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Johann Gottlieb Fichte to Karl Leonhard Reinhold

d. 21. Jun. 99.
Heute vor 8. Tage, mein Theurer, ist ein Brief von mir an Dich abgegangen. Ich antworte jezt in der höchsten Eil auf einige Punkte Deines vom 12. Jun.
1.) Es ist mir, sey es auch nur wegen meiner Abneigung meine Person zu vertheidigen, lieber, daß das Sendschreiben nicht durch mich zum Druke befördert werde. Es mag sonach unter dem von Dir vorgeschlagnen Titel mit einem Vorberichte des Freundes, an den es gerichtet ist, erscheinen.
Es freut mich, daß Du den Ton dieses Schreibens leidenschaftlos findest. Mir hat dies keine Mühe, noch Ueberwindung gekostet. Es ist mir ganz natürlich, Angriffe, die nur meine Person, [/] u. auf keine Weise die Wahrheit treffen, wie es gar nicht bei der Bezüchtigung des Atheismus, wohl aber bei der Dimission, sich verhält, nicht so sehr zu empfinden. Nicht etwa um mich zu loben, sondern um ungerechte Vorurtheile über meinen Ton überhaupt zu berichtigen, dürfte es vielleicht nicht uneben seyn, im Vorberichte des Sendschreibens auf diesen Umstand aufmerksam zu machen.
2.) Daß der Abdruk nun beschleunigt würde, wünschte ich sehr. Ich denke schon zu Ende dieses Monats nicht mehr in Jena zu seyn. – Jedoch treffen mich alle nach Jena addressirten Briefe, in dem meine Frau zurük bleibt.
3.). An Deiner u. meiner übrigen Freunde gute[n] Hofnung für meine Sicherheit kann ich noch immer nicht Antheil nehmen. An u. für sich in[/]teressiren sich die Regierungen wohl wenig für unsere Schulstreitigkeiten; aber, wenn ich meine Lehre durchsetze, so erhalten mehrere, die schon unvorsichtiger Weise Parthei genommen haben, ein Dementi: dies ist’s, was sie nicht ertragen können. Ich thäte diesen wohl den grösten Dienst, wenn ich nach Frankreich ginge.
4.) Wo ich nicht irre, hat Henke bloß privatim von Klein ein Gutachten ausgefertigt erhalten. – Ich will mir diese Sache noch weiter überlegen. Es hat auch Zeit. Man kann das Sendschreiben vorläufig ohne ein solches Gutachten erscheinen lassen. Die Punkte, über welche ich es einholen würde sind
1.) ob man ein Recht gehabt, meinen Brief zu den Acten zu bringen, u. in den Acten etwas auf ihn zu bauen. 2.). ob er, selbst in diesem Falle, für eine directe Dimissionsfoderung gehalten, u. mit wirklicher Ertheilung der Dimission beantwortet werden konnte; oder ob man nicht erst noch einen [/] zweiten Schritt von mir abwarten muste. Wie würde Jensen über diese zwei Punkte sprechen?
Dohm hat, ohne weiter etwas als das aus den Rintelschen Annalen bekannte zu wissen, sich hier in einer grossen Gesellschaft laut, und feurig gegen diesen Gebrauch meines Briefs erklärt; auch hat er Vogt mündlich fragen wollen, wie er zu einem solchen Verfahren gekommen. Ich weiß nicht, ob das leztere geschehen, und was er zur Antwort erhalten.
Lebewohl.
Ganz der Deinige
Fichte
Metadata Concerning Header
  • Date: Freitag, 21. Juni 1799
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Karl Leonhard Reinhold
  • Place of Dispatch: Jena · ·
  • Place of Destination: Kiel · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 3: Briefe 1796‒1799. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1972, S. 382‒383.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 155
Language
  • German

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