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Johann Gottlieb Fichte to Johanna Fichte

Berlin, d. 6. Jul. 1799.
Du wirst Dich gewundert haben, gute theure Seele, daß Du so lange keinen Brief von mir erhalten; aber erst heute geht seit meiner Ankunft (d. 3. Abends) die erste Post ab. Diesen Brief erhältst Du durch einen Freund vielleicht früher, als einen andern, den ich unter demselben Datum mit der Post abgehen lasse.
1.). Der Ueberbringer ist ein sehr beliebter Schriftsteller, allhier, Hrr. Tiek, der mir Höflichkeiten erzeigt hat. Seine Frau eine gebohrne Alberti, Schwester der Mad. Reichardt. Es wäre mir lieb, wenn Du ihnen einige Artigkeiten erweisen könntest.
2.) In dem Briefe, den Du über die Post erhältst, schreibe ich Dir nur, was alle Welt wissen kann, weil ich sicher weiß, daß er geöfnet werden wird. Doch werde ich Dir oft unter Deiner Addresse über die Post schreiben, u. bitte auch Dich, daß Du mir auf dieselbe Weise über die Post antwortest, versteht sich, was alle Welt wissen darf; auch andere unbedeutende z. B. Gelehrten Briefe, mir auf diesem Wege zukommen läßt. Der Grund ist der. Erhalte ich gar keine Briefe unmittelbar, so wird dadurch Verdacht erregt; sie merken, daß ich es weiß, daß ich beobachtet werde, lernen mir nie trauen, u. forschen desto emsiger nach den Kanälen, durch welche ich meine Correspondenz führe. Erhalte ich aber unmittelbar welche, so vermuthen sie desto weniger, daß es auch noch andere Wege giebt. Eine geheime Addresse werde ich Dir tiefer unten angeben. [/]
3.) Denke Dir nur: die Mittwoch Abends 10. Uhr fahre ich zum Thore herein, u. gebe meinen Namen an. Donnerstags Morgens wird im Staatsrathe (d. h. im höchsten Regierungscollegio der Minister) Vortrag darüber gethan, u. vorläufig denn doch nur beschlossen, mich sehr genau beobachten zu lassen. Ein Freund meldet mir dies. So eben – Freitags Morgens – verläßt mich der Policei=Inspector, – der mir denn nur pflichtschuldiger Weise, sagte er, seinen Besuch [hat] machen wollen, u. sich erkundigen sollen, ob ich etwa nur zum Vergnügen, oder in Geschäften hier sey. Ich habe ihm gesagt: zum Vergnügen: wisse aber nicht, wie lange die Zeit meines Aufenthalts dauren könne.
Das Aufsehen, die Furcht, das Schreken sey allgemein, sagt man mir. – Ich schreibe Dir dieses alles nur, damit Du in Deiner Correspondenz Deine Maasregeln darnach nehmest. Erschreken laß Dich nu<r> nicht: daß sie nicht brutal verfahren wollen, siehst Du selbst aus diesen Maasregeln: daß aber kein Schein eines Verdachtes auf mir ruhen wird, davon bist Du wohl durch die Vorsichtigkeit meiner Aufführung überzeugt.
Maasregeln aufs weitere aber lassen bei so bewandten Umständen sich nicht nehmen. – Mein Wunsch wäre es [/] hier zu bleiben; u. kann ich ihnen nur die Lächerlichkeit, u. Abgeschmaktheit dieses sonderbaren Mistrauens durch die That zeigen, so stehe ich dann desto fester, u. kann alles erreichen. Wir werden sehen. – Uebrigens sey versichert, daß ich zeitig genug einen Entschluß fassen werde.
Daß Du, falls ich nur hier fest stehe, hieher kommst, ist wünschenswürdig, u. ausführbar. Ich sehe an Schlegels Oekonomie, daß es [sich] hier mit Frau wohl nicht viel theurer lebt, als als Einzelner.
4.) Es liegt viel daran, daß man in Berlin nicht glaube, daß ich weiß, was ich doch wirklich weiß; daß man glaube, ich halte mich nicht für beobachtet, damit man seiner Beobachtung desto mehr traue. Laß daher selbst in Jena nicht – von woher man sicher es nach Berl, schreiben würde – selbst bei unsern Vertrautesten Freunden nicht – etwas verlauten. Schelling sage; ich hätte bis jezt in Absicht unsrer Verabredungen noch nicht sattsame Erkundigungen einziehen können; u. könne gegenwärtig noch nicht bestimmt rathen; werde es aber zeitig genug.
5.) Die zurükgelaßnen Briefe, besonders der nach Mäinz, sind doch abgegangen. – Ich habe, wie Du weißt, um Stapfers Antwort geschrieben. Diese, u. alle Briefe von jener Seite her, laß mir schnell, auf dem sichersten Wege, zu kommen. Erbrich sie; u. wenn Du nicht recht trauest, so behalt lieber das Origi[/]nal zurük, u. schike mir bloß eine Abschrift.
Da ich denn doch nicht weiß, ob Du den über die Post geschikten Brief nicht viel später als diesen erhältst, so melde ich Dir doch auch, was ich für jenen versparen wollte. a.). Ich bin recht gesund, u. wohl; ausser einer starken Wunde auf der Brust, die mir Dein löbliches Pechpflaster verursacht hat, u. die ich jezt mit Talg vom Lichte, gleichfals nach Deiner Weise, curire. b.) Mein Logis – ist sehr bescheiden; doch angenehm: in dieser Lage, u. als chambre garnieunmöblirte Logis sind um wenig theurer, als in Jena – nicht zu theuer, versichert man. c.) Ich habe einen Bedienten angenommen, welcher schon alle meine Sachen in die beste Ordnung gebracht hat, und sie darin erhält, eine rechte gute Hand schreibt, still, u. bescheiden u. fleisig ist, u. mir wohl gefällt. Er bekommt 12 r. monatlich Tractament [–] übrigens nichts, auch nicht Kleidung. Dies ist nun freilich das gewöhnliche. Kurz – es heimlet mich hier schon an, u. ich werde Lust erhalten zur Arbeit.
Ich empfehle Dir den braven Haarbaur.
Küsse mir den lieben kleinen; u. Gott erhalte euch beide gesund, bis ich euch wiedersehe.
F.
Addresse: Profeßor Heindorf, am grauen Kloster. Innere Addresse: Pred. Schleyermacher, a. d. Charité[.] Meine Addresse: – im silbernen Monde unter den Linden.
Addressire nicht durch Schlegel. Dessen Briefe werden nun auch eröfnet.
Metadata Concerning Header
  • Date: 5. bis 6. Juli 1799
  • Sender: Johann Gottlieb Fichte ·
  • Recipient: Johanna Fichte
  • Place of Dispatch: Berlin · ·
  • Place of Destination: Jena · ·
Printed Text
  • Bibliography: Fichte, Johann Gottlieb: Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Abteilung III, Bd. 4: Briefe 1799–1800. Hg. v. Hans Gliwitzky und Reinhard Lauth. Unter Mitwirkung v. Peter K. Schneider und Manfred Zahn. Stuttgart 1973, S. 6‒9.
Manuscript
  • Provider: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: B 159
Language
  • German

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