wohl schwerlich lange ohne Vocation geblieben seyn; aber gegenwärtig rettet sich so manche Akademie kaum noch vor dem gänzlichen Aufhören, geschweige denn, daß man noch für ihren Glanz sorgen könnte.
Zur Eröfnung Ihrer Privatvorlesungen möchte ich Ihnen, (falls Sie nicht [/] eine der katholischen Universitäten im fränkischen Kreise vorziehen wollte, wo Sie enthusiastisch verehrt werden), Helmstädt vorschlagen. Sie haben wahrscheinlich das sehr bescheidene Rescript gelesen, das der Herzog von Braunschweig Ihrentwegen an die dortigen Professoren erließ. Mir scheint es, daß Sie dort freundliche Aufnahme finden würden; Aenesidemus würde sicher nicht mit Ihnen rivalisiren wollen, und der Herzog will, wie man sagt, in friedlichen Zeiten durch Verlegung der Akademie nach Braunschweig und durch andere Anstalten noch viel für die Akademie thun. Sie selbst würden, auch als Privatlehrer, mehrere Studierende dorthin ziehen.
Dies mein gutgemeinter Vorschlag. Ist er nicht mehr als gut gemeint, so ist er doch auch nicht weniger, und Sie werden nicht böse. Wohl wünschte ich, daß Sie mir sagten, ob Sie ihn brauchbar finden.
Leuchs nimmt sehr herzlichen Antheil an Ihnen, und hat die eingesandten Akten mit Vergnügen aufgenommen. Mein Verhältniß mit ihm wird wieder inniger; er fühlt, daß ihm gei[/]stige Wechselwirkung in Nürnberg mangelt. Ich habe ebenfalls lange entbehrt; allein ich mußte meine Selbstständigkeit gegen ihn durchführen; denn auch die ädelsten Bedürfnisse sollen nicht auf Kosten der Gerechtigkeit befriedigt werden. Ich will nicht abhängig machen von mir; ich will nur frei seyn. Dies hab ich auch nun bei ihm gewonnen; er rechnet iezt nur auf so viel Gegenwirkung von mir, als er nach der Natur seiner ersten Wirkungen auf mich erwarten [kann]. Dies ist das natürliche Verhältniß, bei dem ich allein bestehen kann.
Ich beschäftige mich gegenwärtig mit Mathematik und Chemie. Leztere zeigt mir eine grosse Nacht voller Lampen, die die neuern Chemiker aufstekten, worinn sie aber den Docht vergassen. Schelling hat hin und wieder Feuer geschlagen, noch hat er aber vieles selbst nicht gesehen, was in seinen eignen Ideen lag. So z. B. giebt der Parallelismus zwischen Fichte und Neuton noch weit grössere Aufschlüsse in der Physik. Meine Ideen sind aber noch Embryone; daher stille davon! [/]
Mein Wörterbuch ist kürzlich in der Salzburger Litteraturzeitung von einem Unmündigen angezeigt worden. Meine Absicht war es nicht, mir aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge Lob zu bereiten. Können Sie nicht machen, daß es bald von Schlegel recensirt wird. Es verlangt mich sehr. – Der Verkündiger will auch nicht recensirt werden; wie kommt es?
An Ihre Gattin besonders zu schreiben gewinne ich diesmal nicht Zeit. Bringen Sie ihr meinen herzlichen Gruß. – Herr von Zwanziger ist hier. Ich glaube ihm aber hier wie in Jena die Pandekten anzusehen, und so weiß ich weiter nichts von ihm. Vielleicht hab ich auch Unrecht.
Leben Sie recht wohl, und vergessen nicht
Ihren
Wagner
Beide beiliegende Briefchen ersuche ich, an meinen Landsmann Mayer abgeben zu lassen.
Beiliegende Stimme aus Bayern ist uns anonym eingesandt und in den Verkündiger aufgenommen worden.