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Johann Gottlieb Fichte to Karl Leonhard Reinhold

Jena, d. 22. Mäy. 99.a
So laß uns denn, lieber, diese beschwerliche tertiam pluralis unter uns abthun. Unsere Köpfe sind einig; unsere Herzen werden immer inniger zusammenfliesen. Billig reden Brüder einander auch an, wie Brüder.
Meine Frau hat sich die Gelegenheit, da sie meinen lezten Brief, an Dich zu couvertiren hatte, genommen, um das Bedrängnis ihres Herzens in das Deinige auszuschütten. Sie sagte mir dies erst den Tag darnach, da der Brief abgegangen war, und ich würde ihr diesen Schritt kaum haben verzeihen können, wenn es an einen andern Sterblichen gewesen wäre, ausser an Dich, der Du dieses schöne Zutrauen einer kunstlosen Seele durch Dein Antwortsschreiben geehrt hast.
Um zuerst auf diesen Punkt einzugehen, muß ich Dir die gegenwärtige Stimmung meines Kopfes u. Herzens mit aller Klarheit, mit der ich es vermag, darlegen.
Inniger Widerwille gegen das sogenannte gelehrte Publicum, und sein ganzes Wesen – nicht gegen die Menschen; von diesen denke ich im ganzen schlecht genug, handle aber immer, als ob ich wirklich glaubte, daß sie etwas taugten, und so eben betrogen, gebe ich mich wieder dem ersten, der mich bis jezt noch nicht betrogen hat, unbefangen hin, und fange an, überzeugt zu werden, daß ich über diesen Punkt unverbesserlich bin – Ermattung, und Ekel, bestimmten mich zu dem Dir schon mitgetheilten [/] Entschlusse, für einige Jahre ganz zu verschwinden. Ich war, meiner damaligen Ansicht der Sachen nach, sogar überzeugt, daß diesen Entschluß die Pflicht fodere; indem bei der gegenwärtigen Gährung ich ohnedies nicht gehört werden, und die Gährung nur ärger machen würde, nach ein paar Jahren aber, wenn die erste Befremdung sich gelegt, ich mit desto grösserem Nachdruke sprechen würde.
Ich denke jezt anders. Ich darf jezt nicht verstummen; schweige ich jezt, so dürfte ich wohl nie wieder an’s Reden kommen. – Es war mir, seit der Verbindung Rußlands mit Oesterreich schon höchst warscheinlich, was mir nunmehro durch die neusten Begebenheiten, und besonders seit des gräßlichen Gesandtenmords (über den man hier jubelt, und über welchen Schiller, u. Göthe ausrufen: so ist’s recht, diese Hunde muß man todschlagen) völlig gewiß ist, daß der Despotismus sich von nun an mit Verzweiflung vertheidigen wird, daß er durch Paul, u. Pitt consequent wird, daß die basis seines Plans die ist, die Geistesfreiheit auszurotten, und daß die Deutschen ihm die Erreichung dieses Zweks nicht erschweren werden. (Glaube z. B. nicht, daß der Weimarische Hof geglaubt hat, der Frequenz der Universität würde durch meine Gegenwart geschadet werden; er weiß zu wohl das Gegentheil. Er hat zu Folge des allgemeinen, besonders von Chursachsen kräftigst ergriffenen Plans mich entfernen müssen. Burscher in Leipzig ein Eingeweihter dieser Geheimnisse, ist schon gegen Ende des vorigen Jahres eine ansehnliche Wette eingegangen, daß ich zu Ende dieses Jahrs Exulant seyn würde. [/] Voigt ist durch Burgsdorf schon längst gegen mich gewonnen gewesen. Vom Departement der Wissenschaften zu Dresden ist bekannt gemacht worden, daß keiner, der sich auf die neuere Philosophie lege, befördert werden, oder wenn er es schon ist, weiter rüken solle. In der Freischule zu Leipzig ist sogar die – Rosenmüllerische Aufklärung bedenklich gefunden; Luthers Catechismus ist neuerlich dort wieder eingeführt, und die Lehrer sind von neuem auf die symbolischen Bücher confirmirt worden. Das wird weiter gehn, und sich verbreiten. Ich bin z. B. erbötig, jede beliebige Wette einzugehen, daß unser Paulus sich kein Jahr mehr hier erhalten wird)
Von Preussen, auf welches man etwa seine Augen richten könnte, kann nur der Ununterrichtete Schutz erwarten. Ich weiß aus den sichersten Quellen, daß man am dortigen Hofe so argwöhnisch, und so finster denkt, als an irgend einem Hofe in der Welt: und was läßt sich von der Aufklärung einer Nation erwarten, deren Repräsentant in jeder Rüksicht Nicolai ist. Was über die Abläugnung der Persönlichkeit der dritten Person in der Gottheit, und der Existenz des Teufels hinausliegt, ist ihnen böhmisches Dorf.
In Summa; es ist mir gewisser, als das gewisseste, daß wenn nicht die Franzosen die ungeheuerste Uebermacht erringen, und in Deutschland, wenigstens einem beträchtlichen Theile desselben, eine Revolution durchsetzen; in einigen Jahren in Deutschland kein Mensch mehr, der dafür bekannt ist in seinem Leben einen freien Gedanken gedacht zu haben, eine Ruhestätte finden wird. – Es ist mir also gewisser, als das gewisseste, daß, fände ich auch jezt irgendwo ein Winkelgen, ich doch in Einem, höchstens in zwei Jahren wieder fortgejagt werden würde; u. es ist gefährlich sich an mehrern Orten fortjagen zu lassen; dies lehrt historisch Rousseaus Beispiel. [/] Warum soll ich nicht sogleich dahin gehen, wohin ich ohnedies in einiger Zeit werde ausgestossen werden?
Gesezt, ich schweige ganz, schreibe nicht das geringste mehr; wird man mich unter dieser Bedingung ruhig lassen? Ich glaube das nicht; und gesezt ich könnte es von den Höfen hoffen, wird nicht die Geistlichkeit, wohin ich mich auch wende, den Pöbel gegen mich aufhetzen, mich von ihm steinigen lassen, und nun – die Regierungen bitten, mich als einen Menschen der Unruhen erregt, zu entfernen? Aber darf ich denn schweigen? Nein, das darf ich warlich nicht; denn ich habe Grund zu glauben, daß, wenn noch etwas gerettet werden kann des deutschen Geistes, es durch mein Reden gerettet werden kann, und durch mein Stillschweigen die Philosophie ganz, und zu früh, zu Grunde gehen würde. Denen ich nicht [zutraue] daß sie mich schweigend würden existiren lassen, traue ich noch weniger zu, daß sie mich werden reden lassen.
Aber ich werde sie von der Unschädlichkeit meiner Lehre überzeugen; sie werden sich ihrer Scheu vor derselben schämen? – Lieber Reinhold, wie Du <nur> so gut von diesen Menschen denken kannst! Je klärer ich werde, je unschuldiger ich erscheine, desto schwärzer werden sie; und desto grösser wird überhaupt mein wahres Vergehen. Ich habe nie geglaubt, daß sie meinen vorgeblichen Atheismus verfolgen; sie verfolgen in mir einen Freidenker, der anfängt sich verständlich zu machen (Kants Glük war seine Obscurität) und einen verschrienen Democraten; es erschrekt sie, wie ein Gespenst, die Selbstständigkeit, die, wie sie dunkel ahnen, meine Philosophie wekt. – Doch, warum sage ich Dir dies? Wer hat es stärker gesagt, als Du selbst in den Paradoxien pp? [/]
Nur den Grund könnte ich haben, unausgestossen nicht dorthin zu gehen, um selbst die nicht scharfsinnigen zu überzeugen, daß ich muste.
Und wo soll ich unterdessen bleiben? Im Rudolstädtischen? Theils könnte ich dies nur unter der Bedingung, daß ich schweige; welches ich nun nicht mehr will, noch kann; theils kann ich es nun selbst unter dieser Bedingung nicht; denn hat es mir denn nicht der Fürst durch seinen Geheimen Rath rund abschlagen lassen? Im Preussischen? Das Königreich Preussen ist mir zu entfernt, zu kalt; im Brandenburgischen kann ich nicht leben; in den Fränkischen Provinzen wird die Geistlichkeit mich durch den Pöbel steinigen lassen; darauf gehe ich jede beliebige Wette ein. – Auf das Hollsteinische bin ich wohl auch gefallen; es war mir kein unwichtiger Bewegungsgrund, Dich, und Jacobi dort zu wissen, und meiner Frau Brief ist ohne Zweifel aus einigen mir darüber entfallnen Winken entstanden. Aber – die Theurung abgerechnet, die ich wohl kannte, und der ich allerdings aus dem Wege gehen muß – ist Dir wohl bekannt, was ich aus sichern Quellen weiß, daß Rußland ein Auge auf dieses Land geworfen hat, und daß man allgemein glaubt, es werde dasselbe, zur Belohnung der grossen Verdienste, die es sich gegenwärtig um Europa erwirbt, abgetreten erhalten? Es ist nicht daran zu denken, daß Paul mich dort dulde, nachdem es seinem Scepter unterworfen ist; es ist nicht daran zu denken, daß er mich dort dulde, wenn er es auch nur künftig seinem Scepter zu unterwerfen gedenkt. Ich habe mir bisher dazu gratulirt, daß Paul von meiner Existenz nichts zu wissen scheint. Erführe erst die[/]ser von mir – und von Hollstein aus wäre dies am ersten zu erwarten – so könnte es mir noch übler ergehen, als jetzo, da ich nur von Wurmb, und Burgsdorf, u. Friedrich August gekannt zu seyn, die Ehre habe. Ferner – kann und wird der König von Dännemark, oder gar der Rath von Altona, mich schützen z. B. gegen Chursächsische Requisitionen. Glaube nur, daß es dem Dresdner Ministerio rechter Ernst ist, mich zu verfolgen. Sie haben in Berlin die Sache mit einem acharnement ohne gleichen betrieben. Und jezt, da meine gerichtliche Verantwortungsschrift püblicirt wird, die ihnen nicht zu sonderlicher Ehre gereicht!
Kurz; ich glaube festiglich, daß ich ohne den besondern Schuz eines Fürsten nirgends auf deutschem Boden sicher bin.
Dazu kommt, daß ich noch in einer andern Rüksicht einen solchen besondern Schutz – es ist schlimm genug, daß ein ehrlicher Mann in Lagen kommen kann, da er dessen bedarf, aber ich habe mich dessen nicht zu schämen, da ich es nicht bin, der eine solche Einrichtung getroffen – wünschen muß. Dem grossen Haufen ist durch die Autorität imponirt, die gegen mich entschieden hat; ich möchte, daß man ihm durch dieselbe Autorität imponiren könnte, daß er mich wenigstens anhörte.
Da ist mir denn nun ein Einfall gekommen, auf den ich nicht eben viel setze, dessen Ausführbarkeit ich nicht einmal beurtheilen kann; den ich aber Dir zur Prüfung, und wenn Du ihn gerathen, und ausführbar findest, zur Ausführung vorlege. [/]
Der Herzog v. Augustenburg hat ja den Ruhm, für Wissenschaften u. Gelehrte sich zu interessiren, er hat an Baggesen, an Schiller viel gewendet, und man hält dafür, daß er mit Dir in enger Verbindung stehe, und [an] Deinem Plane „des Einverständnisses“ Theil habe. Sollte nicht etwa dieser, wenn ihm der Gedanke unter den Fuß gegeben würde, sich entschliessen, mir einen Aufenthalt auf seinen Domänen, einen scheinbaren Auftrag mit oder ohne Titel, und dadurch seinen besondern Schutz, als seinem Diener, zu geben; um etwa das zu seyn, was der Prinz v. Conti dem verfolgten Rousseau wurde? Ich glaube, das Attachement an die Person eines Fürsten schüzt, durch die Achtung, die sie denn doch gegenseitig für einander affectiren, vor den Requisitionen der übrigen. Um das Ermessen dem Herzoge zu erleichtern müßte ihm freilich meine Verantwortungsschrift, und das beiliegende Schreiben mitgetheilt werden, nebst dem Versprechen von meiner Seite, daß ich in der Confiscations= Requisitions= und Dimissions=Streitigkeit nichts weiter schreiben, sondern lediglich speculative Schriften heraus geben würde. – So würde ich wenigstens auf einige Zeit Ruhe, Sicherheit, und die Musse erhalten, mein System zu grösserer Verständlichkeit zu erheben; wenn ich auch etwa, woran ich nicht zweifle, in einigen Jahren doch wieder verjagt würde.
Ich rechne bis Johannis in Jena zu seyn; und bis dahin liesse sich etwas in der Sache thun. Sollte sich Hofnung zeigen, etwas auszufüh[/]ren, so könnte ich auch wohl meinen hiesigen Aufenthalt deshalb verlängern.
Sollte dieser Plan, oder ein ähnlicher, der mich des besondern Schutzes eines Fürsten versichert, nicht ausführbar seyn, so sehe ich keinen Weg, als den nach Frankreich. Möge es andern unentschieden seyn, ob ich in Deutschland sicher bin; ich halte mich nicht für sicher. Diese Meinung stört die Ruhe der Seele, deren ich bedarf zu meinen Arbeiten; u. sie wird sogar ein Grund zur wirklichen Unsicherheit.
Es kann nicht leicht jemand von den Franzosen, u. den republicanisirten Deutschen schlimmer denken, denn ich. Aber es ist leider dahin gekommen, daß jeder Biedermann wünschen muß, daß, so schlimm auch die Praxis derselben ist, sie doch um ihrer Principien willen, den Sieg davon tragen möchten. – Ich habe mich genug gesträubt, und sträube mich noch, wie Du aus meinem obigen Vorschlage siehst, der Nothwendigkeit, die mich zu ihnen stößt, nachzugeben; aber ich werde zulezt denn doch wohl müssen.
Und was ist es denn; ist nicht vielleicht die Gefahr dabei mehr eine eingebildete, als reelle? Gerade, weil ich diese Menschen so durchaus zu kennen glaube, und nicht – achte, weil mein Schiksal schon seit langen Jahren mich ihnen zuzuwerfen droht, und ich stets widerstanden habe, weil ich seit langen Jahren genöthigt bin, über das Betragen mit ihnen nachzudenken: bin ich für dieses Betragen reichlicher mit Maximen, u. Vorsätzen ausgerüstet, als für irgend [/] ein anderes, und ich kann sicher erwarten, mich mit ihnen auf einen Fuß zum Auskommen zu setzen. Dazu kommt, daß ich es zunächst mit einem ehrlichen biedern Deutschen zu thun bekomme, der mein Freund war, ehe er ein Neufranke wurde, und der bis diese Stunde in seinen höchst freimüthigen Briefen zeigt, daß er mehr mein Freund ist, als der ihrige. – Eigentliche Anträge habe ich gegenwärtig von daher nicht; aber es sind schon die Anstalten getroffen, mich mit Triumph zu empfangen.
Aber ein solcher Schritt wird meiner Reputation; er wird der guten Sache schaden? Wir müssen es ja so mit Vorurtheilen aller Art aufnehmen; warum nicht auch mit diesem, das unter denen, die wir bekämpfen, bei weitem noch nicht das hartnäkigste ist?
* * *
Es folgt hiebei das versprochne Schreiben. Möge dieses alles zu Deiner Befriedigung, und zur Befriedigung meiner übrigen Freunde aufklären! Der Punkt, über den ich Stillschweigen gelobt habe, betrift die bedeutenden Collegen, die sich erträglich honnett, nur nicht stark, benommen haben. Durch mich soll den guten Seelen kein Schade zugefügt werden.
Edel hat in meiner Sache Schelling (der nicht unter die Versprecher gehörte) sich genommen. Infam Schiller. Schwach u. zum Theil niederträchtig der Jurist Hufeland, und Schütz – nicht etwa in Absicht dessen, was meine Frau erwähnt hat; dieser Kleingeisterei lache ich, sondern noch durch ganz andere positive Thaten. – Ueberhaupt scheint es mir [/] aus mehrern Deiner Bemerkungen, daß seit Deinem Abgange von Jena die herrschende Denkart sich sehr verändert haben muß. Jezt herrscht durchgängig Curmacherei, Sclavensinn, Abhängigkeit von dem Winke des geringfügigsten Herrscherlings.
Ich hoffe, daß das Schreiben mit der gehörigen Kälte, und Unpartheilichkeit abgefaßt, werde befunden werden. Dies hat mir nicht die geringste Ueberwindung gekostet. Ungerechtigkeiten gegen meine Person empören mich gerade am wenigsten. – Doch kann es Jensen, u. Jacobi vorgelegt werden, wenn Du es so gut findest – ich gebe Dir überhaupt die unumschränkteste Vollmacht darüber – und durch die Absendung an den leztern kein Aufenthalt erfolgt.
Jensen aber könnte mir einen andern, mir scheints wichtigen, Dienst thun. – Es ist mir durch den G. H. R. v. Eckardt allhier gerathen worden, ein Privat= (wie es Henke einst in der Streitigkeit mit Hurlebusch that) juristisches Gutachten einzuholen, und es mit meiner Relation druken zu lassen, wenn es für mich ausfiele, wie zu erwarten sey. So etwas imponire dem Haufen, und wirke mehr, als alle meine Beredsamkeit. Ich hätte, um dasselbe zu erhalten, verschiedne Kanäle gehabt, aber – aufrichtig, ich traute keinem so recht. Wie wäre es nun, wenn Jensen ein solches Gutachten in Kiel einholte, oder, lieber selbst verfertigte, und es mit abdruken liesse? [/]
Das Schreiben sollte, meiner Meinung nach, nicht als von mir, (ich will in meiner eigenen persönlichen Sache nicht öffentlich sprechen) sondern als von meinem Correspondenten herausgegeben, erscheinen. Wolltest Du, Lieber, wollten Jensen, Jacobi, sich namentlich zur Herausgabe bekennen, so wäre das freilich sehr gut: aber, ich muthe das ja keinem an. Dies bleibt billig dem eignen Ermessen eines jeden anheim gestellt.
Als Verleger schlage ich, falls Du nicht einen andern vorziehst, denn auch hierüber ist Dir gänzlich die Entscheidung überlassen – Friedrich Bohn vor. Es hat derselbe mich seit langem um Manuscript ersucht, und ich weiß, daß er den Verlag auch verfänglicher Schriften nicht scheut.
Der unterschriebnen Studenten waren 288. und dies waren alle, die da gegenwärtig waren. Denn der Vorgang geschah in den Ferien. In dem Nürnberger Verkündiger sind die beiden Bittschriften, und abschlägige Bescheide abgedrukt; und sie werden es ohne Zweifel bald auch in andern Blättern werden. In der Cottaischen Allgemeinen Zeitung steht eine recht gute Relation, und Rüge der in den Hamburger Zeitungen abgedrukten (wie hier jedermann sagt, von dem Weimarischen Hofe eingesendeten) Verläumdungen.
Das projectirte Institut war nicht <einmal> in der FrankenRepublik, sondern in einer andern; und das Projekt – kam keinesweges von mir her; auch waren – nicht von mir die ersten Unterhandlungen ange[/]knüpft. Jourdan ließ sich schlagen, der Weimarische Hof wartete nicht so lange, als er warten sollte; und nun trat ein Mann, der hier eine ansehnliche Pension zu verlieren hat, und der sich ohne eine eben so starke, oder lieber noch stärkere nicht füglich denken kann, auf die Hinterfüsse, und hätte mich durch Ermattung noch weiß Gott zu welchen Schritten getrieben, wenn ich ihm nicht sein Wort zurükgegeben, und mich für dergleichen Unternehmungen von aller Gemeinschaft mit ihm losgesagt hätte. – So steht es mit dem projectirten Institute. Dies alles aber unter uns! Kein Mensch weiß darüber Bescheid, als die Theilnehmer.
Den Beitritt dieses Mannes zu meinem ersten Schreiben habe ich schriftlich aufbewahrt. Das zweite hat mehr Er, als ich entworfen; und er hat durch Ermüdung es von mir herausgepreßt; dieses Schreiben, das ihm hilft, mir aber gemisdeutet wird, als ein Schritt zurük, und kaum in Einer Rüksicht helfen kann.
Hiermit lebe wohl, Lieber Theurer. Möchte das Schiksal fügen, daß wir uns persönlich sähen, daß wir noch einst zusammen leben, daß wir vereint unser Leben beschliessen könnten! Ich umarme Dich im Geiste.
Fichte.
Meinen herzlichsten Gruß an Jacobi. – Er hat mir nichts darüber geschrieben, ob er sein Schreiben an mich für den Druk bestimmt. Von meiner Seite dies in Anregung zu bringen, geht nicht, da dasselbe in mancher Rüksicht so vortheilhaft für mich ist. Will aber Er es druken lassen, so gebe ich dazu meine Einwilligung ohne Bedenken: besonders wenn einige grelle Stellen, insonderheit die, wo er meine Philosophie allerdings atheistisch nennt, (was in gewisser Rüksicht wahr, u. zuzugeben ist, aber wohl die wenigsten Leser so verstehen dürfen, wie wir es verstehen) weggelassen; und etwa mein Fragment, das ich auch an Jacobi, als Beilage geschikt [jedoch mit Weglassung der sich auf Deinen von mir misverstandnen Brief beziehenden, u. seit den Paradoxien impertinenten Note auf der lezten Seite] mit hinzugedrukt würde. Ob die Schrift, in welche jenes Fragment gehört, noch erscheinen werde, ist nicht ausgemacht: erscheint sie aber, so wird denn doch auch dieses Stük eine andere Gestalt in derselben erhalten. Sollte ich Jacobi durch mein leztes Urtheil unrecht gethan haben, wie ich freilich bis jezt noch nicht glaube, so wird er mir es verzeihen, wie Du mir mein Unrecht verziehen hast. Ich bin stets bereit, zu widerrufen.
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  • Date: Mittwoch, 22. Mai 1799
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Karl Leonhard Reinhold
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Kiel · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 3: Briefe 1796‒1799. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1972, S. 353‒363.
Manuscript
  • Provider: Schiller-Nationalmuseum
  • Classification Number: Cotta-Archiv
Language
  • German

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