den 24 Junius 799.
Gestern abends fand ich bey meiner Zurückkunft von einem benachbarten Landgute, wo ich zwey Tage mit unsrem Jacobi zubrachte, Deinen Brief vom 14 Junius nebst den Exemplaren der Vertheidigungsschriften. Vor allem aber laß mich Dir kurz das Wesentlichste von dem sagen, was ich Dir in Jacobis Namen sagen soll.
Er hält Deinen Unglauben an Deine Sicherheit in Teutschland für zu weit getrieben, und meynt daß es uns itzt vor allen Dingen auf Deine Beruhigung über diesen Punkt ankomme. Er hoft es durch seinen Einfluß bey der gegenwärtigen Regierung in München dahin zu bringen, daß er Dir zu behuf Deines Aufenthaltes in den pfalzbayrischen Staaten völlig beruhigende Zusicherungen verschaffen kann, und will noch diese Woche darüber in Correspondenz tredten. Du lebtest in einer von Dir selbst zu wählenden Stadt dieses Gebiethes wohlfeiler als anderswo.
Solltest Du während seiner Unterhandlungen Jena verlassen müssen, so biethet er Dir auf seinem Pempelfort, das dicht, wie eine Vorstadt an Düsseldorf liegt, in seinem dortigen Orangeriehause – da das Hauptgebäude leider, vermiethet ist, drey oder vier Stuben an, will sorgen, daß Du die nöthigsten Möbeln daselbst finden sollst, und bürgt Dir für die vollkommenste Sicherheit. [/]
Er will darüber schon nächsten Posttag das Nöthige nach Düsseldorf schreiben.
Das Sendschreiben über Deine Dimission glaubt er müsse in der wesentlichen Form und nach den Inhalt den es itzt hat, gar nicht gedruckt werden, in dem es Dir in der öffentlichen Meynung mehr schaden als nützen würde. Es erhelle aus dem ganzen nichts weiter als daß Dir durch Voght unrecht geschehen sey – durch den Gebrauch den er von Deinem – trotzigen und allenfalls zu entschuldigenden aber nie zu rechtfertigenden Briefe gemacht hat. Aber der Inhalt dieses Briefes wäre durch das Sendschreiben nicht ein mal entschuldigt, viel mehr würden die Dir nachtheiligsten Punkte desselben – das gedrohte der jenaischen Akademie gefährlich seyn sollende Institut – und die zum Nachtheil derselben verabredete Dienstaufkündigung mehrerer bedeutender Lehrer – und die Berufung auf den Herderischen Gott – durch alles was im Sendschreiben darüber nicht gesagt, und gesagt ist – nur noch mehr hervorgehoben. Das Sendschreiben setzte ein schon unterrichtetes und zur Unpartheilichkeit gestimmtes Publikum voraus – trage aber zu diesem Unterricht und dieser Stimmung nichts bey. Er hält dafür, daß Du, wenn Du nicht mehr Aufklärung über den leidigen Brief an Vogt geben kannst, lieber ganz über denselben schweigen müssest. [/]
Das muß ich Dir meinerseits auch gestehen, daß ich von der Publikation des Sendschreibens auch keinen andern Vortheil als die Beschämung Voght[s] – an der Dir nichts gelegen seyn kann – erwarte.
Alles was Du mir in Deinem letzten und vorletzten Briefe über das projektirte Institut, über den höchstbedeutenden Collegen – in dem Briefe an V. waren es Männer – und alles andere was in dem Brief an V. in einem so gehässigen Dunkel dasteht – zur Erläuterung für mich schriebst, ist mir völlig unverständlich – und ein unauflösliches Räthsel. Habe Geduld mit mir – denn Jensen ist nicht besser daran. Ich errathe nicht einmal den Mann – von dem Du mir so mancherley eine geraume Zeit her schreibst. –
(:Pflicht der Großmuth – möchte ich nie sagen – denn Groß zu seyn und zu handeln – kann es keine Pflicht geben – auf dem Standpunkt der Pflicht ist alles thun das durch bestimmt wird gleich. Das Wort wird Dir zumal – da man Dich für übermässig stolz hält – gewis übel gedeutet. [)]
Dadurch daß Professoren das Recht haben wenn sie wollen, Ihren Abschied zu nehmen – wird die Drohung den Verweis der Regierung durch eine von mehrern verabredete Dienstaufkündigung zu bestrafen – nicht in der öffentl. Meynung gerechtfertiget. Auch die Regierung hat das Recht den Abschied zu geben, wenn der Prof. das Recht hat ihn zu nehmen – aus blosser Freyheit. Lieber Fichte, Du mußt auf den Standpunkt Deiner Feinde wenigstens – Deiner Nichtfreunde, durchaus Dich versetzen, wenn Du Deine Dimissionsgeschichte – oder vielmehr das unglückliche Schreiben an Voght, in das zweckmässige Licht setzen willst. So viel haben [/] Jacobis Gründe wenigstens über mich vermocht, daß ich die Publikation Deines Sendschreibens wenigstens bis auf Deine Antwort auf meinen heutigen Brief aufschiebe.
Wieland hat mir schon seit November nicht geschrieben und auf zwey Briefe nicht geantwortet. Er ist in keiner eigentl. Ungnade bey Hofe – aber er schmolt, und man schmolt wieder. Aber so viel weiß ich, daß er mit mir brechen, und was mir näher geht, sich untröstlich grämen würde – auch um seines – ihn größtentheils ernährenden Hofes willen – wenn ich als Herausgeber mich nennte. Auch hat Voght mich nach Jena gebracht, und mich zum Dank auf mancherley weise verpflichtet – obwohl er mich nachmals auch verließ.
Das Heusingersche Pamphlet ist ein eckelhaftes Gewäsch eines engbrüstig orthodoxen Kantianer – daß und wie ihm dasselbe von Dresden aus gelohnt ist, weiß ich noch nicht. Mir eckelt aber längst vor allen Pros, und Contra – die Deine Streitsache bisher veranlaßt hat. – Die Vertheidigung der verfängl Fragen, und des Tons in Forbergs Aufsatz, wäre nach aller verständigen und Dir wohlwollenden Männer Urtheil die ich noch hörte – besser aus Niethamers Vertheidigungsschrift weg geblieben. Qui nimium probat, nihil probat.
Von Berlin nach Hamburg sind nur 20 Meilen. Bey jedem Briefe fühle ich, wie nichts von allem dem was ich Dir zu sagen habe, ich Dir brieflich sagen kann. Nur Ein Tag mündlicher Unterredung, und wir wissen, was wir in Zukunft für einander und mit einander zu thun haben. – Das Schreiben des Vaters an Ferdinandchen ist, so schlecht es ist, viel zu gut für den Verfasser, den Du etwas zu voreilig, dafür angiebst. – Mit inniger Liebe und Hochachtung
Herzlich grüßen wir Deine liebe Frau!
ewig Dein Reinhold.
Gestern abends fand ich bey meiner Zurückkunft von einem benachbarten Landgute, wo ich zwey Tage mit unsrem Jacobi zubrachte, Deinen Brief vom 14 Junius nebst den Exemplaren der Vertheidigungsschriften. Vor allem aber laß mich Dir kurz das Wesentlichste von dem sagen, was ich Dir in Jacobis Namen sagen soll.
Er hält Deinen Unglauben an Deine Sicherheit in Teutschland für zu weit getrieben, und meynt daß es uns itzt vor allen Dingen auf Deine Beruhigung über diesen Punkt ankomme. Er hoft es durch seinen Einfluß bey der gegenwärtigen Regierung in München dahin zu bringen, daß er Dir zu behuf Deines Aufenthaltes in den pfalzbayrischen Staaten völlig beruhigende Zusicherungen verschaffen kann, und will noch diese Woche darüber in Correspondenz tredten. Du lebtest in einer von Dir selbst zu wählenden Stadt dieses Gebiethes wohlfeiler als anderswo.
Solltest Du während seiner Unterhandlungen Jena verlassen müssen, so biethet er Dir auf seinem Pempelfort, das dicht, wie eine Vorstadt an Düsseldorf liegt, in seinem dortigen Orangeriehause – da das Hauptgebäude leider, vermiethet ist, drey oder vier Stuben an, will sorgen, daß Du die nöthigsten Möbeln daselbst finden sollst, und bürgt Dir für die vollkommenste Sicherheit. [/]
Er will darüber schon nächsten Posttag das Nöthige nach Düsseldorf schreiben.
Das Sendschreiben über Deine Dimission glaubt er müsse in der wesentlichen Form und nach den Inhalt den es itzt hat, gar nicht gedruckt werden, in dem es Dir in der öffentlichen Meynung mehr schaden als nützen würde. Es erhelle aus dem ganzen nichts weiter als daß Dir durch Voght unrecht geschehen sey – durch den Gebrauch den er von Deinem – trotzigen und allenfalls zu entschuldigenden aber nie zu rechtfertigenden Briefe gemacht hat. Aber der Inhalt dieses Briefes wäre durch das Sendschreiben nicht ein mal entschuldigt, viel mehr würden die Dir nachtheiligsten Punkte desselben – das gedrohte der jenaischen Akademie gefährlich seyn sollende Institut – und die zum Nachtheil derselben verabredete Dienstaufkündigung mehrerer bedeutender Lehrer – und die Berufung auf den Herderischen Gott – durch alles was im Sendschreiben darüber nicht gesagt, und gesagt ist – nur noch mehr hervorgehoben. Das Sendschreiben setzte ein schon unterrichtetes und zur Unpartheilichkeit gestimmtes Publikum voraus – trage aber zu diesem Unterricht und dieser Stimmung nichts bey. Er hält dafür, daß Du, wenn Du nicht mehr Aufklärung über den leidigen Brief an Vogt geben kannst, lieber ganz über denselben schweigen müssest. [/]
Das muß ich Dir meinerseits auch gestehen, daß ich von der Publikation des Sendschreibens auch keinen andern Vortheil als die Beschämung Voght[s] – an der Dir nichts gelegen seyn kann – erwarte.
Alles was Du mir in Deinem letzten und vorletzten Briefe über das projektirte Institut, über den höchstbedeutenden Collegen – in dem Briefe an V. waren es Männer – und alles andere was in dem Brief an V. in einem so gehässigen Dunkel dasteht – zur Erläuterung für mich schriebst, ist mir völlig unverständlich – und ein unauflösliches Räthsel. Habe Geduld mit mir – denn Jensen ist nicht besser daran. Ich errathe nicht einmal den Mann – von dem Du mir so mancherley eine geraume Zeit her schreibst. –
(:Pflicht der Großmuth – möchte ich nie sagen – denn Groß zu seyn und zu handeln – kann es keine Pflicht geben – auf dem Standpunkt der Pflicht ist alles thun das durch bestimmt wird gleich. Das Wort wird Dir zumal – da man Dich für übermässig stolz hält – gewis übel gedeutet. [)]
Dadurch daß Professoren das Recht haben wenn sie wollen, Ihren Abschied zu nehmen – wird die Drohung den Verweis der Regierung durch eine von mehrern verabredete Dienstaufkündigung zu bestrafen – nicht in der öffentl. Meynung gerechtfertiget. Auch die Regierung hat das Recht den Abschied zu geben, wenn der Prof. das Recht hat ihn zu nehmen – aus blosser Freyheit. Lieber Fichte, Du mußt auf den Standpunkt Deiner Feinde wenigstens – Deiner Nichtfreunde, durchaus Dich versetzen, wenn Du Deine Dimissionsgeschichte – oder vielmehr das unglückliche Schreiben an Voght, in das zweckmässige Licht setzen willst. So viel haben [/] Jacobis Gründe wenigstens über mich vermocht, daß ich die Publikation Deines Sendschreibens wenigstens bis auf Deine Antwort auf meinen heutigen Brief aufschiebe.
Wieland hat mir schon seit November nicht geschrieben und auf zwey Briefe nicht geantwortet. Er ist in keiner eigentl. Ungnade bey Hofe – aber er schmolt, und man schmolt wieder. Aber so viel weiß ich, daß er mit mir brechen, und was mir näher geht, sich untröstlich grämen würde – auch um seines – ihn größtentheils ernährenden Hofes willen – wenn ich als Herausgeber mich nennte. Auch hat Voght mich nach Jena gebracht, und mich zum Dank auf mancherley weise verpflichtet – obwohl er mich nachmals auch verließ.
Das Heusingersche Pamphlet ist ein eckelhaftes Gewäsch eines engbrüstig orthodoxen Kantianer – daß und wie ihm dasselbe von Dresden aus gelohnt ist, weiß ich noch nicht. Mir eckelt aber längst vor allen Pros, und Contra – die Deine Streitsache bisher veranlaßt hat. – Die Vertheidigung der verfängl Fragen, und des Tons in Forbergs Aufsatz, wäre nach aller verständigen und Dir wohlwollenden Männer Urtheil die ich noch hörte – besser aus Niethamers Vertheidigungsschrift weg geblieben. Qui nimium probat, nihil probat.
Von Berlin nach Hamburg sind nur 20 Meilen. Bey jedem Briefe fühle ich, wie nichts von allem dem was ich Dir zu sagen habe, ich Dir brieflich sagen kann. Nur Ein Tag mündlicher Unterredung, und wir wissen, was wir in Zukunft für einander und mit einander zu thun haben. – Das Schreiben des Vaters an Ferdinandchen ist, so schlecht es ist, viel zu gut für den Verfasser, den Du etwas zu voreilig, dafür angiebst. – Mit inniger Liebe und Hochachtung
Herzlich grüßen wir Deine liebe Frau!
ewig Dein Reinhold.